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Daniel Bells Werk im Kontext der "New York Intellectuals"

Fachliche Zuordnung Soziologische Theorie
Förderung Förderung von 2006 bis 2008
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 21072055
 
Erstellungsjahr 2008

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Bells intellektuelle Biographie ist nicht adäquat zu verstehen ohne seine Einbettung in den durch eine gemeinsame Generationserfahrung geprägten Kreis der vornehmlich jüdischen „New York Intellectuals" (NYI), insbesondere der Gruppe, die sich am „City College New York" (CCNY) kennenlernt, da die zentralen Themen, die hier diskutiert wurden, auch maßgeblich Bells Werk beeinflusst haben. Seine Arbeit kann daher nur angemessen gewürdigt werden, wenn man sie als Fortführung der Debatten betrachtet, die in den wichtigen Journalen dieses Zirkels geführt wurden. Die wichtigsten Zeitschriften waren dabei für ihn zunächst „Politics", später „Encounter", „Commentary" und „Dissent", 1965 gründet er dann selbst zusammen mit Irving Kristol „Public Interest". Er hielt dagegen lebenslang Distanz zur Soziologie als universitärer Disziplin, die Differenz zu reinen Akademikern zeigt sich auch in der eigenen Einschätzung als „public intellectual*. Zu den Themen, die innerhalb der NYI diskutiert und für Bell einflussreich wurden, zählen z.B. literatursoziologische Fragestellungen, die Problematisierung der Funktion der Intellektuellen in der Gesellschaft, die Debatte zum Verhältnis von Massen- und Hochkultur, die frühe Auseinandersetzung mit dem Werk Max Webers, das Problem des "exceptionalism" der USA und die Frage, ob die totalitären Regime der UdSSR und Nazi-Deutschlands noch als sozialistische bzw. kapitalistische zu bezeichnen sind. Bells eigene Arbeiten, wie auch sein bekanntestes Konzept der „postindustriellen Gesellschaft, nehmen auf diese Diskussionen Bezug und müssen als Fortsetzung dieser Debatten betrachtet werden. Der Generationenkonflikt der in den 1930er Jahren geprägten Generation Bells mit der jungen Generation in den 1960er Jahren ist zudem von elementarer Bedeutung für ihn persönlich als auch für sein Werk. Insbesondere die Besetzung der Columbia Universität durch Studierende im April 1968, während der er versucht mit anderen Lehrenden zu vermitteln, ist dabei von besonderer Relevanz. Die Erschütterung darüber, dass die Proteste durch einen Polizeieinsatz beendet werden, führt dazu, dass Bell 1969 an die Harvard Universität wechselt. Die Theorie der postindustriellen Gesellschaft ist vor diesem historischen Hintergrund zu sehen. Die starke Bedeutung, die die Studentenproteste für ihn besitzen, wird deutlich, wenn Bell sie in einem Brief an David Riesman als die neuen Klassenauseinandersetzungen der postindustriellen Gesellschaft bezeichnet. Der Einfluss der jüdischen Herkunft ist hier insofern spürbar, als dass die negative Reaktion auf die Studentenbewegung die Folge einer spezifischen, durch den Holocaust maßgeblich mitgeprägten Generationserfahrung ist Auch Bells Kulturtheorie, die er in seinem Buch „Die kulturellen Widersprüche des Kapitalismus" entfaltet, ist durch die zeitgenössischen Ereignisse beeinflusst, da sie auf eine Vorlesung zurückgeht, die er im Frühjahr 1969, also kurz nach den Protesten an der Columbia Universität abhält. Die gravierendste Folge der Vorkommnisse ist ein sukzessives Verstummen Bells nach seinem Wechsel an die Harvard Universität 1969, das auf seine starke persönliche Verbitterung zurückgeht.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • Generationen in der Soziologiegeschichte - das Beispiel der New York Intellectuals. In: CD-Rom des Tagungsbandes des 33. Soziologentages in Kassel
    Oliver Neun
  • Zur Kritik am Mannheimschen Generationenbegriff. In: Assmann, Aleida/Giesen, Bernhard/Kraft, Andreas/Weißhaupt, Mark (Hrsg.): Generationsidentitäten. Konstanz 2008
    Oliver Neun
 
 

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