Psychiatrische Behandlung und Delinquenzentwicklung gemäß §63 StBG untergebrachter schizophrener Patienten vor Begehung des Unterbringungsdeliktes. Themenrelevante Schlüsselbegriffe: Maßregelvollzug, Schizophrenie, Behandlung, Prävention, Kriminalprävention
Zusammenfassung der Projektergebnisse
In Nordrhein-Westfalen ist die Zahl männlicher schizophrener Patienten, die wegen Gewaltdelikten forensisch gem. § 63 StGB untergebracht werden, stetig gestiegen. Da etwa zwei Drittel dieser Patienten mindestens eine stationäre Vorbehandlung in der Allgemeinpsychiatrie aufweisen, wird die forensische Unterbringung unter anderem als Folge einer unzureichenden Vorbehandlung in der Allgemeinpsychiatrie bei einer besonders komplex gestörten Patientengruppe mit einer Reihe von Risikomerkmalen gesehen. Die Studie zielte darauf ab, allgemeinpsychiatrische und forensische schizophrene Patienten hinsichtlich ihrer Behandlungsgeschichte und bestimmter Risikomerkmale zu vergleichen. Es wurden jeweils 72 männliche schizophrene Patienten der forensischen Psychiatrie und der Allgemeinpsychiatrie anhand eines standardisierten Interviews zu ihrer psychiatrischen Vorbehandlung und ihrer Delinquenzvorgeschichte befragt. Die Behandlungsvorgeschichte wurde darüber hinaus anhand von Behandlungsunterlagen stationärer Voraufenthalte und Angaben ambulanter Vorbehandler rekonstruiert. Die selbstberichtete Vorstrafenbelastung wurde mit Bundeszentralregister-Auszügen verglichen. Die Ergebnisse der Untersuchung zeigen, dass die forensischen Patienten im Vorfeld ihres Unterbringungsdeliktes eine geringere Einbindung in das psychiatrische Versorgungsnetzwerk, eine geringere medikamentöse Compliance, mehr Zwangsbehandlungen wegen Fremdaggressivität, mehr Behandlungsschwierigkeiten und mehr gewalttätige Verhaltensweisen während stationärer Vorbehandlungen aufwiesen als die allgemeinpsychiatrischen Patienten. Die forensischen Patienten wiesen mehr Vorstrafen auf und waren häufiger wegen eines Gewaltdeliktes vorbestraft. Die beiden Gruppen waren jedoch hinsichtlich weiterer wesentlicher Risikomerkmale (komorbide Sucht, Alter, Bildung, Störungen des Sozialverhaltens, antisoziale Persönlichkeitsstörung, Gewalt- und Missbrauchserfahrungen) vergleichbar. Für schizophrene Patienten mit einer komorbiden Suchtdiagnose, die wegen eines Gewaltdelikts vorbestraft sind, sollte vor der Entlassung aus der allgemeinpsychiatrischen Behandlung eine Anbindung an das ambulante Versorgungsnetzwerk vorbereitet werden. Bei diesen Patienten sollte eine besonders intensive ambulante Nachbetreuung erfolgen.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
- (2009) Schizophrene Patienten im psychiatrischen Maßregelvollzug (§ 63 StGB) Nordrhein-Westfalens. Fortschr Neurol Psychiat 77, 91-96
Kutscher, S.U., Schiffer, B., Seifert, D.
- (2010) Straffälligkeit schizophrener Patienten – Überraschende Anlasstat aus dem Nichts? In: Saimeh, N. (Ed.): Kriminalität als biografisches Scheitern. Tagungsband Eickelborn; S. 85-95. Bonn: Psychiatrie-Verlag
Piontek, K., Kutscher, S. U.
- (2012) Schizophrene Patienten der forensischen Psychiatrie im Vergleich zu schizophrenen Patienten der Allgemeinpsychiatrie. Dissertation, Universität Duisburg-Essen
Kruse, K. (geb. Piontek)
- (2013) Prädeliktische Behandlungswege schizophrener Patienten der forensischen Psychiatrie – ein Vergleich mit schizophrenen Patienten der Allgemeinpsychiatrie. Nervenarzt 84, 55-64
Piontek, K., Kutscher, S. U., König, A., Leygraf, N.
- (2013) Schizophrene Patienten der forensischen Psychiatrie im Vergleich zu schizophrenen Patienten der Allgemeinpsychiatrie. Forens Psychiatr Psychol Kriminol
Kruse, K. (geb. Piontek), Kutscher, S. U., Leygraf, N.
(Siehe online unter https://doi.org/10.1007/s11757-013-0211-x)