Potenzen der schriftstrukturellen Analyse von Wortbildungsmustern für die Entwicklung basaler Lesefähigkeiten
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Die Entwicklung und Evaluation geeigneter Förderkonzepte zur Verbesserung der Lesekompetenz stellt derzeit eine große Herausforderung innerhalb der Deutschdidaktik dar. Internationale Studien belegen den hohen Stellenwert der morphologischen Bewusstheit für die Entwicklung basaler Lesefähigkeiten, die eine wesentliche Voraussetzung für das Leseverständnis darstellen. Deshalb sollte im Rahmen einer Interventionsstudie, die in fünften Klassen Hamburger Stadtteilschulen mit einer eher stark bis tendenziell belasteten sozialen Lage der Schülerschaft durchgeführt wurde, überprüft werden, wie sich ein an der morphologischen Wortstruktur ausgerichteter Sprachunterricht auf die morphologische Bewusstheit und die basalen Lesefähigkeiten auswirkt. Im Mittelpunkt der Intervention stand die schriftstrukturelle Analyse komplexer Wörter. Die Schülerinnen und Schüler der Kontrollgruppe arbeiteten im Interventionszeitraum schulbuchorientiert an komplexen Wörtern. Die Ergebnisse zeigen, dass die Interventionsgruppe (n = 116) direkt im Anschluss an die Intervention signifikant größere Lernfortschritte in allen drei erhobenen Subdimensionen der morphologischen Bewusstheit (Wortfamilien bilden, Wortstämme identifizieren, Wortbausteine segmentieren) aufweist als die Kontrollgruppe (n = 141). Nach fünf Monaten lassen sich noch signifikante Interventionseffekte im Identifizieren von Wortstämmen nachweisen. Ein Transfereffekt auf die basalen Lesefähigkeiten konnte für die Gesamtgruppe nicht nachgewiesen werden, wobei signifikante Klassenunterschiede in der Variable Dekodierfähigkeit zum zweiten und dritten Messzeitpunkt darauf hindeuten, dass es den Lehrkräften in sehr unterschiedlichem Ausmaße gelang, die im Konzept verankerte Verbindung zwischen der unterrichtlichen Arbeit an der Wortbildungsstruktur und dem Lesen von Texten umzusetzen. Die Ergebnisse der Studie können als Grundlage für die Entwicklung wirksamer Konzepte zur stärkeren Berücksichtigung morphologischer Strukturen im Sprachunterricht betrachtet werden.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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(2013): Zur Bedeutung von Einsichten in Wortbildungsstrukturen für die Entwicklung basaler Lesefähigkeiten. Überblick über den Forschungsstand. In: Didaktik Deutsch (34), 69–82
Bangel, Melanie/Müller, Astrid
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(2014): Einsichten in morphologische Strukturen als Grundlage für die Entwicklung basaler Lesefähigkeiten. Erste Ergebnisse einer Interventionsstudie. In: Didaktik Deutsch (36), 42‒63
Bangel, Melanie/Müller, Astrid
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(2014): Zur Lernwirksamkeit von Spielen zur Wortbildung. Eine exemplarische Untersuchung. In: Wrobel, Dieter & Müller, Astrid (Hg.): Bildungsmedien für den Deutschunterricht. Vielfalt – Entwicklungen – Herausforderungen. Bad Heilbrunn: Klinkhardt, 197–214
Müller, Astrid/Bangel, Melanie
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Einsichten in morphologische Strukturen als Grundlage für die Entwicklung der Dekodierfähigkeit. Erscheint in: Rautenberg, Iris/Reißig, Tilo (Hrsg.): Lesen und Lesedidaktik aus linguistischer Perspektive [Reihe: Forum Angewandte Linguistik]. Frankfurt a. M. u.a.: Peter Lang Verlag, 2015, S. 17-54
Bangel, Melanie/Müller, Astrid
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Strukturbezogene Zugriffe auf komplexe Wörter – eine Hilfe zum Semantisieren beim Lesen? Erscheint in: Kilian, Jörg/Eckhoff, Jan (Hrsg.): Deutscher Wortschatz – beschreiben, lernen, lehren. Beiträge zur Wortschatzarbeit in Wissenschaft, Sprachunterricht, Gesellschaft [Reihe: Germanistik – Didaktik – Unterricht], Frankfurt a. M. u.a.: Peter Lang Verlag, 2015, 123–142
Bangel, Melanie
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Zur Entwicklung morphologischer Bewusstheit und basaler Lesefähigkeiten durch strukturbezogene Arbeit an komplexen Wörtern. Ergebnisse einer Interventionsstudie in Klasse 5. In: Unterrichtswissenschaft, 43.4 (2015): 354-373
Bangel, Melanie/Müller, Astrid/Knigge, Michel