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Arznei und Konfekt. Medikale Kultur am Wolfenbütteler Hof 1577 - 1706

Fachliche Zuordnung Wissenschaftsgeschichte
Förderung Förderung von 2006 bis 2010
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 21624364
 
Erstellungsjahr 2010

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Das Projekt „Arznei und Konfekt. Medikale Kultur am Wolfenbütteler Hof 1576-1706" galt der Erforschung des Konsums von Arzneimitteln und Waren, die aus der Wolfenbütteler Hofapotheke an den Wolfenbütteler Fürstenhof geliefert wurden. Erstmalig wurde für einen Hof der Frühen Neuzeit die medikale Kultur in ihrer Komplexität mit den Akteuren Apotheke/r, Mediziner, Konsument/in vorgestellt und charakterisiert. Das Ausgangsmaterial bildten die erhaltenen Apothekenrechnungen sowie eine Auswahl geeigneter weiterer Dokumente (biographisches Material, ausgewählte Briefe, Bestallungsurkunden, Apothekendokumente). Die Aufschlüsselung der vorliegenden Rechnungen erlaubte es, dem Gebrauch und Verbrauch von Arzneimitteln im Herzoghaus und im Hofstaat über längere Zeit nachzugehen. Aufträge an die Hofapotheke wurden durch die Hofmediziner oder von Personen des Herzoghauses selbst veranlasst. Damm kann ein Warenverkehr mit ärztlicher Beteiligung von einer so genannten Selbstmedikation unterschieden werden; im Herzoghaus konnte demnach ein individueller Arzneimittelgebrauch ausgemacht werden. Die Mittel wurden ungeachtet des Lebensalters verabreicht. Die Medikamentenabgabe durch die Mediziner war ständisch geprägt. Hofapotheker blieben lange Jahre in herzoglichen Diensten und schieden meist erst durch den Tod aus. Der Hofstaat wurde bei Erkrankungen hauptsächlich mit humoralpathologischen Präparaten behandelt, unter den Arzneimitteln für das Herzoghaus waren Arzneibuchpräparate und viele destillierte Wässer; die Präparate und Drogen zeichneten sich durch beste Qualität aus. Das Spektrum der in der Frühen Neuzeit allgemein üblichen Krankheiten findet sich auch am Wolfenbütteler Hof wieder. Durch die Mikroanalyse der Apothekenrechnungen konnte unter anderem für die Medizin am Hofe nachgewiesen werden, dass ... - die von der Forschung behauptete These fließender Grenzen zwischen Arzneimittel und Luxus nicht aufrechterhalten werden kann; - die Abgabe von Medikamenten und die Anfordemng von Substanzen und Präparaten überraschend individuell ausfiel, so dass man sogar von persönlichen Profilen sprechen kann; - es eine nach sozialer Position differenzierte Medikation innerhalb des Hofes gab; - dass die Aufgaben der Ärzte und ihre Zuständigkeit für die Mitglieder der herzoglichen Familie und des Hofstaales unlerschiedlich verteilt waren. So widmete sich beispielsweise ein Arzt, der dem Ausbildungssland nach Magister war, weniger der Familie des Herzogs als vielmehr dem Hofstaat; - es Favoriten unter den Arzneimitteln am Hofe gab, deren Vorrangstellung sich über etliche Jahre hielt Dies konnte durch eine quantitative Analyse der Liefemngen genauer gezeigt werden. Der Aussagewert der untersuchten Apothekenrechnungen hat bei aller Vielfalt der Ergebnisse seine Grenzen; diese seien zuletzt angeführt: Zwar sind durch die Auswertungen Aussagen über Zubereitungen und Indikationen möglich. Allerdings werden z. B. die einheimischen Pflanzen in der Abgabe nicht erwähnt. Und die jeweilige Indikation lässt sich aufgrund der Spezifik der Humoralpathologie nur aus dem Verlauf der Medikamentenabfolge entnehmen. Manche Pflanzen kommen in den Rechnungen nicht vor, weil sie in bereits verarbeiteter Form benutzt werden oder weil sie wild in der Natur gesammelt oder von Kräuterfrauen gebracht wurden. Die Zusammensetzung der Mittel ist bei Pharmakopöepräparaten, Arzneibuchpräparaten, bei nach einem Autor benannten Zubereitungen und auch bei speziellen Pflanzenwässern und Salben nachvollziehbar; ansonsten bleibt nur die Klassifizierung nach der Zubereitungsform wie z. B. Conditum oder Magenpulver; in diesen Fällen wurden sie nach einem individuellen Rezept angefertigt, von denen in meiner Arbeit exemplarisch zwei angeführt sind. Die Preise für Composita in einem Jahr differierten teilweise erheblich, was auf Modifikationen in der Zusammensetzung hinweisen kann, aber nicht muss. Mit dem Begriff ,verschreiben', der in den Rechnungen vorkommt, wird das allgemeine Prozedere einer Abgabe des Apothekers nach Anweisung des Arztes an dritte Personen dokumentiert: Der Apotheker gab nach einem Zettel des Arztes etwas ab. Das müssen nicht nur zwingend Medikamente, sondem könnten auch Substanz wie z. B. Siegellack gewesen sein. Folglich müssen die Einträge genau und in ihrem Kontext betrachtet werden. Die Rechnungen geben von der Seite der Arzneimittel her Auskunft über momentane bzw. auch chronische Erkrankungen, Befindlichkeiten und Bedürfnisse einer Person; tieferen Einblick in diese Zustände können ergänzend Egodokumente geben, die in vorliegender Untersuchung bewusst ausgeklammert und nur punktuell herangezogen worden sind. Das Projekt wurde in einem Vortrag auf der Pharmaziehistorischen Biennale 2008 (Husum) vorgestellt. Außerdem gab es einen öffentlicher Kurzvortrag 2010 in Braunschweig über Pestmittel am Hof. Es erschien ein Artikel in der Braunschweiger Zeitung 2007.

 
 

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