Darstellung der Sozial- und Individualpädagogik von Janusz Korczak vor dem Hintergrund der zeitgenössischen Kinder- und Kindheitsforschungen
Final Report Abstract
In diesem Forschungsprojekt sollten erstens die kindheitstheoretischen und methodischen Ansätze von Janusz Korczak, zweitens die Grundzüge seiner Pädagogik/Pädologie und drittens seine ethische Positionierung rekonstruiert werden. Dafür wurden vier Fragenkomplexe und darauf bezogene Arbeitsschwerpunkte festgelegt. (1) Um der Frage nach der Positionierung der Pädagogik Janusz Korczaks innerhalb der internationalen Kinder- und Kindheitsforschung rekonstruieren zu können, wurden seine kindheitstheoretischen Positionen nachgezeichnet. Sie sind auch für die Pädagogik entscheidend. Davon ausgehend wurde sein Beitrag zur Kindheitsforschung im historischen Kontext rekonstruiert und auch auf aktuelle kindheitstheoretische Diskussionen bezogen. (2) Mit Blick auf besondere pädagogische Institutionen und darauf bezogene Herausforderungen pädagogischer Professionalität wurden im zweiten Arbeitspaket Korczaks Arbeiten zu den Sommerkolonien analysiert und in dem zeithistorischen Kontext verortet. Es erfolgte ein systematischer Vergleich mit den Arbeiten Makarenkos und Schatzkis. (3) Hier erfolgte eine Rekonstruktion seiner Positionen zur Schule, die bislang kaum beachtet wurde in der Forschung. Für seinen systematischen Beitrag steht vor allem seine Programmschrift „Eine Schule für das Leben“ (SW 7). Zur Kontextualisierung wurde sie mit den Schriften zur Schulkritik von Leo Tolstoi und Ellen Key verglichen. (4) Der Zugang zu der Rekonstruktion von Korczaks Ethik verlief u.a. über seine Schriften zu den Rechten des Kindes und den Konzepten von Achtung und Verantwortung. Dieses Vorgehen resultierte aus der Hypothese, dass ein Grundzug in der systematischen Auseinandersetzung mit der ethisch begründeten Kritik an der machtvollen Differenzierung zwischen Erwachsenen als „fertigen“ Menschen und dem Kind, als dem „unfertigen Menschen“, das erst durch Erziehung zum Menschen gemacht werden müsse, liegt. Korczak als Kindheitsforscher: Korczaks systematischer Zugang erschließt sich über nicht gänzlich aufzulösende Spannungsverhältnisse, wie dem zwischen dem Recht auf Fürsorge und dem auf Selbstbestimmung, die er in seinen Schriften über das Kind heraus arbeitet: Erstens verhandelt er das spannungsreiche Verhältnis der Fähigkeit zur Autonomie und der Anerkennung von Abhängigkeit und Verletzlichkeit auf Seiten des Kindes, zweitens die Spannung zwischen den Bedürfnissen der Erwachsenen und denen der Kinder (auch als Frage der Verantwortungsethik) und drittens die zwischen den Phasen Kindheit und Jugend. Professionalisierung in besonderen pädagogischen Kontexten: Mit den vorliegenden Ergebnissen lässt sich Korczak auch als Professionstheoretiker fassen. Ihm ging es erstens um die Qualifikation der Erzieherinnen und Erzieher und hier arbeitete er in seiner eigenen Praxis mit systematischen Methoden etwa die der schriftlich fixierten Selbstbeobachtung, zu der er seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aufforderte. Zweitens aber lässt sich auch seine Arbeit an der institutionellen Rahmung der Pädagogik und die Organisation des pädagogischen Alltags als Beitrag zur Professionalisierung fassen. Hierzu hat das Projekt Erkenntnisse aufbereitet, die nach Erstellung des Abschlussberichts als open access Publikation zur Verfügung gestellt werden sollen. Reformpädagogische Professionalisierung und Schule: Die Kritik an der „alten Schule“ wurde durch die besonderen historischen, sozialen und nationaltypischen Einflüsse geformt. Diesen Einflüssen ist das Projekt nicht nur in Polen, sondern auch in Russland und Schweden nachgegangen, um die kulturkritische Auseinandersetzung mit den überkommenen Formen der (schulischen) Bildung einzuordnen und zu verstehen. Gemeinsame Kritikpunkte waren u.a. ihr Zwangscharakter, ihr Dogmatismus und die strikte Lehrstofforientierung. Ethik: Korczaks Überlegungen zur Ethik liegen quer zu allen Themen. Ethische Aspekte durchziehen sehr viele Schriften und an ganz unterschiedlichen Themen verhandelt er ethische Ansprüche. Insgesamt fordert Korczak mit seiner Ethik insbesondere die Pädagogik und eine erziehungswissenschaftlich informierte Kindheitsforschung heraus. Die Ergebnisse beziehen sich auf eine systematische Analyse der Bedeutung der Rechtsposition des Kindes und seiner Vulnerabilität.
Publications
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(2013): Janusz Korczak als Kinder- und Kindheitsforscher. In: Liebel, Manfred (Hrsg.): Janusz Korczak – Pionier der Kinderrechte. Berlin: Lit-Verlag, S. 193 – 202
Kirchner, Michael
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(2013): Janusz Korczak: Über die Bedeutung des pädagogischen Takts für die Balance von Nähe und Distanz im pädagogischen Verhältnis. In: Godel-Gaßner, Rosemarie / Krehl, Sabine (Hrsg°): Facettenreich im Fokus. Janusz Korczak und seine Pädagogik – Historische und aktuelle Perspektiven. Jena: edition paidon, S. 213 – 226
Kirchner, Michael
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(2013): Konstruktionen von Kindheit in Zeiten gesellschaftlichen Wandels. In: Christine Hunner-Kreisel, Anja Stephan (Hrsg.): Neue Räume, Neue Zeiten. Kindheit und Familie in Kontexten von (Trans-) Migration und sozialem Wandel. Wiesbaden: Springer VS
Andresen, Sabine
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(2013): Korczak’s idea of respect and recognition in the anthropoly of the child. The child as a person with equal value and rights. In: Smolińka-Theiss, Barbara (Hrsg.) Rok Janusza Korczaka 2012. Nie ma dziecki – są ludzie. Warszawa: Biuro Rzecznika Praw Ddziecka, S. 168 – 184
Kirchner, Michael
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(2014): Childhood Vulnerability: Systematic, Structural, and Individual Dimensions. Child Indicators Research 7(4), pp 699-713
Andresen, Sabine
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(2014): Reformpädagogik: Kritik und Immunisierung. In: K. Böllert & M. Wazlawik (Hrsg.): Sexualisierte Gewalt. Institutionelle und professionelle Herausforderungen (S.35-45). Wiesbaden: Springer
Andresen, Sabine