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Zentralprojekt - Medienkulturen in Computersimulation

Fachliche Zuordnung Theater- und Medienwissenschaften
Förderung Förderung von 2012 bis 2019
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 221950582
 
Computersimulationen (CS) bestimmen die Lage der Wissenschaften – zumindest jenseits der Geisteswissenschaften. Schon und gerade deshalb sollten sie Gegenstand ihres Interesses sein. So gewiss es nämlich sein mag, dass ein Crashtest etwas anderes ist als eine Klimasimulation, dass die Simulation eines quantenphysikalischen mittels eines klassischen Systems andere Probleme aufwirft als die agentenbasierte Simulation einer Massenpanik in einem Stadion, oder dass CS in einzelnen Disziplinen sehr unterschiedliche Funktionen erfüllen und Reputationen besitzen, so unstrittig ist doch zugleich, dass mit ihnen ein neues Wissen, ein veränderter Problemhaushalt und ein anderes Wissenschaftsverständnis in die Welt gekommen sind. In CS entstehendes Wissen ist eines, das der computerbasierten Imitation von dynamischem Systemverhalten entspringt, und das in Form von ökologischen, medizinischen, ökonomischen oder technischen Maßnahmen und Entscheidungen zutiefst in unseren Lebensalltag durchgreift. Dabei werden Konzepte wie Gesetz, Beweis, Wahrheit oder Genauigkeit durch solche wie Regel, Adäquatheit, Richtigkeit oder Performanz irritiert (Pias 2011). Neue wissenschaftliche Probleme und zuweilen ganze Forschungsfelder entstehen und formieren sich historisch erst und nur dort, wo ebendiese Probleme ohne CS gar nicht behandelbar gewesen wären und wo Forschung ohne ent--‐ sprechende digitale Medientechnik gar nicht durchführbar gewesen wäre. Und zuletzt ist auf der Ebene des Wissenschaftsverständnisses zu beobachten, dass die tradierten Verhältnisse von Theorie und Experiment sich grundlegend verschoben haben und aus den sog. »Mode-1«-Wissenschaften (Gibbons 1994), die sich an der experimentellen und mathematischen Mechanik Newtons orientierten, zunehmend System» Verhaltenswissenschaften« (Mahr 2003) geworden sind, die zahlreichen Anlass zu »gesellschaftlichen Thematisierungsmöglichkeiten« (Esposito 2007) bieten. Wenn beispielsweise ein namhafter Zeitschriftenherausgeber (FAZ vom 19.4.2010) anlässlich von Flugverboten aufgrund einer Aschewolke fordert, man möge doch einfach hinfliegen und ›richtige‹ Experimente machen, man möge sich auf »Empirie und Intuition« verlasen, statt auf Spielereien mit Computern, die der Volkswirtschaft Millionenschäden zufügen, so zeugt dies von einem fundamental anachronistischen Verständnis wissenschaftlicher Wissensproduktion, auf dessen Populismus eine Institution wie das Kolleg unverzüglich mit seiner Expertise zu reagieren hätte. Die hier beantragte Kolleg-Forschergruppe befasst sich insofern mit einem Gebiet, das seit einem halben Jahrhundert das Wissen und die Praxis von Wissenschaft und damit unsere Grundorientierung in der Welt fundamental verändert hat.
DFG-Verfahren Kolleg-Forschungsgruppen
 
 

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