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Bedingungsfaktoren für die Einstellung von Kernwaffenaktivitäten bei Allianzpartnern der USA

Fachliche Zuordnung Politikwissenschaft
Förderung Förderung von 2011 bis 2014
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 202201481
 
Erstellungsjahr 2014

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Laut einer in der wissenschaftlichen Literatur und der politischen Diskussion weithin geteilten Annahme stellt der durch eine Allianzbeziehung mit den USA gegebene Schutz ein effektives Instrument dar, um amerikanische Verbündete dazu zu bewegen, der Beendigung ihrer bestehenden Aktivitäten zur Kernwaffenentwicklung zuzustimmen – einem Phänomen, das in der Forschung als Nuclear Reversal bezeichnet wird. Diese These hält aber einer Überprüfung nicht stand. Denn die Entscheidungsträger einiger Staaten haben trotz ihrer Allianzbeziehung mit den USA an der Entwicklung von Kernwaffen festgehalten und ihre Länder schließlich zu Kernwaffenstaaten gemacht. Außerdem haben selbst in jenen mit den USA verbündeten Staaten, in denen die Regierungen einem Nuclear Reversal zugestimmt haben, mitunter zahlreiche Entscheidungsträger desselben Landes zum selben Zeitpunkt diese Haltung strikt abgelehnt. Das Projekt möchte diese Varianz erklären, um zu einem differenzierten, empirisch fundierten Verständnis von Nuclear Reversals bei US-Verbündeten zu gelangen. Hieraus ergibt sich die zentrale Fragestellung: Warum stimmen manche außenpolitischen Entscheidungsträger von amerikanischen Allianzpartnern einem Nuclear Reversal ihres Landes zu und andere nicht? Das Projekt ist dieser Fragestellung im Rahmen von vier vergleichenden Fallstudien (Großbritannien, Deutschland, Südkorea und Pakistan) nachgegangen. Dabei wurden auf der Basis von umfangreichen Archivstudien Erkenntnisse gewonnen, die bedeutende wissenschaftliche Fortschritte darstellen und für die praktische Nichtverbreitungspolitik von größtem Interesse sind. Erstens zeigt das Projekt, dass die in der wissenschaftlichen Literatur und der politischen Diskussion unhinterfragte Annahme, die Befriedigung des Sicherheitsbedürfnisses der amerikanischen Verbündeten sei der entscheidende Mechanismus für deren Zustimmung zu einem Nuclear Reversal, keine empirische Unterstützung erfährt. Der zentrale Impuls für die Billigung von Nuclear Reversals durch verbündete Entscheidungsträger geht vielmehr von der Aufforderung zum Nuclear Reversal aus, die Washington auch an seine eigenen Verbündeten richtet. Zweitens zeigen die Projektergebnisse, dass diese Forderung der USA nach einem Nuclear Reversal seiner Verbündeten – im Gegensatz zu den Behauptungen der jüngsten Literatur – nicht deshalb erfolgreich ist, weil sie mit der Drohung mit materieller Bestrafung verknüpft worden wäre. Das Projekt kann vielmehr belegen, dass die Zustimmung zu einem Nuclear Reversal bei Entscheidungsträgern in Deutschland, Südkorea und Pakistan von einer weicheren Form von amerikanischem Druck – „sozialem Druck“ – induziert wurde. Der Erfolg dieses sozialen Drucks der USA basierte nicht auf der Angst vor materiellen Konsequenzen, sondern allein darauf, dass die verbündeten Entscheidungsträger eine Störung der Harmonie und des äußerlichen Konsenses im bilateralen Verhältnis zu Amerika unbedingt zu vermeiden suchten. Drittens – und dies beantwortet die Forschungsfrage – reagieren nur bestimmte alliierte Entscheidungsträger auf den sozialen Druck der USA zu einem Nuclear Reversal. Entscheidend dafür, ob ein alliierter Entscheidungsträger diesem sozialen Druck nachkommt oder nicht, ist seine individuelle Vorstellung vom Status seiner eigenen Nation gegenüber den USA. Begreift ein Entscheidungsträger sein Land als statusmäßig unterlegen, beugt er sich dem sozialen Druck der USA und stimmt einem Nuclear Reversal zu. Wähnt ein Entscheidungsträger sein Land aber auf Augenhöhe mit den USA, so weist er den sozialen Druck der USA zurück und lehnt einen Nuclear Reversal ab. Zentral für Nuclear Reversals ist mithin nicht das internationale Umfeld, sondern welche Entscheidungsträger wann die Schlüsselämter innehaben. Viertens erlaubt diese Einsicht eine positive Folgerung für die praktische Nichtverbreitungspolitik. Denn fast alle US-Alliierten, die für Kernwaffenprogramme infrage kommen, werden von Entscheidungsträgern regiert, die ihr Land gegenüber den USA als statusmäßig inferior begreifen und daher durch sozialen Druck der USA zum Nuclear Reversal zu bewegen wären.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • (2014). Dual Use. Dealing with Uranium Enrichment (= CSS Analyses in Security Studies, No. 151). Zurich: Center for Security Studies
    Schneider, J./Thränert, O.
  • (2014). Nuclear Nonproliferation in the Context of U.S. Alliances. Protection, Status, and the Psychology of West Germany’s Nuclear Reversal (International Studies Association Annual Convention in Toronto, March 26-29, 2014)
    Schneider, J.
  • (2014). Statusvorstellungen, Gehorsamsbereitschaft und die Einstellung von Kernwaffenaktivitäten bei Allianzpartnern der USA (Papier für die Vierte Offene Sektionstagung der Sektion Internationale Politik der Deutschen Vereinigung für Politische Wissenschaft in Magdeburg, 25.-27. September 2014)
    Schneider, J.
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1007/s12399-014-0476-y)
  • (2015). Bringing the First Image of Nuclear Politics Back In. Plädoyer für eine verstärkte Einbeziehung des Individuums in die theoretische Analyse der Proliferation von Kernwaffen. Zeitschrift für Außen- und Sicherheitspolitik, 8 (1)
    Schneider, J.
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1007/s12399-014-0440-x)
  • Amerikanische Allianzen und nukleare Nichtverbreitung : die Beendigung von Kernwaffenaktivitätenbei Verbündeten der USA. Baden-Baden : Nomos, 2016. Comparative politics; Band 7
    Schneider, Jonas
 
 

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