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Kombinierte aktive Schwingungsminderung und -isolation von elatischen Rotoren durch eine aktive Lagerabstützung mit Piezoaktoren

Fachliche Zuordnung Konstruktion, Maschinenelemente, Produktentwicklung
Förderung Förderung von 2012 bis 2016
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 210830542
 
Erstellungsjahr 2015

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Bei schnelldrehenden, überkritisch betriebenen Rotorsystemen kommt es infolge von Unwuchten verstärkt zu Rotor-Biegeschwingungen. Besonders beim Durchfahren von Resonanzfrequenzen eines Rotors kommt es, ohne schwingungsmindernde Maßnahmen, zu erhöhten Lagerbelastungen, Vibrationen und Lärm. Dies führt zur Verkürzung der Lebensdauer oder im Extremfall zum Totalversagen des Rotorsystems. Klassischerweise wird versucht unzulässig starken Rotorbiegeschwingungen und daraus resultierenden Beschädigungen des Systems durch passive Maßnahmen, wie Auswuchten, Verstimmen oder die Verwendung von passiven Dämpfern, entgegenzuwirken. Stoßen diese an ihre Grenzen, kann eine aktive Schwingungsbeeinflussung angestrebt werden. Neben aktiven Magnetlagern bieten vor allem in mobilen Anwendungen, wie Flugtriebwerken, aktive Piezolager eine vielversprechende Alternative. Dabei handelt es sich um eine Reihenschaltung von Wälzlagern mit piezoelektrischen Stapelaktoren. Im Vergleich zu aktiven Magnetlagern bietet dieser Aufbau ein reduziertes Gewicht, hohe Tragzahlen, hohe Wirkungsgrade und ein günstiges Ausfallverhalten. Mittels der aktiven Schwingungsbeeinflussung an elastischen Rotoren können grundsätzlich zwei unterschiedliche Ziele verfolgt werden: Zum einen die Minderung von Rotorschwingungen, also die Reduktion von Rotorauslenkungen/-deformationen, zum anderen die Isolation von Rotorschwingungen, also die Reduktion von Lagerkräften. Ist die Dynamik eins Rotorsystems zusätzlich durch gyroskopische Effekte geprägt und somit von der aktuellen Drehzahl abhängig, erschwert dies die Reglerauslegung. In vorangegangenen Projekten stand die aktive Schwingungsminderung im Vordergrund. Allerdings ging diese teilweise mit einer Erhöhung der Lagerkraftamplituden im Vergleich zum ungeregelten System einher. Im Gegensatz dazu stand in diesem Projekt vor allem die hybride Zielforderung nach simultaner Reduktion von Auslenkungen (Schwingungsminderung) und Lagerkräften (Schwingungsisolation) von unwuchterregten Schwingungen im Vordergrund. Ziel war es den vorhandenen Kompromiss durch aktive Maßnahmen zu umgehen oder in optimaler Weise zu treffen, um eine globale Schwingungsbeeinflussung an einem elastischen Rotorsystem mit veränderlichen Systemverhalten (Gyroskopie) zu bewirken. Um im Rahmen des Forschungsvorhabens belastbare und reproduzierbare Ergebnisse zu erhalten, wurde ein Großteil der Untersuchungen an einem gyroskopiebehafteten Versuchsrotorprüfstand durchgeführt. Um sowohl modellbasierte Regelungsentwürfe umzusetzen als auch zur Bewertung von Robustheit und Performance verschiedener Regelungsansätze wurde die Dynamik des Prüfstandes über ein mathematisches Modell beschrieben. Die Anpassung des Modells an das reale Systemverhalten erfolgte durch Identifikation einzelner freier Modellparameter. Das so ermittelte parametrische Modell ist in der Lage die drehfrequenzabhängige Systemdynamik mit hoher Genauigkeit über den gesamten Betriebsbereich abzubilden. Der zunächst für Schwingungsminderung und Schwingungsisolation getrennte Entwurf verschiedener Regelungen zeigte, dass sich durch die Verwendung adaptiver Störgrößenaufschaltungen mittels des FxLMS-Algorithmus in Kombination mit einem Regler hohe Reduktionen der Schwingungsamplituden erzielen lassen. Allerdings zeigt sich, dass bei hinreichender Systemkenntnis vor allem die Auslegung von Regelungen im Frequenzbereich zielgerichtet zu robusten Regelungen mit hoher Regelgüte führt. Auffällig bei der Bewertung der Regelgüte für die beiden getrennten Regelziele der Schwingungsminderung und Schwingungsisolation ist, dass im betrachteten Betriebsbereich die Isolation ebenfalls mit einer Minderung der Auslenkungen einhergeht, während bei der Minderung häufig höhere Lagerkräfte außerhalb der Resonanzen auftreten. Der im Antrag vermutete Minderungs-Isolations-Kompromiss, wie er am Ein-Massenschwinger bei überkritischem Betrieb ab dem √2-fachen der Eigenfrequenz auftritt, scheint somit bei dem betrachteten Rotorsystem nicht grundsätzlich von Bedeutung. Vielmehr tritt dieser Kompromiss zwischen der Reduktion von Auslenkungen und Lagerkräften randbedingungsabhängig auf. Im Speziellen sind die Wahl der Sensoren und die daraus resultierenden Beobachtbarkeit des globalen Schwingungsverhaltens entscheidend. Diesbezüglich sind Kraftsensoren zur Beschreibung des globalen Schwingungszustandes besser geeignet als Wegsensoren. Aufbauend auf der sehr guten Performance von adaptiven Störgrößenaufschaltungen, welche das Drehzahlsignal zur Adaption nutzen, und der hoher Robustheit von Regelungen, im Speziellen der Frequenzbereichsregelungen, gegenüber Modellunsicherheiten sollte robuste adaptive Regelungen untersucht werden. Diese ermöglichen zusätzlich das Regelziel an den aktuellen Betriebspunkt anzupassen und so mit einem für die reale Anwendung vorteilhaften, robusten Regler eine ähnliche Regelgüte zu erreichen, wie mit einer adaptiven Störgrößenaufschaltung, deren Regelgüte und Stabilität stark von der Modellgenauigkeit bestimmt ist. Weiterhin scheint die Erweiterung des betrachteten Betriebsbereiches der untersuchten Rotorsysteme sinnvoll, um die vermutete Verstimmung des gefesselten Rotors durch die gewählte Regelung zu einem System, welches das dynamische Verhalten des freien Rotors mit entsprechenden neuen Resonanzfrequenzen aufweist, weiter zu untersuchen. Nach Ansicht des Autors besteht an dieser Stelle weiterer Forschungsbedarf, der in weiteren Projekten abgedeckt werden sollte.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • „PDT 1-Regelung zur Minderung von Rotorschwingungen mittels piezoelektrischer Aktoren unter Verwendung eines genetischen Optimierungsalgorithmus“, in VDI-Berichte 2197: 8. VDI-Fachtagung - Schwingungen in Antrieben 2013, Fulda, Germany, 2013, S. 77–91
    F. B. Becker, R. S. Schittenhelm, und S. Rinderknecht
  • „Active Vibration Isolation of a Flexible Rotor Being Subject to Unbalance Excitation and Gyroscopic Effect Using H∞-Optimal Control“, in Proceedings of the 9th IFToMM International Conference on Rotor Dynamics, Milan, 2014, S. 1727–1739
    F. B. Becker, S. Heindel, und S. Rinderknecht
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1007/978-3-319-06590-8_142)
  • „Controllers for Attenuation of Lateral Rotor Vibration Part I: Controller Design“, in Proceedings of the 9th IFToMM International Conference on Rotor Dynamics, Milan, 2014, S. 1753–1762
    R. S. Schittenhelm und S. Rinderknecht
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1007/978-3-319-06590-8_144)
  • „Controllers for Attenuation of Lateral Rotor Vibration Part II: Controller Optimization and Comparison“, in Proceedings of the 9th IFToMM International Conference on Rotor Dynamics, Milan, 2014, S. 1763–1773
    R. S. Schittenhelm und S. Rinderknecht
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1007/978-3-319-06590-8_145)
 
 

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