Androgenresistenz ohne Androgenrezeptorgenmutation: von der funktionellen Charakterisierung zum Epigenotyp
Endokrinologie, Diabetologie, Metabolismus
Humangenetik
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Bei der Mehrheit der Patienten mit der klinischen Diagnose eines AIS ist die molekulare Ursache unbekannt, was die Einordnung, Beratung und Behandlung dieser Patienten erheblich erschwert. Außerdem weist diese Tatsache darauf hin, dass der Wirkmechanismus der Androgene auch heute noch in großen Teilen molekular und zellulär unverstanden ist. Da der AR eine Schlüsselrolle bei der Ausbildung einer Androgenresistenz spielt, wurde in diesem Forschungsprojekt die Hypothese überprüft, ob epigenetische Faktoren die Entwicklung eines AIS beeinflussen können. Insbesondere sollte untersucht werden, ob DNA-Methylierungsveränderungen in der Promotorregion des AR die mRNA-Expression des AR verringern können. Ein zentraler Punkt für das Gelingen dieses Projektes war der Aufbau einer umfangreichen Biobank bestehend aus Genitalhautfibroblasten (GF) von Patienten mit klinischer Diagnose eines AIS, anderer DSD-Formen sowie männlicher Kontrollfibroblasten. Im Laufe der Förderperiode konnten insgesamt 434 GF in Kiel zusammengeführt werden, weitaus mehr der ursprünglich 385 geplanten GF. Über die Hälfte dieser GF (N=262) konnte im Laufe des Forschungsprojektes umfassend charakterisiert werden. Dies beinhaltete die NGS-basierte Sequenzierung des gesamten AR-Genlokus (inklusive regulatorischer Sequenzen), eine funktionelle Untersuchung des AR, durch das Messen der DHT-abhängigen Induktion des AR-Zielgens ApolipoproteinD (APOD-Assay) sowie der Nachweis der AR-Expression in diesen GF auf mRNA und Proteinebene. Diese sehr zeitintensiven Analysen mündeten in der Identifizierung einer Untergruppe von AIS-Patienten, welche in Abwesenheit einer AR- Gen Mutation eine Funktionsminderung des AR im APOD-Assay aufwiesen. Diese Untergruppe eines funktionellen AIS ist eine neue Entität und durch uns (mit Hilfe dieses Projektes) als AIS Typ II zum ersten Mal in der Literatur beschrieben worden. Gemäß der Arbeitshypothese haben wir uns auf die genauere Untersuchung von GF mit verringerter AR-mRNA Expression konzentriert. Wir konnten zeigen, dass in der Mehrheit der GF mit verringerter AR-mRNA-Expression eine erhöhte DNA-Methylierung in einem definierten AR-Promotorbereich vorliegt. In vitro Experimente zeigten eine methylierungsabhängige Repression eines Reportergens durch die definierte AR-Promotorregion. Durch DNA-pull down Experimente konnten wir den Transkriptionsfaktor Runx1 identifizieren, welcher an die definierte AR-Promotorregion bindet und die Transkription des Reportergens hemmt. Durch diese experimentell anspruchsvollen Analysen konnten wir einen bisher nicht beschriebenen epigenetischen Mechanismus der AR-mRNA Expressionshemmung aufzeigen. Diese Ergebnisse helfen nicht nur den klinischen Phänotyp von AIS-Patienten mit ungesicherter molekulare Diagnose zu erklären, sie geben auch wichtige Hinweise auf der transkriptionelle Regulation des AR im humanen Zielgewebe. Die Hypothese „Androgenresistenz ohne Androgenrezeptormutation“ konnte somit bestätigt werden.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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Zwischen Genomprogrammierung und genitalem Phänotyp. Gynäkologische Endokrinologie. 2012 10:7-10
Bens S, Ammerpohl O, Siebert R, Holterhus PM
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Androgen receptor function links human sexual dimorphism to DNA methylation. PLoS One. 2013 8:e73288
Ammerpohl O, Bens S, Appari M, Werner R, Korn B, Drop SL, Verheijen F, van der Zwan Y, Bunch T, Hughes I, Cools M, Riepe FG, Hiort O, Siebert R, Holterhus PM
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Intersex and differences of sex development. Background, diagnostics, and concepts of care. Bundesgesundheitsbl 2013 56:1686-1694
Holterhus PM
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Störungen der Geschlechtsentwicklung. In: Jungen und Gesundheit. Ein interdisziplinäres Handbuch für Medizin, Psychologie und Pädagogik. Bernhard Stier, Reinhard Winter (Hrsg.), Kohlhammer (Stuttgart) 2013 S.66-73
Holterhus PM
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Störungen der Geschlechtsentwicklung. In: Pädiatrie. C.P. Speer, M. Gahr (Hrsg.), Springer (Heidelberg) 2013 S.762-766
Holterhus PM
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Management of disorders of sex development. Nat Rev Endocrinol. 2014 10:520-529
Hiort O, Birnbaum W, Marshall L, Wünsch L, Werner R, Schröder T, Döhnert U, Holterhus PM
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Novel associations in disorders of sex development: findings from the I-DSD Registry. J Clin Endocrinol Metab. 2014 99:E348-355
Cox K, Bryce J, Jiang J, Rodie M, Sinnott R, Alkhawari M, Arlt W, Audi L, Balsamo A, Bertelloni S, Cools M, Darendeliler F, Drop S, Ellaithi M, Guran T, Hiort O, Holterhus PM, Hughes I, Krone N, Lisa L, Morel Y, Soder O, Wieacker P, Ahmed SF
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A quantitative proteomics tool to identify DNA-protein interactions in primary cells or blood. J Proteome Res. 2015 Feb 6;14:1315-1329
Hubner NC, Nguyen LN, Hornig NC, Stunnenberg HG
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A Recurrent Germline Mutation in the 5'UTR of the Androgen Receptor Causes Complete Androgen Insensitivity by Activating Aberrant uORF Translation. PLoS One. 2016 11:e0154158
Hornig NC, de Beaufort C, Denzer F, Cools M, Wabitsch M, Ukat M, Kulle AE, Schweikert HU, Werner R, Hiort O, Audi L, Siebert R, Ammerpohl O, Holterhus PM
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Identification of an AR Mutation-Negative Class of Androgen Insensitivity by Determining Endogenous AR Activity. J Clin Endocrinol Metab. 2016 101:4468-4477
Hornig NC, Ukat M, Schweikert HU, Hiort O, Werner R, Drop SL, Cools M, Hughes IA, Audi L, Ahmed SF, Demiri J, Rodens P, Worch L, Wehner G, Kulle AE, Dunstheimer D, Müller-Roßberg E, Reinehr T, Hadidi AT, Eckstein AK, van der Horst C, Seif C, Siebert R, Ammerpohl O, Holterhus PM
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The Long-Term Outcome of Boys With Partial Androgen Insensitivity Syndrome and a Mutation in the Androgen Receptor Gene. J Clin Endocrinol Metab. 2016 101:3959-3967
Lucas-Herald A, Bertelloni S, Juul A, Bryce J, Jiang J, Rodie M, Sinnott R, Boroujerdi M, Lindhardt Johansen M, Hiort O, Holterhus PM, Cools M, Guaragna-Filho G, Guerra- Junior G, Weintrob N, Hannema S, Drop S, Guran T, Darendeliler F, Nordenstrom A, Hughes IA, Acerini C, Tadokoro-Cuccaro R, Ahmed SF