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"Gewerbewurten" und "Geestrandhäfen" - mittelalterliche Handelshäfen an der deutschen Nordseeküste.

Fachliche Zuordnung Ur- und Frühgeschichte (weltweit)
Förderung Förderung von 2012 bis 2018
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 219305186
 
Erstellungsjahr 2019

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Im Rahmen des Nordseehäfen-Projekts konnten zahlreiche neue Erkenntnisse über die Strukturen des während des Mittelalters an der deutschen Nordseeküste vorhandenen Kommunikations- und Austauschstrukturen sowie der dabei genutzten Transportwege und Häfen gewonnen werden. Dies ist in erster Linie dem konsequenten Einsatz eines Methodenkanons zu verdanken, der Forschungsansätze aus der Geologie, Geophysik und Bodenkunde mit denen der archäologischen Siedlungsforschung und der historischen Geographie mit einander kombiniert zum Einsatz gebracht hat. Die Kooperation mit dem Zentralprojekt Geophysik hat darüber hinaus zahlreiche wichtige Impulse gegeben, die für den positiven Verlauf des Projektes ausschlaggebend waren. Das Vorhaben war mit der Arbeitshypothese begonnen worden, dass während des Mittelalters entlang der Nordseeküste spezialisierte Siedlungen existiert haben, die Teil des überregionalen Austausch- und Kommunikationssystems waren. In den Marschgebieten handelte es sich dabei um Wurten, die so an Wasserläufen angelegt worden waren, dass sie gut an die Verkehrswege des Nordseeraums angebunden waren. Diese Hypothese konnte im Rahmen des Projekts im Kern bestätigt werden. Für mehrere, der bislang als Gewerbewurten diskutierten Fundplätzen konnte durch die kritische Analyse aller verfügbare Daten nachgewesen werden, dass die Funktion als Gewerbewurt meist nur zeitweise bestand. Es ist jedoch nicht davon auszugehen, dass die Gründung der Wurten mit der Intention erfolgte, Handelsplätze zu errichten, wie das im vieldiskutierten Langwurten-Modell beschrieben war. Insbesondere die erneute Auswertung der Grabungsdokumentation der bereits in den 1950er Jahren durchgeführten Bohrungen und Sondagen auf der Wurt Groothusen haben zeigen können, dass zunächst von einer landwirtschaftlichen Prägung der Siedlung auszugehen ist, die wohl auch während der Blüte des Handelsplatzes auf der Wurt nicht unterbewertet werden darf. Eine Verbindung zwischen der gewerblichen Nutzung und der langgestreckten Grundform der Wurten ist nicht erkennbar; diese entstand in den meisten Fällen, durch die Verbindung mehrerer benachbarter Wurten; entsprechend kann festgestellt werden, dass das Langwurten-Modell keine Bestätigung gefunden hat. Dagegen hat es sich bestätigt, dass die auf dem Geestrücken „Hohe Lieth“, Landkreis Cuxhaven genauso wie auf den nordfriesischen Inseln Föhr und Sylt am Übergang zwischen Marsch und Geest gelegenen frühmittelalterlichen Burgen eine wichtige Funktion in der Organisation des Handels zukam. In ihrem Umfeld befanden sich großflächige Siedlungen, deren Bebauung in hohem Maße durch Grubenhäuser geprägt war. Das dort im Rahmen des Projektes geborgene Fundgut zeigt, dass vielfältige handwerkliche Tätigkeiten durchgeführt wurden. Insbesondere der Weberei und der Eisenverarbeitung kommt dabei große Bedeutung zu. Darüber hinaus konnten dank der konsequent eingesetzten Schlämmtechnik zahlreiche Kleinfunde aus Metall, Bernstein und Glas geborgen werden, die nicht vor Ort hergestellt worden sind und somit als Indizien für die überregionalen Kontakte der jeweiligen Siedlungen gewertet werden können. Die im Nahbereich dieser Siedlungen verlaufenden, stark durch die Gezeiten geprägten Wasserläufe, konnten zumindest bei Flut als Transportwege genutzt werden; es ist deshalb anzunehmen, dass die Be- und Entladung der dazu eingesetzten flachbodigen Wasserfahrzeuge bei ablaufenden Wasser bzw. Ebbe erfolgte.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • 2013: Im Schutze der Burg - Jevers alten Häfen auf der Spur. Archäologie in Niedersachsen 16, 115–118
    Eichfeld, I., Schwank, S.
  • 2014: Wohnlage mit Meerblick! Prospektion und Ausgrabung auf einer frühmittelalterlichen Siedlung am Goting-Kliff auf Föhr. Archäologische Nachrichten Schleswig-Holstein 20, 58-61
    Majchczack, B.
  • 2014: Zur Rolle und Struktur Hamburgs als frühmittelalterlicher Handelsplatz – aktuelle Forschungen an Emporien und Handelsplätzen des Nord- und Ostseeraums im Vergleich. In: R.-M. Weiss, A. Klammt (Hrsg.), Mythos Hammaburg. Archäologische Entdeckungen zu den Anfängen Hamburgs. Veröffentlichung des Helms-Museums, Archäologisches Museum Hamburg, Stadtmuseum Harburg Nr. 107, 17-39
    Jöns, H., Segschneider, M.
  • 2015: Early medieval trading centres and transport systems between Dorestad, Ribe and Wolin: the latest results of the Priority Research Programme Harbours from the Roman Iron Age to the Middle Ages. In: L. Larsson, F. Ekengren, B. Helgesson, B. Söderberg (Hrsg.) Small things - wide horizons: studies in honour of Birgitta Hårdh, 245-252. Oxford
    Jöns, H.
    (Siehe online unter https://doi.org/10.2307/j.ctvr43jxs.37)
  • 2015: Eine Siedlung der Jüngeren Römischen Kaiserzeit und Völkerwanderungszeit sowie des Frühmittelalters in Tinnum auf Sylt. In: C. von Carnap-Bornheim, M. Segschneider (Hrsg.), Archäologische Siedlungsforschung auf den nordfriesischen Inseln. Offa-Bücher 89, 119-134. Neumünster
    Majchczack, B., Segschneider, M.
  • 2015: Evidence of early hydraulic engineering? Geophysical and geoarchaeological investigations at Groothusen, East Frisia, Germany. In: T. Tillmann (Hrsg.) Aktuelle Küstenforschung an der Nordsee. Coastline Reports 25, 11-21
    Eichfeld, I., Schwank, S.
  • 2015: Groothusen und Grimersum – Siedlung, Wirtschaft und Wasserwege im frühmittelalterlichen Ostfriesland. Siedlungs- und Küstenforschung im südlichen Nordseegebiet 38, 217-237
    Eichfeld, I.
  • 2015: Rayleigh-wave Resonance Mapping: A Viking Age Pit House Methodological Test Site. Archaeological Prospection 22 (3), 171-186
    Wilken, D., Wunderlich, T., Majchczack, B., Andersen, J., Rabbel, W.
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1002/arp.1508)
  • 2015: Siedlungen aus dem Nichts. Die Zusammenführung zerstörungsfreier Prospektionsmethoden als Mittel der Siedlungsforschung auf der nordfriesischen Insel Föhr. In: C. von Carnap-Bornheim, M. Segschneider (Hrsg.) Archäologische Siedlungsforschung auf den nordfriesischen Inseln. Offa-Bücher 89, 15-117. Neumünster
    Majchczack, B.
  • 2015: Untersuchungen zur Organisation von Warentransport und Infrastruktur entlang der südlichen Nordseeküste – die Fallstudie „Groothusen in der Krummhörn“. In: T. Schmidts, M. Vučetić (Hrsg.) Häfen im 1. Millenium AD – Bauliche Konzepte, herrschaftliche und religiöse Einflüsse. RGZM-Tagungen 22, 247-264
    Eichfeld, I., Schwank, S., Jöns, H., Wunderlich, T.
  • 2016: Glücksfall aus dem Grubenhaus: Eine Scheibenfibel mit Textilanhaftungen aus Cuxhaven-Sahlenburg. Archäologie in Niedersachsen 19, 71-73
    Eichfeld, I., Kampe, S.
  • 2016: Grubenhaussiedlung und Handelsplatz? Tinnum auf Sylt in Völkerwanderungszeit und Frühmittelalter. Nachrichten des Marschenrates zur Förderung der Forschung im Küstengebiet der Nordsee 53, 16–17
    Majchczack, B.
  • 2017: Grubenhaus und Königshof. Historisch-archäologische Untersuchungen zu frühmittelalterlichen Handelsplätzen auf der Hohen Lieth bei Cuxhaven. In: S. Kalmring, L. Werther (Hrsg.) Häfen im 1. Millennium AD. Standortbedingungen, Entwicklungsmodelle und ökonomische Vernetzung. RGZM-Tagungen 31, 175-192
    Eichfeld, I.
  • 2017: Mittelalterliche Häfen im südlichen Nord- und Ostseeraum. Archäologie in Deutschland 2017 (4), 22–25
    Jöns, H., Hadler, H., Segschneider, M., Vött, A.
  • 2017: Multi-method prospection of an assumed early medieval harbour site and settlement in Goting, island of Föhr. In: Benjamin Gaffney, Christopher Sparrow, T. Jennings (Hrsg.), Proc. of the 12th International Conference of Archaeological Prospection in Bradford. Oxford. 146-148
    Majchczack, B., Schneider, S., Wilken, D., Wunderlich, T.
  • 2018: Early Medival trading sites on the North Frisian Island of Föhr. In: v. Carnap- Bornheim, C., Daim, F., Ettel, P., Warnke, U., (eds.) Harbours as objects of interdisciplinary research. Archaeology + History + Geosciences, RGZM-Tagungen 34, 311-328
    Majchczack, B., Schneider, S., Wunderlich, T., Wilken, D., Rabbel, W., Segschneider, M.
  • 2018: Farmers, Merchants, Seafarers. A new discovery of an emporium of the first millennium AD on the southern lower Elbe. In: v. Carnap- Bornheim, C., Daim, F., Ettel, P., Warnke, U., (eds.) Harbours as objects of interdisciplinary research. Archaeology + History + Geosciences, RGZM-Tagungen 34, 281-300
    Eichfeld, I., Nösler, D.
  • 2018: Frühmittelalterliche Handelsplätze an der deutschen Nordseeküste – Aktuelle Grabungsergebnisse aus Witsum auf Föhr und Altenwalde bei Cuxhaven. Arch. Ber. Ldkr. Rotenburg (Wümme) 21, 2018, 239-254
    Majchczack, B., Offermann, K.J.
 
 

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