Sozialisationstheoretische Untersuchung zur sozialisatorischen Wirkung von Krankheitserfahrungen bei chronisch schwer kranken Kindern und ihren Eltern
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Wollen Sozial- bzw. Gesundheitswissenschaftler Phänomene wie schwerste Krankheitserfahrungen oder existentielle Therapieentscheidungen erforschen, dann sind neue Wege zu gehen, da die Erforschung existentieller Erfahrungen anderer Menschen bisher nicht thematisch in der Aufmerksamkeit der Sozial- und Gesundheitsforschung stand. Mit dem Fokus auf neueren Krankheitsphänomenen sind zum einen die Erfahrungsbildung der (Mit-)Betroffenen und zum anderen die Vollzugspraktiken unter den Bedingungen des persistierenden Krankheitsphänomens interessant. Für die Analyse der Erfahrungsbildung, die diachron erhoben wird, eignet sich ein ereignistheoretischer Ansatz, der das Brüchigwerden der Deutungsrahmen und Erwartungshorizonte, die empfundene Unsicherheit und Ungewissheit und weitere Aspekte angemessen theoretisieren kann. Für die Erforschung der Vollzugspraktiken bietet sich als synchrone Erhebung eine teilnehmende Beobachtung klinischer bzw. therapeutischer Situationen an, die situationstheoretisch reflektiert wird. Untersucht wurden schwer kranke Kleinkindern im Vollzug ambulanter Therapien und - in Form von qualitativen Einzelfallstudien über einen längeren Zeitraum - einzelne Familien mit Kleinkindern, die mit einer Fehlbildung geboren wurden. Für die Theoretisierung des Phänomens Krankheitserleben und -erfahren selbst ist zu unterscheiden, dass im strengen Sinne nur das Kind als betroffen bezeichnen kann, nur es allein verfügt über Krankheitserfahrungen erster Ordnung. Dies gründet vor allem darin, weil Kranksein immer leibkörperlich erfahren wird und emotionale Reaktionen wie (Todes-)Angst, Schmerz, das Spüren und Interpretieren weiterer Symptome sowie Leidensempfindungen immer subjektiven Ursprungs sind und in Einzigartigkeit erfahren werden. Die Eltern dagegen sind mitbetroffen, sie verfügen - bei enger Bindung an das Kind, aufgrund von Identifikation und Übertragungsphänomenen - über Krankheitserfahrungen zweiter Ordnung. In der Theoriebildung zur Spezifik von Krankheitserfahrungen ist es zentral, diese beiden Ordnungsebenen zu unterschieden und die Spezifik der beiden verschiedenen Arten des Betroffenseins genau zu beschreiben.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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(2013): Normalisierungsstrategien zu dicken und frühgeborenen Kindern in medizinisch-gesundheitspolitischen Diskursen, in: Kelle, H./Mierendorff, J. (Hg.): Normierung und Normalisierung der Kindheit, Weinheim München: Juventa, S. 120-141
Peter, C.
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(2013): Normierung und Normalisierung von Kindheit. Überlegungen zur Late Talker-Problematik, in: Ringmann, S./Siegmüller, J. (Hg.): Ethische Aspekte in der Forschung mit Kindern. Perspektiven der Gesundheitsfachberufe, Frankfurt: Peter Lang, S. 159-179
Peter, C./Pomnitz, P.
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(2013): Ungewissheiten in der >Ankunft< eines frühgeborenen Kindes. Wahrnehmungen der Beteiligten, in: Peter, C./Funcke, D. (Hg.): Wissen an der Grenze. Zum Umgang mit Ungewissheit und Unsicherheit in der modernen Medizin, Frankfurt: Campus, S. 459-507
Peter, C.
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(2013): Wissen an der Grenze. Zum Umgang mit Ungewissheit und Unsicherheit in der modernen Medizin, Frankfurt: Campus
Peter, C./ Funcke, D. (Hg.)
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(2014): Historische Erziehungskonzepte der Pädiatrie. Wie sich die Pädiatrie seit ihrem Entstehen Gedanken über Erziehung von Kindern macht, in: Flitner, E. et al. (Hg.): Chronisch kranke Kinder in der Schule, Stuttgart: Kohlhammer, S. 82-108
Peter, C.
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(2014): Zur Existentialität von Krankheitserfahrungen. Wie eine schwere andauernde Erkrankung des Kindes zur Grenzerfahrung für die Eltern werden kann, in: Flitner, E. et al. (Hg.): Chronisch kranke Kinder in der Schule, Stuttgart: Kohlhammer, S. 26-52
Peter, C./Scheid, C.
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(2016): Forschungssituationen als forschend-erspürende Situationen? Zu situativen Möglichkeiten, als Forscherin sensible Daten zu erhalten, in: Hitzler, Ronald/Kreher, Simone/Poferl, Angelika/Schröer, Norbert (Hg.): Old School - New School? Zur Frage der Optimierung ethnographischer Datengenerierung. Essen: oldib 2015, S.193-211
Peter, C.
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(2016): Medikalisierung sozialer Prozesse, in: Hurrelmann, K./Richter, M. (Hg.): Soziologie der Gesundheit und Krankheit, Wiesbaden: Springer Verlag, S. 273-285
Peter, C./Neubert, C.
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Ethnografie im Modus der Zeugenschaft, in: Hitzler, R./Klemm, M./Kreher, S./ Poferl, A./ Schröer, N. (Hg.): Herumschnüffeln - aufspüren - einfühlen. Ethnographie als 'hemdsärmelige' und reflexive Praxis, Essen: oldib, S. 251-264, ISBN 978-3-939556-66-4.
Peter, C.
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Ethnografische Beschreibungen als Praxis des Bezeugens. Zu ethnografischen Möglichkeiten, außeralltägliche oder außerordentliche Phänomene zu erforschen. In: Pfadenhauer, M./Poferl., A. (Hg.): Wissensrelationen. Kongressband; Weinheim: Beltz Juventa Verlag, 2018, S. 308-318, ISBN 978-3-7799-3861-3.
Peter, C.
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Gesundheit und Krankheit bei Kindern und Jugendlichen. In: Lange, Andreas u.a. (Hg.): Handbuch der Kindheits- und Jugendsoziologie, Wiesbaden: Springer Verlag,2018, pp. 569-592.
Ohlbrecht, H./Peter, C.
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Kindheit unter Krankheitsbedingungen. Zu besonderen sozialisatorischen Bedingungen bei Kindern, die während ihres Aufwachsens schwere Krankheitserfahrungen machen, in: Lange, Andreas u.a. (Hg.): Handbuch der Kindheitsund Jugendsoziologie, Wiesbaden: Springer Verlag, 2018, pp. pp 1-16.
Peter, C.
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Die Katastrophe als Ereignis und als Narrativ, in: Heinlein, M./ Dimbath, O. (Hg.): Soziale Gedächtnisse der Katastrophe. Zur Theorie und Empirie des Katastrophenerinnerns und -vergessens, Reihe „Gedächtnis, Erinnern und Vergessen – Social Memory Studies“, Wiesbaden: Springer VS, 2020, S. 217-247.
Strotmann, M., Peter, C.
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Familie und komplexe Schwangerschaften: Totgeborene und Kinder mit Fehlbildung, in: Ecarius, J./Schierbaum, A. (Hg.): Handbuch Familie, Wiesbaden: VS Springer Verlag, 2020, pp. 1-21.
Peter, C., Feith, D.
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Grenzsituationen. Qualitative Forschung zu existentiellen Krankheitserfahrungen und Therapieentscheidungen. In: Netzwerk Qualitative Gesundheitsforschung (Hg.): Perspektiven qualitativer Gesundheitsforschung, Weinheim: Beltz Juventa Verlag, S. 216-269, ISBN 978-3-7799-3687-9.
Feith, D., Peter, C., Rehbock, T., Tiesmeyer, K.
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Perspektiven qualitativer Gesundheitsforschung, Beltz, Juventa Verlag: Weinheim, 2020, 284 Seiten, ISBN 978-3-7799-3687-9.
Netzwerk Qualitative Gesundheitsforschung (Hg.)