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Das Verhältnis zwischen Grammatik und Gebrauch: Nullsubjekte und Subjektposition im Spanischen und Persischen

Antragsteller Professor Dr. Aria Adli
Fachliche Zuordnung Einzelsprachwissenschaften, Historische Linguistik
Förderung Förderung von 2012 bis 2017
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 206679221
 
Erstellungsjahr 2018

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Übergeordnetes Ziel des Projekts war es, ein besseres Verständnis des Verhältnisses von grammatischem System und Sprachgebrauch zu erlangen. Es wurde angenommen, dass Grammatikregeln absolute Vorhersagen machen, Gebrauchsregeln hingegen probabilistische. Als Bindeglied zwischen Grammatik und Gebrauch wurde die Informationsstruktur postuliert. Die Untersuchung dieser Fragestellung ruhte auf drei Säulen: Die erste Säule war die Untersuchung von Topikketten in spontansprachlichen Dialogen des Spanischen und des Persischen anhand des quantifizierbaren Kriteriums der Pronomenrate. Hierbei zeigte sich in beiden Sprachen, dass das Avoid Pronoun-Prinzip keineswegs eine (kategoriale) Systemregel der Grammatik, sondern eine probabilistische Gebrauchsregel ist. Topikwechsel bzw. -kontinuität ist der Hauptfaktor zur Erklärung der Frequenz overter Subjektpronomina, welche sichtlich häufiger bei Topikwechsel verwendet werden. Numerus und Person spielen ebenfalls eine zentrale Rolle, wobei der Unterschied zwischen Topikwechsel und -kontinuität bei nichtlokalen Referenten (v.a. 3sg) besonders deutlich ist. Eine Feinunterscheidung zwischen unterschiedlichen Diskurskonstellationen bei Topikwechsel sowie zwischen Referenzbeziehungen bei Kontinuität brachte ein Kontinuum zutage, welches die binäre Sicht auf Topikwechsel vs. -kontinuität in Frage stellt. Dieser Befund deutet auf die Interaktion von Topikalität und Givenness hin und stützt den probabilistischen Ansatz zur Erklärung des Avoid Pronoun-Prinzips. Bezüglich der Subjektposition konnte gezeigt werden, dass postverbale Topiks keineswegs immer Kontinuität, sondern häufiger Topikwechsel signalisieren. Die Ergebnisse zum Spanischen und Persischen zeigen eine überraschende Übereinstimmung, welche zum einen die o.g. Schlussfolgerungen stützt und zum anderen die Pertinenz der konzeptuellen Unterscheidung zwischen subjekt- und topikprominenten Sprachen schwächt. Die zweite Säule des Projekts bestand aus dem Vergleich von Akzeptabilitätsurteilen und Gebrauchsfrequenz. Diese Untersuchung wurde anhand von 14 verschiedenen französischen Interrogativvarianten durchgeführt: 7 Wortstellungen, jeweils als Objekt- und als Adjunktfrage. Die Berücksichtigung der konstruktiven Hinweise des Fachkollegiums führte zur Einbeziehung des Französischen als weitere Untersuchungssprache im Projekt. Obwohl alle Varianten erwartbar als akzeptabel eingestuft wurden – mit leichter Präferenz für formale Varianten – wurden nur einige verwendet. Akzeptabilitätsurteile decken offenbar ein breiteres Registerspektrum ab als Produktionsdaten aus der Spontansprache. Das Ergebnis deutet darauf hin, dass es grammatische Varianten gibt, die trotz zweifelsfreier Akzeptabilität kaum verwendet werden. Die dritte Säule betrifft die Analyse sozialer Variation, welche auf Gruppenunterschiede im Gebrauch hinweist. Hierfür wurden im Französischen die Subjektinversionsrate und die Subjektdopplungsrate untersucht. Beide Phänomene zeigen signifikante Effekte (v.a. von Lebensstil, aber auch von Geschlecht und Alter) und fügen sich zu einem komplementären Bild zusammen: Eine Präferenz der Subjektinversion deutet auf eine Vermeidung der Subjektdopplung hin und umgekehrt. Die Ergebnisse sind ein Hinweis auf gruppenspezifischen Registergebrauch. Des Weiteren zeigte sich systematische soziale Variation bei der Pronomenrate im Spanischen, welche mit Lebensstil korreliert. Die korpuslinguistischen Annotationsarbeiten wurden in eine nachhaltige TEI-Datenrepräsentation transformiert und dokumentiert (s. www.sgscorpus.com). Von der soziolinguistischen Forschungsarbeit wurde in der Presse berichtet: In der Sendung „Aus Kulturund Sozialwissenschaften“ im Deutschlandfunk und im Hitradio wurden Interviewgespräche mit mir ausgestrahlt. Die Kölner Boulevardzeitung Express berichtete am 08.06.2015 in einem ganzseitigen Beitrag über die soziolinguistische Forschung.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • (2014). Gradient Acceptability and Frequency Effects in Information Structure: a quantitative study on Spanish, Catalan, and Persian. Überarbeitete Fassung der 2011 Abgabeversion. Habilitationsschrift, Universität Freiburg
    Adli, A.
  • (2015). Variation in language: usage-based vs. system-based approaches. Berlin: Mouton de Gruyter
    Adli, A., García García, M. & Kaufmann, G. (eds.)
  • (2015). What you like is not what you do: acceptability and frequency in syntactic variation. In Adli, A., García García, M. & Kaufmann, G. (eds.), Variation in language: usage-based vs. system-based approaches. Berlin: Mouton de Gruyter. 173–199
    Adli, A.
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1515/9783110346855-008)
  • (2017). Variation in style: Register and lifestyle in Parisian French. In Buchstaller, I. & Siebenhaar, B. (eds.), Selected papers from the 8th International Conference on Language Variation in Europe (ICLaVE 8). Amsterdam & New York: John Benjamins. 157–171
    Adli, A.
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1075/silv.19.10adl)
 
 

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