Die Beherrschung der Aktiengesellschaft. Politische Ökonomie, Gesetze, Statuten und die wirtschaftlichen Effekte von Corporate Governance in Deutschland, ca. 1860-1940
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Im Verlauf des Projekts haben wir einerseits die Entstehung von Aktienrechtsreformen im politischen Prozess und andererseits die Umsetzung von Rechtsnormen auf Unternehmensebene untersucht. Insbesondere wurde der Wandel der gesetzlichen Regeln der Unternehmenskontrolle als Ergebnis von Verhandlungen zwischen mit Vetomacht ausgestatteten Eliten interpretiert. Die Eliten handelten in einem gegeben politischen Rahmen (Kaiserreich, Weimarer Republik, "Drittes Reich"), waren durch Umwelteinflüsse (z.B. Gründerkrach, Hyperinflation, Weltwirtschaftskrise) beeinflusst und dem Wirken von Advokatenkoalitionen (z.B. Lobbyisten, Wissenschaftler) ausgesetzt. Empirisch konnte gezeigt werden, dass de jure und de facto Vetomacht auseinanderfielen, dass neben dem wirtschaftlichen Eigeninteresse auch rechtsmoralische Überzeugungen von Advokatenkoalitionen eine Rolle spielte und dass Reformen tendenziell die Aktionärsrechte ausweiteten. Zudem konnten wir die These, dass im Kaiserreich moderne, demokratische Kräfte wirkten, belegen und wir konnte zeigen, dass sich die politische Macht und die Aktionen der Advokatenkoalitionen zunehmend Richtung Reichstag und Reichsverwaltung verschoben. Demgegenüber verloren Bundesstaaten und Bundesrat an Einfluss, d.h. das föderale Element wurde zurückgedrängt. Auf der Mikroebene wurde für vier Unternehmen (Deutsche Bank, Berliner Handelsgesellschaft, Siemens, AEG) geprüft, wann und inwieweit gesetzliche Vorgaben in den Unternehmensstatuten umgesetzt worden sind und ob Gestaltungsspielräume genutzt worden sind. Des Weiteren haben wir nicht nur die leitenden Akteure (Vorstand, Aufsichtsrat), sondern auch die aktiven Aktionäre identifiziert und untersucht, welche Konflikte bei hochrelevanten unternehmerischen Entscheidungen aufgetreten sind. Dabei nahmen wir Kapitalerhöhungen in den Blick. Wir haben untersucht, ob Aktionärsrechte beachtet worden sind und, ob Aktionäre Einwände gegen Vorschläge der Unternehmensleitung erhoben haben. Es lässt sich feststellen, dass Aktionärsrechte beeinträchtigt worden sind, beispielsweise durch Ausschluss von Bezugsrechten oder ungünstigen Bezugskursen, dies aber in nahezu allen Fällen von den aktiven Aktionären akzeptiert worden ist. Insgesamt zeigt sich somit, dass die Corporate Governance Beziehungen harmonisch waren.