Die Funktionsweise der nicht-invasiven Gehirnstimulation beim Menschen verstehen: Entwicklung und Anwendung realistischer biophysikalischer Modelle
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Ziel des Projektes war, die Funktionsweise von nicht‐invasiver Gehirnstimulation besser zu verstehen. Dazu wurden realistische biophysikalische Modelle kombiniert mit systematischen experimentellen Messungen des Antwortverhaltens bei Stimulation des menschlichen Motorkortex mittels Transkranieller Magnetstimulation (TMS). Es wurde getestet, ob und wo im Gehirn die simulierten Feldstärkeänderungen mit den Änderungen der peripheren elektrophysiologischen Antworten korreliert waren wenn die Spulenorientierung systematisch variiert wurde. Es konnte gezeigt werden, dass dies bei der Stimulation eines Fingermuskels für den entsprechenden Teil des Motorkortex der Fall war. D.h. das elektrische Feld in der Krone des präzentralen Gyrus im Bereich des Handknopfes verhielt sich entsprechend der physiologisch gemessenen Antwortänderungen. Dies spricht dafür, dass die Feldberechnungen das im realen Experiment induzierte Feld gut abbilden. Dies war jedoch nur bei Verwendung von anatomisch plausiblen Kopfmodellen der Fall. Vereinfachte Modelle, welche die Leitfähigkeitsunterschiede im Kopfinneren vernachlässigten, führten dahingegen zu wenig plausiblen Ergebnissen. Dies ist von praktischer Relevanz, da in kommerziellen Neuronavigationssystemen zunehmend Feldberechnungen mit Hilfe einfacher Kugelmodelle Verwendung finden. Es gibt zudem seit einigen Jahren die Annahme, dass spezifisch die Komponente des elektrischen Feldes maßgeblich für die Stimulation der Neurone ist welche senkrecht zur Kortexorientierung ist. Dies konnte im vorliegenden Experiment jedoch nicht bestätigt werden. Die Software zur Simulation von Feldstärkeverteilungen im Gehirn wurde zudem erweitert um die realistische Modellierung des Stromflusses bei transkranieller Gleichstromstimulation (tDCS). Dabei wurde gezeigt, dass das Material der verwendeten Oberflächenelektroden einen klaren Einfluss auf die Feldverteilung im Gehirn haben kann. Weiterhin wurde der Effekt von Läsionen bei chronischen Schlaganfallpatienten auf die Feldverteilung untersucht und ebenfalls ein klarer Einfluss dargestellt. Beide Befunde sind von großer Bedeutung, da diese Effekte bei der praktischen Durchführung von tDCS‐Experimenten bisher nicht berücksichtigt werden, aber einen klaren Einfluss auf die physiologische Wirkung von tDCS haben können. Eine erste Version der Software zur Feldberechnung wurde öffentlich zugänglich gemacht und bereits vielfach heruntergeladen. Es ist geplant, die erweiterte Version innerhalb der nächsten Monate zu veröffentlichen.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
- “SimNIBS: Towards electric field calculations as a standard tool for TMS”. ANT Burgundy Neuromeeting; Beaune (France) 2013
Andreas Bungert, Svenja Espenhahn, Axel Thielscher
- “Anatomical determinants of the electric field during transcranial direct current stimulation”. Annual Meeting of the Organization for Human Brain Mapping; Hamburg (Germany) 2014
Alexander Opitz, Walter Paulus, Andre Antunes, Susanne Will, Axel Thielscher
- “Characterizing Electrical Interactions of Tissue with Time‐Varying Gradient Fields: Simulations and Measurements”. Joint Annual Meeting ISMRM‐ESMRMB; Milano (Italy) 2014
Mandija S, van Lier ALHMW, Thielscher A, Antunes A, Neggers SFW , Luijten PR, van den Berg CAT
- “Electric field calculations explain physiological responses to TMS during motor cortex stimulation”. Annual Meeting of the Organization for Human Brain Mapping; Hamburg (Germany) 2014
Andreas Bungert, Andre Antunes, Axel Thielscher