Architektur als politisches Symbol und Instrument US-amerikanischer Kulturpropaganda im West-Berlin der 1950er Jahre
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Ergebnis des Projekts ist die erste, nicht von Zeitgenossen verfasste, historisch-wissenschaftliche Abhandlung über die Amerika-Gedenkbibliothek (geplant ab 1950, eröffnet 1954), unter besonderer Berücksichtigung ihrer Rolle als Produkt und Konstrukt US-amerikanischer Kulturpolitik im West-Berlin der 1950er Jahre. Exemplarisch wurde damit die bislang wenig erforschte Frage untersucht, inwieweit die amerikanische Besatzungsmacht Repräsentativbauten initiierte und instrumentalisierte, um territoriale Ansprüche an neuralgischen Punkten im Stadtraum der Vier- Sektoren-Stadt zu reklamieren und westliche Werte mittels Architektur und Stadtplanung im Kalten Krieg zu propagieren. Eine tiefgehende Analyse bislang unbekannter Archivbestände in den USA brachte weitreichende Erkenntnisse über die amerikanischen Akteure, Art und Ausmaß ihrer nicht unbeträchtlichen Einflussnahme auf die Konzeption und Bauplanung der Gedenkbibliothek sowie auf deren öffentlichkeitswirksam inszenierte, politische Botschaft. Zudem wurde erstmals eine differenzierte, vergleichende Betrachtung zeitgenössischer amerikanischer Bücherei-Architektur angestellt und damit ein Kontext erschlossen, der für das Verständnis des damals in Deutschland neuen Typs einer „Public Library“ essentiell ist. Dies erlaubte es, mögliche bauliche Vorbilder in den USA zu lokalisieren und die spezifisch amerikanischen Planungs- und Gestaltungsmerkmale der Gedenkbibliothek zu identifizieren. Dabei galt es, die Entwurfsentwicklung und die ursprüngliche Gestalt des Gebäudes – vor allem die des heute völlig veränderten Lesesaals – unter Hinzuziehung neuer Quellen und Pläne zu rekonstruieren und die Chronologie späterer Veränderungen nachzuzeichnen. Die Untersuchung des Standorts und des stadträumlichen Vorfeldes entlang der Friedrichstraße als Sichtachse ging der Frage nach der Außenwirkung des Gebäudes in Richtung Ostsektor nach. Dabei konnte vor allem das dazwischen geplante, amerikanisch geförderte Mehringplatz-Projekt von Walter Gropius in seiner politischen Programmatik erstmals erkannt und erforscht werden. Dass die Sektorengrenze in den 1950er Jahren noch durchlässig und die gesamte Berliner Bevölkerung ideologisch umkämpft war, ist eine wichtiger – retrospektiv häufig vernachlässigter – Umstand, der die symbolpolitische Bedeutung und erhoffte psychologische Wirkmacht von Repräsentativbauten wie der Gedenkbibliothek potenzierte. Entsprechend wurden die Grundsteinlegung und Einweihung öffentlichkeitswirksam und als politische Großereignisse inszeniert. Obschon das Gebäude nach seiner Fertigstellung keine städtebaulich relevante optische Reichweite erzielte, bereichert dieser Ansatz die Erforschung der Architekturgeschichte West-Berlins in der Nachkriegszeit auch methodisch um eine wichtige Facette.
