Arbeit im Flugzeugcockpit - Eine Untersuchung zur Rolle menschlicher Arbeit in hoch technisierten Systemen
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Die wichtigsten wissenschaftlichen Fortschritte sind: Beleg dafür, dass Mensch und Technik gleichermaßen für die Anforderungen des modernen Luftverkehrs notwendig sind. Dies wird mit dem Konzept der Verteilten Handlungsträgerschaft erfasst und kenntlich gemacht. Mensch und Technik „kooperieren“ um den Flugprozess darzustellen. Grenzen der Planbarkeit und Unwägbarkeiten der Technik werden für den Flugverkehr aufgedeckt und in eine Kategorisierung Kritischer Situationen für den Normallauf überführt. Der Normallauf wird neu definiert. Es zeigt sich, es gibt keine vollständige Stabilität. Der Flugprozess ist immer „kritisch“. Kritische Situationen bezeichnen im Folgenden die Einflüsse durch externe und systemimmanente Einflüsse. Die normale kritische Standardsituation ist hingegen ohne zusätzliche Herausforderungen. Die Kooperation wird nochmals in den Blick genommen. Diesmal unter Zugrundelegung der getroffenen Situationsdifferenzierung. Die Forschungsfrage wird konkretisiert: Wie genau erfolgt die Kooperation unter Beachtung der realen Herausforderungen des Normallaufs? In den Blick genommen wird die Bewältigung der: (1) alltäglichen Dynamik und Situationsvariabilität – es treten keine zusätzlichen Herausforderungen durch Kritische Situationen auf. (2) Kritischen Situationen vom Typ 1 – externe Ursachen beeinflussen den Normallauf (Umfeldfaktoren: Wetter, Flughafenzustand, Verkehrsteilnehmer, Vögel etc.) (3) Kritischen Situationen vom Typ 2 – systemimmanente Ursachen beeinflussen den Normallauf (technische „Macken“, Störungen, Fehlfunktionen). Die Kooperationsbewertung durch die befragten Piloten ergibt nennenswerte Unterschiede in Hinblick auf: - Grade der Handlungsträgerschaft der eingesetzten Techniken. - Verständlichkeit und Nachvollziehbarkeit der automatisierten Funktionen - Sinnhaftigkeit der technischen Einflussnahme. Die Kooperation wird positiv eingestuft wenn Pilot und Technik sich sinnvoll ergänzen. Die technische Einflussnahme kann den Prozessverlauf jedoch auch negativ beeinflussen und der Pilot muss dann neben seinem Flugauftrag „auch noch die Technik hinkriegen“. Die Frage danach wie Piloten diese Herausforderungen bewältigen ergibt nach Auswertung aller Befunde, die klare Antwort: Alleine mit einem kognitiv-rationalen Handeln gelingt ihm das nicht. Es finden sich eindeutige Hinweise dafür, dass Piloten auch erfahrungsgeleitetsubjektivierend handeln. Dies kann mit der in Fliegerkreisen salopp formulierten Qualifikation: „Fliegen mit dem Hintern“ oder „Hosenbodenfliegen“/“Arschgefühl“ gleichgesetzt werden. Der Flugprozess findet in einer grundsätzlich nicht planbaren Umwelt statt und ist durch seine Dynamik und den immerzu neuen Situationsvariabilitäten niemals wirklich stabil. Der Pilot begegnet sämtlichen, auch nur latent vorhandenen Unwägbarkeiten im Normallauf, besonders kompetent durch sein erfahrungsgeleitet-subjektivierendes Arbeitshandeln.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
- (2012): Erfahrungsgeleitet-subjektivierendes Arbeitshandeln von Piloten. In: Gerhard Faber (Hrsg.): Zukünftige Ausbildung der Manager von Mensch- Maschine-Systemen. Darmstadt, Forschungsnetzwerk für Verkehrspilotenausbildung (FHP), S. 78 – 81
Cvetnic, T.
- (2014): Grenzen der Technisierung und Planbarkeit. In: Gerhard Faber (Hrsg.): Sicherheitssysteme der Luftfahrt. Darmstadt, Forschungsnetzwerk für Verkehrspilotenausbildung (FHP), S. 12 – 16
Cvetnic, T.
- (2014): Plane and simple. In: International INNOVATION – Disseminating science, research and technology. Issue 136, Bristol UK, S. 75 – 77
Böhle, F; Fink-Cvetnic, T.
(Siehe online unter https://doi.org/10.4324/9781315768267) - (2017): Arbeit von Piloten. In: Fritz Böhle (Hrsg.): Arbeit als Subjektivierendes Handeln: Handlungsfähigkeit bei Unwägbarkeiten und Ungewissheit. Wiesbaden, Springer VS, S. 627 – 645
Cvetnic, T.