Conditionals and Information Transfer
Final Report Abstract
Konditionalaussagen bzw. die grammatische Konstruktion „wenn, dann“ haben sehr viele sprachliche Erscheinungsformen und durchdringen unser gesamtes Reden und Denken. Sie gut zu verstehen, ist daher von großer Wichtigkeit. Ohne sie verstehen wir große Teile unseres Redens und Denkens nicht. Seit der Antike stehen zwei Modelle für ihre Explikation bereit: die materiale Implikation (stoische Logik) und die strikte oder notwendige Implikation (Aristoteles). Nach ihrer Formalisierung in der modernen Logik wurde erst Mitte des 20 Jh. klar, dass beide Explikationen untauglich sind. Neben anderen Ansätzen wurde vor allem der so genannte Ramsey-Test prominent, demzufolge Konditionalsätze bedingte epistemische Zustände ausdrücken, die ihrerseits die Änderung oder Dynamik unserer epistemischen zustände leiten. Damit verlagert sich die Untersuchung des „wenn, dann“ in die formale Erkenntnistheorie. Dieser Gedanke ist seit 40 oder 50 Jahren bekannt und viel untersucht. Er eröffnet freilich ein sehr weites Feld. Man kann (bedingte) epistemische Zustände auf viele verschiedene Weisen modellieren, ebenso ihre Dynamik, und ebenso die Art und Weise, auf der sie durch Konditionalaussagen ausgedrückt werden. Und dieser Reichtum an Möglichkeiten trifft auf eine sehr differenzierte sprachliche Phänomenologie, in der Konditionalaussagen mit anderen grammatischen Merkmalen oder Konstruktionen interagieren. Die formal-erkenntnistheoretischen Möglichkeiten wurden im vorliegenden Teilprojekt P1 beileibe nicht vollständig untersucht, aber doch in einem viel umfassenderen Maße als bisher. Tatsächlich haben wir den Reichtum an Möglichkeiten zu Beginn des Projekts sehr unterschätzt. Der Mitarbeiter Arthur Merin, am stärksten linguistisch orientiert, hat am meisten dazu beigetragen, die vielen umgangssprachlichen Klein- und Großformen, in denen sich Konditionale ausdrücken, mit den Standardmitteln der formalen Erkenntnistheorie (wie Wahrscheinlichkeits- und Rangtheorie) zu analysieren. Der Mitarbeiter Eric Raidl hat vor allem diese Mittel der formalen Erkenntnistheorie und all die möglichen Konditionallogiken, die sich daraus ergeben, in bisher nicht gesehener Detailliertheit erforscht. Der Leiter Wolfgang Spohn hat im Rahmen der Rangtheorie eine neue und größere Palette an Möglichkeiten, Konditionale auszudrücken, aufgemacht und plausibilisiert. Und der Mitarbeiter Ali Zolfagharian hat zu untersuchen begonnen, wie sich die Konditionale gemäß Nonstandard-Mitteln der formalen Erkenntnistheorie verhalten könnten. Ohne die Einbettung in die Forschergruppe wäre all das schwer möglich gewesen. Der Umfang der sprachlichen Erscheinungsformen des Konditionals und die Schwierigkeiten, ihnen gerecht zu werden, sind uns erst durch die Kooperation mit den linguistischen Teilprojekten P2 und P8 nachdrücklich klar geworden. Die Menge bedenkenswerter Interpretationsmöglichkeiten ist durch das philosophische Teilprojekt P7 wesentlich bereichert worden. Die philosophischen Anwendungsfälle, die im Teilprojekt P3 untersucht wurden, waren auch für uns eine Herausforderung. Und unser Versuch, unsere Analysen auf textliche und gedankenexperimentelle Großformen auszudehnen, hätte ohne die Teilprojekte P6 und P4 keine Substanz gehabt. Mit dem Ertrag des Teilprojekts P1 sind wir zufrieden und unzufrieden. Einerseits haben wir viele interessante Analysen durchgeführt und viele neue Resultate erzielt. Wir glauben, damit die existierende Diskussion wirklich bereichert zu haben. Andererseits hat uns die anfangs wenig ermessene Fülle der Thematik demütig gemacht. Der erzielte Ertrag ist mehr Stückwerk, als wir schön und wünschenswert finden können. Aber das ist wohl ein Gemeinplatz: je mehr man weiß, umso besser weiß man, was man alles noch nicht weiß.
Publications
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