Entwicklung einer Methodik zur spezifischen Auswahl von Abwehrmaßnahmen unter Zuhilfenahme einer Produktpiraterie-Risikotypologie
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Die Globalisierung der Märkte führte in den letzten Jahren zu einer Verschärfung der Produktpiraterie-Risiken, denen Unternehmen nicht mehr alleine mit juristischen Maßnahmen begegnen können. Die in diesem Projekt entwickelte Methodik greift das Entscheidungsproblem der deutschen Industrie auf, welches durch hohe Dunkelziffern und eine fehlende Datenbasis zur Messung des Schadens durch Know-how Verlust dominiert wird. Es wurde somit eine Methodik entwickelt, die Unternehmen nicht nur, wie zuvor in der Literatur bekannt, Maßnahmen auflistet, sondern eine Entscheidungsunterstützung auf Basis bekannter Faktoren gibt. Drei Modelle bilden dabei den Kern der Methodik. Zunächst werden im Risikomodell getrennt Risiken im Wertschöpfungsprozess und produktbezogene Risiken erfasst und anschließend zu dem Gesamtrisiko eines Unternehmens aggregiert. Im Entscheidungsmodell werden dann auf Basis risikopolitischer Grundeinstellungen des Unternehmens die Produktpiraterie-Risiken monetär quantifiziert und entsprechende Risikohandhabungsstrategien empfohlen. Das abschließende Gestaltungsmodell stellt ein Modell zur Implementierung der Ergebnisse des Risiko- und Entscheidungsmodells im Unternehmen durch Mitarbeiter ohne wissenschaftlichen Bezug dar. Zunächst werden dabei die organisatorischen Voraussetzungen geschaffen. Anschließend wird beschrieben wie ein Risikoregelkreis aufgebaut wird und durch Einbindung der Ergebnisse aus dem Entscheidungsmodell eine Entscheidungsunterstützung für das jeweilige Unternehmen erreicht werden kann. Unternehmen haben somit bei der Anwendung des Modells genaue Kenntnisse über zielführende Schutzmaßnahmen-Portfolios auf Prozess- und Produktebene. Abschließend stellt das Gestaltungsmodell dar wie die Strategiekommunikation gestaltet und optimiert werden soll. Alle drei Modelle werden anhand eines praktischen Fallbeispiels empirisch evaluiert und die Erkenntnisse auf ihre Validität geprüft. In der Bewertung konnte festgehalten werden, dass mit den Ergebnissen die formulierten Forschungsziele und inhaltlichen Anforderungen mit allen Bestandteilen erreicht wurden. Das entwickelte Planungsinstrument erlaubt durch seine hohe Operationalität auch unerfahrenen Anwendern genaue Kenntnis über zielführende Schutzmaßnahmen-Portfolios. Die Komplexität des Untersuchungsbereichs wird mittels geeigneter Instrumente beherrscht und die Auswahl und Umsetzung unternehmensspezifischer Know-how-Schutzstrategien wird ermöglicht. Durch die Arbeiten wird zusätzlich erstmalig die Grundlage für die Detailbewertung der Notwendigkeit von Know-how- Schutzmaßnahmen gelegt. Neben einer entwickelten mathematischen Verknüpfung der Ursachen-Wirkungs-Beziehung ist dabei besonders die Möglichkeit, die unternehmensindividuelle Risikoposition monetär zu quantifizieren wissenschaftlich neu. Eine Ausweitung des Modells auf die Gesamtrisiken der Branche ermöglicht es zudem, nicht nur Führungsebenen der Industrie, sondern auch der Politik, Handlungsbedarf im Bereich Know-how-Schutz aufzuzeigen. Trotz der anwendungsorientierten Ergebnisse, die aus wissenschaftlicher Sicht positiv zu bewerten sind, werden Ansatzpunkte für weiteren Forschungsbedarf deutlich. Die Haupteinsatzgrenze der entwickelten Methoden liegt darin, dass auf Basis von Schadensszenarien bereits Normstrategien innerhalb des Entscheidungsmodells empfohlen werden, diese bisher jedoch nur Empfehlungen darstellen und nicht in konkreten Maßnahmen münden. Die zugrundeliegenden Maßnahmenmechanismen müssen in einem weiteren Schritt vom Anwender konkretisiert werden in dem er einzelne Maßnahmen im Rahmen der definierten Normstrategien selbstständig auswählt. Zwar wird eine Auswahl an konkreten Randbedingungen, wie die maximal zulässigen Maßnahmenkosten, bereits vorgegeben, die gezielte Konkretisierung der Strategien und Analyse der Wirksamkeit unter Berechnung der „costto-break“ einzelner Maßnahmen steht noch aus. Auf diesen Erkenntnissen aufbauend sollen im beantragten Transferantrag die Normstrategien hinsichtlich der technischen Schutzmaßnahmen im Bereich der Produktdatenverfolgungs-Technologien konkretisiert werden. Besonders diese Technologien stellen einen wesentlichen Bestandteil der im Projekt definierten handlungsorientierten Normstrategien A (Zentralisieren) und B (Fokussieren) dar und werden durch Ihren Zusatznutzen im Bereich der Prozessoptimierung verstärkt von Anwendern akzeptiert und angefragt. Noch überwiegen jedoch die Hindernisse für den Einsatz solcher technischen Schutzmaßnahmen und derzeitige Möglichkeiten und geeignete Maßnahmen sind vielen befragten Unternehmen unbekannt. Sie müssen somit vertieft nicht nur hinsichtlich ihrer Wirtschaftlichkeit, wie in diesem Projekt, sondern auch hinsichtlich ihrer Wirksamkeit im zeitlichen Verlauf bewertet werden. Durch die Konzeption einer modellgestützten und quantitativen Auswahlmethodik, welche auf einem Bausteinkastenprinzip aufbaut, sollen Entscheidungsträger bei der Komplexitätsbewältigung der Entscheidungssituation durch konkrete Schutzmaßnahmen-Empfehlungen unterstützt werden. Ziel ist es dabei wiederum weniger erfahrenen Anwendern eine einfache und unternehmensübergreifende Implementierung von Produktdatenverfolgungs-Technologien zum Know-how-Schutz in globalen Wertschöpfungsnetzwerken zu ermöglichen. Die quantitativen Anforderungen werden dabei sowohl durch die Nutzung und Ausweitung des Risiko- und Entscheidungsmodells, wie auch ergänzend durch die noch zu erforschende Bewertung der Wirksamkeit der Produktdatenverfolgungs-Technologien als Schutzmaßnahmen, erreicht.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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(2012): Produktschutz sichert Wettbewerbsvorteile, In: Verpackungs- Rundschau, P. Keppler Verlag, Heusenstamm, 7 p. 18
Kuske, Philipp
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Ein Kompetenzzentrum für integrierten Innovationsschutz - technische, organisatorische und juristische Antipiraterie-Lösungen kombiniert. In: Qualität und Quantität im gewerblichen Rechtsschutz, Proceedings der PATINFO 2012, 34. Kolloquium der Technischen Universität Ilmenau über Patentinformation und gewerblichen Rechtsschutz
Kuske, Philipp; Nickels, Rudolf
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(2014): Quantification and Assessment Method for a Company’s Product Piracy Risks. In: CIRPe2014 – 3rd CIRP Global Web Conference on Production Engineering Research
Gossen, Eugenia; Kuske, Philipp; Abele, Eberhard