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Subjektive Patientenkonzepte zur Inanspruchnahme hausärztlicher Versorgung: eine qualitative Vergleichsstudie zwischen Deutschland und Norwegen

Fachliche Zuordnung Public Health, Gesundheitsbezogene Versorgungsforschung, Sozial- und Arbeitsmedizin
Förderung Förderung von 2012 bis 2015
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 211510595
 
Erstellungsjahr 2015

Zusammenfassung der Projektergebnisse

In dem Forschungsprojekt „Subjektive Patientenkonzepte zur Inanspruchnahme hausärztlicher Versorgung - eine qualitative Vergleichsstudie zwischen Deutschland und Norwegen" untersuchten wir Faktoren, die zur Erklärung der im Vergleich zu anderen Ländern erhöhten Inanspruchnahme in Deutschland beitragen können. Dazu führten wir mit 40 Patientinnen und Patienten in Deutschland und Norwegen episodische Interviews und beobachteten in acht Hausarztpraxen insgesamt 400 Konsultationen. Die Auswertung erfolgte mittels thematischen Kodierens orientiert am Ansatz der Grounded Theory. Wir konnten verschiedene Faktoren als Erklärungsansätze für die erhöhte Inanspruchnahme in Deutschland finden. Ein Kernergebnis unseres Projektes ist ein neues Modell für Inanspruchnahme: Inanspruchnahmesequenzen. Konsultationen werden dabei nicht mehr als einzelne Ereignisse betrachtet, sondern als Knotenpunkte, die über Informationsflüsse zwischen Versorgern miteinander verbunden sind. Dieses Modell wird zukünftig weitergehende Analysen von Inanspruchnahme und die Operationalisierungen von Inanspruchnahmesequenzen ermöglichen. Darüber hinaus zeigt das Modell anhand der qualitativen Ergebnissen auf, dass die Versorgungsverläufe chronisch kranker Patientinnen und Patienten sich zwischen Deutschland und Norwegen unterscheiden und diese unterschiedlichen Versorgungsverläufe die Unterschiede in der Inanspruchnahme teilweise erklären können. Ein Faktor für erhöhte Inanspruchnahme durch vergleichsweise gesunden Patientinnen und Patienten sind die Arbeitsunfähigkeitsregelungen in Deutschland. Krankschreibungen sind ein häufiges Beratungsergebnis in Deutschland und häufig sind selbstlimitierende kleinere Erkrankungen, wie z.B. Erkältungskrankheiten, die Ursache für die Arbeitsunfähigkeit. In Norwegen gibt es wissenschaftlich fundiert positive Erfahrungen mit ausgedehnteren Möglichkeiten sich selbst krankzumelden. Solche Regelungen sollten in Pilotprojekten auch in Deutschland erprobt und evaluiert werden. Hinsichtlich der Einstellungen zu Zuzahlungen als Steuerungsinstrument konnten wir drei Dimensionen konstruieren: die erlebte Steuerungswirkung von Zuzahlungen, die Verständlichkeit von Zuzahlungen und die Beurteilung von Zuzahlungen. In allen drei Dimensionen unterschieden sich dabei die Einstellungen der Studienteilnehmer zwischen Deutschland und Norwegen. Die Ergebnisse deuten daraufhin, dass die Regelungen in Deutschland für Patienten zu komplex und nicht verständlich genug vermittelt sind. Über diese Aspekte hinaus fanden wir Unterschiede in der Kompetenzzuschreibung zu Hausärzten, der von medizinischen Laien benutzten Sprache zur Beschreibung ihrer Probleme und der Ursachenzuschreibung zur Erklärung der unterschiedlichen Inanspruchnahme in Deutschland und Norwegen. Insgesamt zeigen unsere Ergebnisse auf, dass es vielfältige Faktoren gibt, welche die unterschiedliche Inanspruchnahme erklären können. Dabei gehen gesellschaftliche und strukturelle Faktoren miteinander einher.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • Differences in patients' language use describing their medical problems - Preliminary results from a comparative qualitative study on patients' concepts about primary health care utilization. Nordic GP 2013, Tampere, 22.08.2013
    Herrmann WJ, Haarmann A, Flick U, Herrmann M, Bærheim A
  • Patients' subjective concepts about primary healthcare utilisation: the study protocol of a qualitative comparative study between Norway and Germany. BMJ Open, 3 (6), 2013
    Herrmann, W, Haarmann A, Flick U, Bærheim A, Lichte T, Herrmann M
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1136/bmjopen-2013-002952)
  • Kompetenzen bei Allgemeinärzten aus Sicht von Patienten: Mediziner mit Ganzheitsblick oder Überweisungsinstanz? Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin. 48. Kongress fur Allgemeinmedizin und Familienmedizin. Hamburg, 18.-20.09.2014. Düsseldorf: GMS Publishing House; 2014. Doc14degam004
    Haarmann A, Herrmann WJ, Bærheim A, Flick U, Lichte T, Herrmann M
    (Siehe online unter https://dx.doi.org/10.3205/14degam004)
  • Arbeitsunfähigkeitsregelungen als Faktor für Inanspruchnahme ärztlicher Versorgung in Deutschland. Zeitschrift für Evidenz, Fortbildung und Qualität im Gesundheitswesen, 109: 552-559, 2015
    Herrmann W, Haarmann A, Bærheim A
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1016/j.zefq.2015.10.004)
  • Einstellungen von Patientinnen und Patienten zu Zuzahlungen als Steuerungsinstrument. 14. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung 2015, Berlin
    Herrmann W, Haarmann A, Bærheim A
  • Towards a sequential model of health care utilization. Nordic Congress of General Practice 2015, Gothenburg
    Herrmann W, Flick U, Bærheim A, Haarmann A
 
 

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