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Artistische Wanderer: Die Migration von Künstlern in Zeiten der Revolution und des Krieges, 1789-1815

Fachliche Zuordnung Kunstgeschichte
Förderung Förderung von 2011 bis 2014
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 208159971
 
Erstellungsjahr 2014

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Das Forschungsprojekt stellt die Migration von Künstlern zwischen 1789 und 1815 in den Zusammenhang der politischen Verwerfungen der Französischen Revolution und der Koalitionskriege. Entgegen der landläufigen Annahme genuin politisch motivierter Emigrationen kann es belegen, dass beinahe alle Künstlermigrationen durch die wirtschaftlichen Sekundärfolgen der Ereignisse veranlasst wurden: Es handelte sich in der Regel um Arbeitsmigrationen unter besonderen Umständen, was sowohl für französische wie nicht-französische Künstler gilt. Wie vorrevolutionäre Arbeitsmigranten folgten sie für ihre künstlerische Tätigkeit im Ausland und bei oft mehrfachen Ortswechseln einer individuellen, unternehmerischen Handlungslogik. Der Vergleich ihrer Tätigkeit an verschiedenen Orten ihrer Tätigkeit lässt erkennen, wie einzene Künstler sich auf die jeweils vorgefundenen Bedingungen und Erwartungen einstellten, wozu für französische Migranten besonders in London durchaus eine – wohlgemerkt rein optionale – Stilisierung zum königstreuen Exilanten gehören konnte. Geht das in den 1990er Jahren entwickelte Modell des Kulturtransfers davon aus, die migrierenden Künstler wären transnational operierende ‚Agenten’ einer national definierten Kunst, so wurde während der Arbeit deutlich, dass alles Transfergeschehen hochgradig individualisiert war und keinerlei Automatismen unterlag. Künstlermigranten traten als selbständig, reflektiert und flexibel auf die jeweiligen Gegebenheiten reagierende Marktteilnehmer auf. Sie wurden geleitet durch unternehmerisches Handeln, das die Erbringung in der Fremde möglicherweise vorteilhafter Anpassungsleistungen ebenso einschloss wie deren Verweigerung und die Bereitschaft zu weiteren Ortswechseln zwischen Zentren oder in die Peripherie. In welchem Grad Anpassungsleistungen sinnvoll waren, hing ganz von den Bestellern an den jeweiligen Tätigkeitsorten ab; die gleichen Migranten konnten sich in London auf Erfordernisse einlassen, die ihnen in Sankt Petersburg dagegen nicht abverlangt wurden. Durch die mehrfachen Landeswechsel der Migranten trugen diese zu einer Re-Internationalisierung künstlerischer Produktion bei. Dass die Ausformung des Klassizismus als dem letzten transnational normierten Stil bereits vor der Revolution durch den Austausch von Künstlern getragen wurde, weil französisches Lehrpersonal regelmäßig an die europäischen Akademien berufen und Ausbildungsmigranten von ihren Landesherrn nach Paris geschickt wurden, war bekannt. Die Untersuchung der Vorgeschichte dieser Transferprozesse ergab jedoch den Befund einer Nationalisierung der Personalpolitik in den meisten europäischen Staaten ab den 1770er Jahren, was in Verbindung mit der politischen Unterminierung landesherrschaftlicher, die Akademien tragender Autorität dem Aufkommen einer in nationale Romantismen fragmentierten Romantik Vorschub leistete. Während der Revolution sorgen Künstlermigranten somit wieder für jene transnationale Vereinheitlichung, die beinahe allerorten vor der Revolution in starkem Abnehmen war; gleichzeitig aber verstärken sie dadurch die gegenläufige Entwicklung national spezifischen Romantismen als einer Form der Ablehnung. Ein Paradebeispiel für diesen bislang zu wenig untersuchten Zusammenhang zwischen transnationaler Migration und nationalen Romantismen ist Philipp Otto Runge, der in Hamburg ein zwischen Bewunderung und Abwehr schwankendes Verhältnis zu dem über London aus Paris gekommenen Jean-Laurent Mosnier entwickelte.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • European Portrait Miniatures: Artists, Functions and Collections, Petersberg, Imhof 2014
    Bernd Pappe, Juliane Schmieglitz-Otten und Gerrit Walczak (Hrsg.)
  • „Es ist nicht die Miniatur, die glänzt“: Die Pariser Miniaturisten zur Zeit Marie Antoinettes, in: Bernd Pappe und Juliane Schmieglitz-Otten (Hrsg.), Miniaturen der Zeit Marie Antoinettes aus der Sammlung Tansey, Ausst.-Kat. Celle, Stiftung Miniaturensammlung Tansey, München: Hirmer 2012, S. 25-47
    Gerrit Walczak
  • Weshalb Schadow nicht nach Paris gelangte: Briefe des jüngeren Tassaert aus der Französischen Revolution, in: Marburger Jahrbuch für Kunstwissenschaft 40, 2013, S. 191-217
    Gerrit Walczak
  • Bürgerkünstler: Die Pariser Künstlerschaft, der Staat und die Öffentlichkeit der Aufklärung und Revolution, München/Berlin: Deutscher Kunstverlag 2014 (Passagen/Passages, 45)
    Gerrit Walczak
 
 

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