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Frühmittelalterliche Häfen zwischen Wismar Bucht und Danziger Bucht (Deutschland/Polen)

Fachliche Zuordnung Ur- und Frühgeschichte (weltweit)
Förderung Förderung von 2012 bis 2018
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 219305126
 
Erstellungsjahr 2019

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Unter Einsatz geoarchäologischer, geophysikalischer und archäologischer Methoden erfolgte im Rahmen des Ostseehafen-Projektes eine systematische und interdisziplinäre Erforschung der Hafenstrukturen früh- und hochmittelalterlicher Seehandelsplätze zwischen der Wismarer und der Danziger Bucht. Geländearbeiten fanden in Groß Strömkendorf, Rostock-Dierkow, Ralswiek, Usedom, Kamień Pomorski, Bardy/Świelubie und Puck statt. Die Untersuchungen führten zu zahlreichen neuen Ergebnissen zur Landschafts- und Siedlungsgeschichte der einzelnen Untersuchungsräume. Für das Untersuchungsgebiet zeichnen sich klare Muster der Standortauswahl ab. Es wurden für die Anlage von Landeplätzen und Häfen geschützte Lagen in Buchten oder Boddengewässern bzw. an Flussläufen bevorzugt, während die dazugehörige Siedlung in der Regel in unmittelbarer Nähe auf erhöhten Standorten angelegt wurde. Die Landestellen und Uferränder wurden zum Teil durch hölzerne Einbauten stabilisiert (Rostock- Dierkow, Groß Strömkendorf, Usedom), die Zuwegung zwischen Hafen und Siedlung häufig systematisch im Rahmen größerer Infrastrukturmaßnahmen ausgebaut und befestigt (Rostock- Dierkow). Sofern Gräberfelder bekannt sind, liegen sie meist in erhöhter Lage und boten einen Blick über den Handelsplatz und Landeplätze bzw. Hafen. Die geologischen und geophysikalischen Untersuchungen konnten auf nahezu allen Fundplätzen Erkenntnisse zur Landschaftsgenese und zum Landschaftswandel erzielen und diese durch Radiokarbondatierungen teilweise auch absolut datieren (Rostock-Dierkow, Groß Strömkendorf, Usedom, Ralswiek, Bardy/Świelubie). Topographische und verkehrsgeographische Gesichtspunkte haben somit nicht nur bei der Wahl eines Standortes für die Gründung eine zentrale Rolle gespielt, sondern dürften zudem für ihren Ausbau beziehungsweise für ihren Niedergang von großer Bedeutung gewesen sein. Insbesondere für die Plätze Rostock-Dierkow, Usedom, Ralswiek und Bardy/Świelubie kann nunmehr eine erste Rekonstruktion der Landschaftsgeschichte erfolgen, in deren Rahmen auch Aussagen zu den topographischen Vorrausetzungen und zur Lage der mutmaßlichen Hafenareale möglich sind. Alle Plätze lagen in natürlichen Gunstlagen mit unmittelbar anschließenden offenen Wasserflächen und verfügten über einen direkten Zugang zur Ostsee: kleine Buchten (Rostock- Dierkow, Puck, Kamień Pomorski, Groß Strömkendorf), Seen (Usedom), Boddengewässer (Ralswiek) und Flüsse (Bardy/Świelubie). Die Abhängigkeit der Siedlungskomplexe von paläogeographischen Prozessen ist zudem auch deutlich im archäologischen Befund erkennbar, so führen Verlandungsprozesse (Rostock-Dierkow, Ralswiek), Veränderungen des Wasserspiegels (Usedom) oder mehrfache Hochwasserereignisse (Ralswiek) zu umfangreichen Ausbau- und Infrastrukturmaßnahmen innerhalb der Siedlungen und wohl auch der Häfen. Für Świelubie ist anzunehmen, dass die hohe Dynamik der Parsęta ein Grund für die Aufgabe der Siedlung gewesen sein könnte. Für Rostock-Dierkow, Groß Strömkendorf, Usedom und Bardy/Świelubie kann auf Grundlage des derzeitigen Kenntnisstandes die Lage der Hafenareale bzw. Landestellen auf bestimmte Areale eingegrenzt werden. Damit wurden grundlegende Voraussetzungen für zukünftige Untersuchungen zur Lokalisierung und weiteren Erforschung der Häfen geschaffen. Für Ralswiek wurde die Interpretation einer natürlichen, schiffbaren Verbindung westlich des Handelsplatzes durch geologische und geophysikalische Untersuchungen überprüft und ausgeschlossen. Allerdings kann aufgrund der hydrologischen Verhältnisse bereits für das frühe Mittelalter von einem Graben ausgegangen werden, über den eine Entwässerung in den Bodden erfolgte. Die ergänzend durchgeführten Untersuchungen konnten jedoch keinen Nachweis auf Schiffseinfahrten oder Molen erbringen. Der Hafen dürfte deshalb im Boddenseitigen Bereich des Siedlungsplatzes gelegen haben. In Rostock-Dierkow kann dagegen das Hafenareal eindeutig westlich des Primelberges im Bereich einer kleinen natürlichen Bucht lokalisiert werden. Dort lassen sich für das späte 8. Jahrhundert steg- bzw. bohlenwegartige, auf einen Warnowzufluss ausgerichtete Konstruktionen nachweisen, die durch Landgewinnungsmaßnahmen in Form von massiven Flechtwerkmatten ergänzt wurden. Die im 8. Jahrhundert beginnende Verlandung der Bucht führte somit zur Verlagerung von Hafen und Siedlung in Richtung des heute als Hechtgraben erhaltenen Warnowzuflusses, wie dort dokumentierte Pfostenkonstruktionen ebenfalls belegen. Für die submarinen Hafenareale von Groß Strömkendorf und Puck konnten durch die geophysikalischen und geologischen bzw. geophysikalischen Untersuchungen ebenfalls zahlreiche neue Erkenntnisse zur Lage und Ausdehnung der einzelnen Häfen gewonnen werden. Die Ergebnisse zu Puck werden durch das geophysikalische Zentralprojekt vorgestellt. Die Häfen waren somit – wie die Untersuchungen zeigen konnten – als Schnittstellen zwischen Wasser und Land sowohl ökologischen, ökonomischen als auch technologischen Entwicklungen ausgesetzt, zentrale Bedeutung besaß zudem – erkennbar in massiven Infrastrukturmaßnahmen – die Wechselbeziehungen zwischen Handelsplatz und Hafen. Ohne Zweifel waren die Häfen damit Kernelemente der Emporien und von größter Bedeutung für das Bestehen und Wirken der Handelsplätze.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • Neue Forschungen zur Struktur mittelalterlicher Hafenanlagen an der südlichen Ostseeküste. In: M. Bogucki u. M. Rębkowski u. (Hrsg.), Economies, Monetisation and Society in West Slavic Lands 800–1200 AD, Wolińskie Spotkania Mediewistyczne II (Szczecin 2013) 25-43
    H. Jöns, S. Messal
  • Badania nieinwazyjne przeprowadzone w 2014 roku w pobliżu grodów w Bardach i Świelubiu, pow. Kołobrzeski. Mat. Zachodniopomorskie. Nowa Seria t. XI, 2014, 169-173
    M. Karle, A. B. Kowalska, S. Messal
  • Frühmittelalterliche Häfen zwischen Wismar Bucht und Danziger Bucht – Neue Forschungen zur Struktur mittelalterlicher Hafenanlagen an der südwestlichen Ostseeküste. Ein Vorbericht. In: Nadodrzańskie Spotkania z Historią 2014. Polsko-Niemiecka Konferencja Naukowa (Stettin 2014) 43-72 [deutsch/polnisch]
    H. Jöns, M. Karle, S. Messal
  • Zur Rolle und Struktur Hamburgs als frühmittelalterlicher Handelsplatz – aktuelle Forschungen an Emporien und Handelsplätzen des Nord- und Ostseeraums im Vergleich. In: R.-M. Weiss u. A. Klammt (Hrsg.), Mythos Hammaburg. Archäologische Entdeckungen zu den Anfängen Hamburgs. Veröffentlichung des Helms-Museums, Archäologisches Museum Hamburg, Stadtmuseum Harburg Nr. 107 (Hamburg 2014) 17-39
    H. Jöns, M. Segschneider,
  • Die frühmittelalterlichen Emporien im südwestlichen Ostseeraum und ihre Häfen. In: T. Schmidts, M. Vučetić (Hrsg.), Häfen im 1. Millenium A. D. - Bauliche Konzepte, herrschaftliche und religiöse Einflüsse. Interdisziplinäre Forschungen zu Häfen von der Römischen Kaiserzeit bis zum Mittelalter 1 (Mainz 2015) 265-288
    S. Messal, M. Karle, H. Jöns, F. Lüth
  • Early medieval emporia and their ports in the south-western Baltic Sea. Siedlungs- und Küstenforschung im südlichen Nordseegebiet 38, 2015, 239-255
    M. Karle, S. Messal, S. Wolters
  • Geophysikalische Prospektion von Hafensituationen – Möglichkeiten, Anwendungen und Forschungsbedarf. In: T. Schmidts, M. Vučetić (Hrsg.), Häfen im 1. Millenium A. D. - Bauliche Konzepte, herrschaftliche und religiöse Einflüsse. Interdisziplinäre Forschungen zu Häfen von der Römischen Kaiserzeit bis zum Mittelalter 1 (Mainz 2015) 328-340
    W. Rabbel, D. Wilken, T. Wunderlich, S. Bödecker, H. Brückner, J. Byock, C. von Carnap-Bornheim, S. Kalmring, M. Karle, H. Kennecke, S. Messal, T. Schmidts, M. Seeliger, M. Segschneider, D. Zori
  • Marine magnetic and seismic measurements to find the harbour of the early medieval Slavic emporium Groß Strömkendorf/Reric, Germany. Arch. Polona 53, 2015, 543-546
    T. Wunderlich, D. Wilken, P.-B. Riedel, M. Karle, S. Messal
  • Die frühmittelalterlichen Emporien im südwestlichen Ostseeraum und ihre Häfen. E-Forschungsberichte DAI 2016, Faszikel 2, 2016, 31-37
    S. Messal, H. Jöns, M. Karle, F. Lüth
  • Der Beitrag der Geophysik zur Bestimmung von Standtortfaktoren eines Hafens am Beispiel von Groß Strömkendorf / Reric. In: S. Kalmring, L. Werther (Hrsg.), Häfen im 1. Millennium AD. Standortbedingungen, Entwicklungsmodelle und ökonomische Vernetzung. RGZM–Tagungen 31 = Interdisziplinäre Forschungen zu den Häfen von der Römischen Kaiserzeit bis zum Mittelalter in Europa 4 (Mainz 2017) 127-136
    T. Wunderlich, D. Wilken, P.-B. Riedel, M. Karle, S. Messal, A. Fediuk, M. Schwardt, I. Petri, W. Rabbel
  • Die archäologischen Arbeiten in Świelubie. Mat. Zachodniopomorskie XII, 2017, 243-252
    A. B. Kowalska, S. Messal
  • Imitationen karolingisch-ottonischer Vorbilder? Zwei runde Bleianhänger mit Kreuzmotiv und Leiterbandkreis aus Rostock-Dierkow. Arch. Korrbl. 47, H. 4, 2017, 549-562
    S. Messal
  • Recent research on early medieval trading centres in the western Baltic Region. The case studies of Groß Strömkendorf, Rostock-Dierkow, Ralswiek and Bardy. In: M. Bogucki & M.F. Jagodziński (eds.), Between Jutland and Sambia. Truso in the context or research on the south-western zone of the Baltic Sea basin in the Viking Age. Studia nad Truso 3:2 (Elbląg 2017) 249-284
    H. Jöns, M. Karle, A.B. Kowalska, S. Messal
  • Skandinavische Kolonien an der südlichen Ostseeküste. Zur Siedlungsgenese der früh- und hochmittelalterlichen Emporien im südlichen Ostseeraum. In: S. Kalmring, L. Werther (Hrsg.), Häfen im 1. Millennium AD. Standortbedingungen, Entwicklungsmodelle und ökonomische Vernetzung. RGZM–Tagungen 31 = Interdisziplinäre Forschungen zu den Häfen von der Römischen Kaiserzeit bis zum Mittelalter in Europa 4 (Mainz 2017) 111–126
    S. Messal
  • Rostocks Nachbarn im frühen Mittelalter. Der Seehandelsplatz von Rostock-Dierkow. In: M. Manke (Hrsg.), Rostock und seine Nachbarn in der Geschichte. Veröffentlichungen der historischen Kommission für Mecklenburg. Schriften zur mecklenburgischen Geschichte 6 (Schwerin 2018) 37-51
    S. Messal
  • Auf der Suche nach dem ältesten Hafen Rostocks. Archäologische Untersuchungen auf dem frühmittelalterlichen Seehandelsplatz am Primelberg in Rostock-Dierkow (Wilhelmshaven 2019)
    S. Messal
 
 

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