Der römische Militärplatz von Welzheim. Auswertung der archäologischen Forschungen von 1974-2006
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Ziel des Projekts war die Erforschung der regionalen und überregionalen Bedeutung des römischen Kastellplatzes von Welzheim. Von 1974 bis 2006 wurden hier umfangreiche Ausgrabungen durchgeführt, deren Auswertung und Vorlage Hauptteil dieser Arbeit sind. Die im Vergleich zu den übrigen Militärplätzen am Welterbe „Obergermanisch-Raetischer Limes“ besonders umfangreichen Untersuchungen erbrachten herausragende Befunde sowie Funde. Im Mittelpunkt der Auswertung stehen die drei Welzheimer Militäranlagen: das große Alenlager, das Numeruskastell sowie das Kleinkastell Rötelsee am Limes selbst sowie die Frage nach dem Limesverlauf im Stadtgebiet. Die Frage nach einer angeblichen Lücke in den Sperranlagen zwischen West- und Ostkastell konnte mit Hilfe der Geophysik, einer gezielten archäologischen Forschungsgrabung und von modernen Oberflächenscans (LiDAR-Scans) zumindest für die jüngere Phase des Limes beantwortet werden. Die Vermutung, dass es einen anderen, um das Ostkastell herumführenden und dieses einschließenden Limesverlauf gegeben habe, hat sich bestätigt. Die Zusammenstellung der Befunde sowie datierungsrelevanten Funde der Zivilsiedlung im Umfeld der Militärlager erlaubt weiterführende Aussagen zur Größe und Geschichte Platzes in römischer Zeit. Ein Schwerpunkt der Untersuchung lag in der Klärung der Chronologie der drei Militäranlagen im Vergleich mit dem Lagerdorf. Dafür wurden vor allem die Münzen, die Terra sigillata und die Fibeln zusammengestellt, dokumentiert und ausgewertet. Darüber hinaus liegen mehrere aussagekräftige Dendrodaten von Holzbrunnen vor. Der Bau des Limes, die Gründung von Reiterlager, Ostkastell, Kleinkastell Rötelsee und des vicus erfolgten in etwa gleichzeitig um 160/165 n. Chr. Bis in die 220er oder bis zu den frühen 230er Jahre n. Chr. existierten in Welzheim alle drei Militärlager gleichzeitig. Danach könnte sich die Entwicklung aufgespalten haben. Aufgrund des weitestgehenden Fehlens jüngerer Funde wurde u. U. zunächst das Ostkastell und vielleicht nur wenig später dann auch das Reiterlager zumindest weitgehend geräumt (230/245 n. Chr.). Daraus lässt sich als Arbeitshypothese ableiten, dass spätestens ab diesem Zeitpunkt in Welzheim keine vollständigen Militäreinheiten mehr stationiert waren. Dies dürfte einerseits aus der vermuteten zumindest temporären Abwesenheit von Truppen am obergermanischen und raetischen Limes nach 233 n. Chr. resultierten, andererseits besonders darin begründet sein, dass die Römer bei Welzheim eine Überwachung dieses eher abgelegenen Limesabschnittes, fernab der bekannten Ost–West oder Nord–Süd verlaufenden Fernwege über den Limes hinweg, für nicht mehr dringend nötig erachteten und die Sicherung der Grenzlinie auf anderem Wege lösten bzw. ihre militärischen Kräfte nur noch auf bestimmte Brennpunkte des Limes konzentrierten und nicht mehr gleichmäßig entlang der gesamten Strecke verteilten. Da auch aus den Limeswachttürmen am südlichen obergermanischen Limes keine Funde aus dem 2. Drittel des 3. Jahrhunderts mehr vorliegen, unterstützt dieser Befund diese These. Aus dem militärischen Stationierungsschwerpunkt Welzheim am südlichen Limes wurde somit im Laufe der Zeit offenbar das militärstrategisch begründete Gegenteil. Der Abzug der ala aus Welzheim zeigt damit wohl exemplarisch den Bedeutungswandel der Reitertruppen am Limes: Dieser hat sich von einer Vorfeldaufklärung während der Frühzeit des Limes zu einer Bekämpfung eingedrungener Germanen im Hinterland während der Spätzeit geändert. Das Fundmaterial aus dem römischen Welzheim belegt, dass Gegenstände aus dem 2. Drittel des 3. Jahrhunderts – bis auf Einzelstücke aus dem Reiterlager – aus dem Areal des vicus stammen. Sie liegen allerdings in sehr viel geringerer Anzahl als ältere Objekte vor. Nach Abzug des größten Teils des Militärs aus Welzheim existierte der vicus bis zu dessen endgültigem Ende 254 oder 260 (?) n. Chr. in bescheidenem Umfang weiter. Auch dies ist sicher ein eher überraschendes Ergebnis.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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Mit Bodenradar zu neuen Erkenntnissen über die Innenbebauung des Welzheimer Ostkastells. Arch. Ausgr. Baden-Württemberg 2012 (2013) 170–173
Marcus G. Meyer/Harald v. d. Osten-Woldenburg/Klaus Kortüm
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Welzheim und die neue Römerabteilung im Städtischen Museum. Der Limes 7/2, 2013, 18–21
Marcus G. Meyer
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Mode vor 1800 Jahren ‒ Schuhe aus dem Brunnen; Feiner Duft exklusiv verpackt; Terra sigillata ‒ feines Tischgeschirr aus „schwäbischer“ Produktion. In: M. Kemkes/L. Walter (Hrsg.), Der Limes. 50 Jahre Forschung und Vermittlung. Schr. Limesmus. Aalen 63 (Darmstadt 2014) 62 f. 66 f.
Marcus G. Meyer
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Welzheim. In: S. Matešić/C. S. Sommer (Hrsgg.), Am Rande des Römischen Reiches: Ausflüge zum Limes in Süddeutschland. Beiträge zum Welterbe Limes, Sonderband 3 (Bad Homburg v. d. H. 2015) 62‒67. (2. Auflage 2017)
Marcus G. Meyer
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Ein Jahrhunderträtsel (fast) gelöst – der neue Limesknick bei Welzheim. Arch. Ausgr. Baden-Württemberg 2015 (2016) 167–170
Marcus G. Meyer/Klaus Kortüm
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Einem Rätsel auf der Spur. Zum Limesverlauf bei Welzheim. Der Limes 10/1, 2016, 31–33
Marcus G. Meyer
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Einem Rätsel auf der Spur – Neues zum Limesverlauf bei Welzheim. Jahresh. Hist. Ver. Welzheimer Wald 16, 2017, 7–14
Marcus G. Meyer
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Zum Welzheimer Hufmesser. Archäologisches zur Pferdeheilkunde am Limes. Fundber. Baden-Württemberg 36, 2017, 325–337
J. Ronke
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Neue Aspekte zur römerzeitlichen Geschichte von Welzheim. In: M. Kemkes u. a. (Hrsg.), Ob res prospere gestas. Wegen erfolgreich ausgeführter Taten. [Festschr. J. Heiligmann] (Friedberg 2018) 136–145
Marcus G. Meyer
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Der Limes bei Welzheim. Gelöste Rätsel und offene Fragen. In: Pfeil, Mathias; Obmann, Jürgen (2021): Grenze aus Holz. Die Limespalisade. Hg. v. Grietje Suhr und Michaela Helmbrecht. München: Volk Verlag (Inhalte - Projekte - Dokumentationen, Nr. 22). Seit
Marcus G. Meyer