"ZeitenWelten." Zur Verschränkung von Weltdeutung und Zeitwahrnehmung im frühen und hohen Mittelalter
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Das Projekt ZeitenWelten wurde konzipiert, um folgende Fragen zu beantworten: Wie wurden Zeit und Zeitlichkeit im frühen und hohen Mittelalter konzipiert, wie das Verhältnis von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zueinander gefasst? Kann man nur von einer Zukunft sprechen oder muss man sie im Plural denken? Wer hat überhaupt die Hoheit über das Zeitdenken? Wie lässt sich Zeithandeln fassen verstehen und darstellen? Seit 2012 wurden unter diesen gemeinsamen, übergreifenden Fragestellungen elf Teilprojekte unabhängig voneinander, jedoch im sehr engen Gespräch miteinander und mit verschiedenen Kooperationspartnern vorangetrieben. Das Ergebnis ist ein im Herbst 2016 erschienener Band, der ein Licht darauf wirft, dass - entgegen dem bisher dominanten Konzept der ,historischen Zeit‘ und dem linearen Zeitdenken - ,Zeit' in der Vormoderne nicht einfach als Kontinuum gedacht und verhandelt wurde und daher nicht auf eine Sequenz von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft reduziert werden kann. Die Beiträge zum Projekt verfolgten daher keine theoretische Engführung auf einen Begriff oder die Aufdeckung des ,Wesens‘ der Zeit, noch vereindeutigen sie die Polysemie von Zeit. Sie lassen vielmehr die in Diskursen und Praktiken zu Tage tretenden mittelalterlichen Zeitwahrnehmung und Zeitvorstellungen sichtbar werden, indem sie die Konstitutionsbedingungen von Zeit freilegen. Das Projekt hat dabei zwei Schwerpunkte verfolgt: Zum einen setzt es sich mit abstrakten Zeitkonzepten auseinander, zum anderen befasst es sich mit der - politischen und religiös-praktischen - Inszenierung von Zeit. Es zeigte sich, dass die mittelalterliche Konstruktion von Zeit mitunter von einer Überblendung der Zeitdimensionen geprägt war - auch zurückgebunden an eschatologische Vorstellungen - , der eine Relationierung der Zeitformen eingeschrieben war, die offene, fluide und wandelbare Weltdeutung zuließen. Die komplexen, multiplen Zeitformationen, die im Rahmen des Projekts ZeitenWelten herausgearbeitet wurden, verbinden lineare, zyklische und nicht konsekutive Zeitvorstellungen mit den Zeitdimensionen ,Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft' in einer von Gleichzeitigkeit und Präsenz geprägten Konstellation: Als verschachtelte Zeitschichten, die sich an- und überlagern, aufbrechen und gegeneinander verschieben. Zeitkonzepte des frühen und hohen Mittelalters lassen sich also am besten mit tektonischen Metapher umschreiben: Die Einzelprojekte haben die jeweils spezifischen Sedimente, Verwerfungen, Verkrustungen, Aus- und Aufbrüche mittelalterlicher Zeitkonzeptionen und Zeitinszenierungen freigelegt und haben die in ihnen enthaltenen einzelne Zeitdimensionen Vergangenheit, Gegenwart und Zunkunft beschrieben oder als gleichzeitig präsent konzipierte Zeitschichten herauspräpariert.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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Tagungsbericht: 2. Arbeitstreffen des Netzwerks „ZeitenWelten. Zur Verschränkung von Weltdeutung und Zeitwahmehmung im frühen und hohen Mittelalter“, 07.12.2012 - 08.12.2012 Berlin, in: H-Soz-Kult, 07.06.2013
Butz, Eva; Czock, Miriam
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Tagungsbericht: Visualität und Zeit, 13.06.2014 - 14.06.2014 Basel, in: H-Soz-Kult, 22.10.2015
Rathmann-Lutz, Anja
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Monastische Zeit - Höfische Zeit. Zeitregimes zwischen St.-Denis und kapetingischem Hof im 12. Jahrhundert, in: Czock, Miriam; Rathmann-Lutz, Anja (Hg,): ZeitenWelten. Köln 2016, S. 235-255
Anja Rathmann-Lutz
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Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Konstruktionen von Zeit zwischen Heilsgeschichte und Offenbarung; Liturgieexegese um 800 bei Hrabanus Maurus, Amalarius von Metz und Walahfrid Strabo, in: Czock, Miriam; Rathmann-Lutz, Anja (Hg.): ZeitenWelten, Köln 2016, S. 113-134
Miriam Czock
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ZeitenWelten. Zur Verschränkung von Weltdeutung und Zeitwahrnehmung, 750-1350, Köln 2016
Czock, Miriam; Rathmann-Lutz, Anja (Hg.)
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On Time and Space in a 12th Century Augustinian Priory (Marbach, Alsace), Critical Imprints V (2017), S. 1-22
Anja Rathmann-Lutz
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(2018): Creating futures through the lens of revelation in the rhetoric of carolingian reform ca. 750 to ca. 900. In: Matthew Gabriele und James T. Palmer (Hg.): Apocalypse and Reform From Late Antiquity to The Middle Ages. Abingdon, Oxon, New York, NY :
Miriam Czock
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Arguing for Improvement: the Last Judgment, Time and the Future in Dhuoda’s Liber Manualis, in: Cultures of Eschatology, Vol 2: Time, Death and Afterlife in Medieval Christian, Islamic and Buddhist Communities, edited by Veronika Wieser, Vincent Eltsching
Miriam Czock