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Der Flaneur in der britischen und amerikanischen Literatur des 19. und des frühen 20. Jahrhunderts

Fachliche Zuordnung Europäische und Amerikanische Literatur- und Kulturwissenschaften
Förderung Förderung von 2012 bis 2016
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 213744430
 
Erstellungsjahr 2019

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Das Projekt wurde am Institut für Anglistik und Amerikanistik der Friedrich-Schiller-Universität Jena durchgeführt. Ziel war es, den Flaneur als eine für die Stadtkultur charakteristische Figur in der britischen und amerikanischen Literatur vom späten 18. bis zum frühen 20. Jahrhundert zu untersuchen. Es zeigte sich, dass dieses nur unter ständigem Bezug auf das Phänomen des Flaneurs in der französischen Literatur möglich war. Ohne dieses Vorgehen hätten die Traditionen und die eigenen Leistungen der britischen und amerikanischen Flaneur-Literatur nicht herausgearbeitet werden können. Die Beschäftigung mit der französischen Flaneur-Literatur, die zu einer eigenständigen Buchpublikation der Projektmitarbeiterin Dr. Isabel Vila Cabanes („Re-Imagining the Streets of Paris“, 2016) geführt hat, behandelt frühe Texte wie „Le Flaneur au salon ou Mr. Bon-Homme“ (1806), die Walter Benjamin in seinen nach wie sehr wichtigen Untersuchungen nicht berücksichtigte, weshalb ihm einige Fehlbeurteilungen unterliefen. Außerdem entdeckte Frau Dr. Vila einen Flaneur-Text von 1818, in dem sich Text, Lied und Illustrationen verbinden, der zeigt, dass die multimediale Form von Anfang an in der Flaneur-Literatur vorhanden ist. Das ist neben der Neubeurteilung Benjamins eine der überraschenden Erkenntnisse, die dieser Teil des Projekts zu Tage gefördert hat. Der Projektteil zum englischen Flaneur, dem sich ebenfalls Frau Dr. Vila gewidmet hat und der auch schon in Buchform publiziert ist („The Flaneur in Nineteenth-Century British Literary Culture“, Cambridge Scholars, 2018), ist in der Auswahl des Materials und in der der Herangehensweise in höchstem Maße innovativ. Es wurde ein bisher noch nicht gewürdigter wichtiger Teil der englischen Literatur in den Blick genommen. Französische Einflüsse wurden untersucht und britische Neuerungen herausgestellt, etwa im Gattungsspektrum (wie in der Lyrik und im Detektivroman). Auch der Journalismus und die Essayistik sowie die bildende Kunst wurden einbezogen. Das Phänomen des Flaneurs, der sich im ländlichen Raum bewegt, wurde ebenfalls erörtert. Unter Heranziehung noch weitgehend unbekannter Dokumente und Berücksichtigung sozialgeschichtlicher und ökonomischer Perspektiven wurde auch die Frage nach dem weiblichen Flaneur untersucht, wobei es zu absolut neuen Erkenntnissen kam. In hohem Maße überraschend ist insgesamt der Nachweis, dass die englische Flaneur-Literatur seit der Mitte des 19. Jahrhunderts produktiver und innovativer ist als die französische. Im zweiten, kurz vor dem Abschluss stehenden Teilprojekt, widmete sich Dr. Oliver Bock mit dem amerikanischen Flaneur des 19. und des frühen 20. Jahrhunderts einem bislang unerforschten Phänomen, einem Phänomen, von dem man bisher kaum wusste, dass es überhaupt existiert. Hier war unter diesem Aspekt noch nicht betrachtetes Material vor allem journalistischer Art heranzuziehen. Z. B. wurden die Zeitschrift „The New Yorker und guide books“ und „sketches“ einer intensiven, zeitraubenden Durchsicht unterzogen. Überraschend war die Erkenntnis, dass der Flaneur auch in literarischen Text stark vertreten ist, etwa in der Lyrik von Nathaniel Parker Willis, dem ersten wirklichen amerikanischen Flaneur (in den 1830er-50er Jahren), Frank O’Hara und Walt Whitman und bei dem Romancier Henry James. Die schwierige Materiallage und die großen theoretischen und definitorischen Probleme, die sich in der Auseinandersetzung mit dem amerikanischen Flaneur stellen, wurden glänzend bewältigt. Nach Ablauf, aber noch mit Mitteln des Projektes, organisierte Herr Dr. Bock zusammen mit Frau Dr. Vila eine internationale Konferenz, „Urban Walking: The Flaneur as an Icon of Metropolitan Culture in Literature and Other Media“, Jena, 9.-10.3.2018. Ausgewählte Beiträge zu dieser Tagung werden im Laufe dieses Jahres in einem in Amerika herausgegebenen Band veröffentlicht.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • „Dickens's Uncommercial Traveller as a Flaneur". In Dickens's Signs, Readers' Designs: New Bearings in Dickens Criticism. Ed. Francesca Ortesano, Norbert Lennartz. Rome: Aracne editrice, 2012, 227-252
    Vila Cabanes
  • "Zwei Dokumente der frühen Flaneur-Tradition. Edition und Kommentar". Literaturwissenschaftliches Jahrbuch 54 (2013), 169-204
    Vila Cabanes
  • The Flaneur and the Grotesque Figures of the Metropolis in the Works of Charles Baudelaire and Charles Dickens. In The Grotesque in the Fiction of Charles Dickens and Other Nineteenth-Century European Novelists. Ed. Isabelle Hervouet-Farrar and Max Vega-Ritter. Newcastle-upon-Tyne: Cambridge Scholar Publishing, 2014,108-120
    Vila Cabanes
  • The Flaneur in Nineteenth-Century British Literary Culture (Cambridge Scholars, 2018)
    Vila Cabanes
 
 

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