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Die prädiktive Rolle der präverbalen Gestenkommunikation für die Entwicklung von Sprache und präschulischen Kompetenzen: Eine Längsschnittuntersuchung unter besonderer Berücksichtigung von Sprachentwicklungsverzögerung und Mehrsprachigkeit

Fachliche Zuordnung Entwicklungspsychologie und Pädagogische Psychologie
Allgemeine und Vergleichende Sprachwissenschaft, Experimentelle Linguistik, Typologie, Außereuropäische Sprachen
Förderung Förderung von 2012 bis 2019
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 222349122
 
Erstellungsjahr 2019

Zusammenfassung der Projektergebnisse

In dem Projekt wurde die gestische Kommunikation, insbesondere die Verwendung deiktischer Gesten als (klinisch relevante) Vorläuferfähigkeit der Sprachentwicklung untersucht. Im ersten Projektzeitraum wurde in experimentellen und semi-natürlichen Versuchsanordnungen die gestische und lautsprachliche Entwicklung von 80 Kindern längsschnittlich im Alter von 12, 14, 16, 18 und 21 Monaten erfasst, differenziert analysiert und mit den sprachlichen Fähigkeiten im Alter von 2;0 und 2;6 Jahren in Beziehung gesetzt. Dabei wurde die prädiktive Kraft deiktischer Gesten für sprachliche Kompetenzen bis zum Alter von 2;6 Jahren festgestellt. Demnach haben Kinder, die im Alter von 12 Monaten noch nicht mit dem ausgestreckten Zeigefinger zeigen (Indexfingerpoint), ein deutlich höheres Risiko für eine Sprachentwicklungsverzögerung (SEV) als Kinder, die bereits mit 12 Monaten Indexfingerpoints produzieren. Es ergaben sich auch bis zum Alter von 18 Monaten noch Unterschiede in der Häufigkeit des Gebrauchs der deiktischen Gesten, die die Kinder mit SEV verglichen mit den sprachlich typischen Kindern im Alter von 18 Monaten insgesamt häufiger nutzten. Die Analysen der Teilstichprobe Bielefeld ergaben außerdem, dass sich Kinder mit unterschiedlichen Sprachentwicklungsverläufen auch darin unterscheiden, wie sie Zeigegesten mit lautsprachlichen Mitteln kombinierten: während die sprachlich typischen Kinder zwischen ihrem 14. und 16. Monat zunehmend häufiger Zeigegesten mit Wörtern nutzten, verwendeten die später sprachlich verzögerten Kinder im Verlauf eher häufiger Zeigegesten ohne lautsprachliche Mittel. Aus den Ergebnissen des ersten Projektzeitraums ergaben sich für den zweiten Projektzeitraum weiterführende Fragestellungen in Bezug (a) auf die Prädiktivität der Pointing-Gesten sowie möglicherweise auch anderer gestischer Kompetenzen für die Sprachentwicklung einsprachig aufwachsender Kinder, (b) darauf, ob diese Prädiktivität auch auf mehrsprachig aufwachsende Kinder zutrifft, und (c) auf den gestischen und lautsprachlichen Input der Bezugspersonen als mögliche Erklärung der Zusammenhänge sowie der Unterschiede zwischen den sprachlich typischen und verzögerten Kindern. Die Untersuchung der weiteren gestischen und sprachlichen Entwicklung der Kinder bis zum Alter von 6;0 Jahren am Standort Dortmund zeigte, dass die Verwendung des Indexfingerpoints im Alter von 12 Monaten prädiktiv für rezeptive und produktive Fähigkeiten im Bereich Lexikon und Grammatik sowie für das phonologische Arbeitsgedächtnis im Alter von 3;0, 4;0, 5;0 und 6;0 Jahren ist, und die Kinder mit SEV (n = 10) auch bis zum Alter von 6;0 Jahren in fast allen gestischen und sprachlichen Parametern schlechtere Ergebnisse als die typisch entwickelten Kinder erreichten. Für die Stichprobe der mehrsprachig aufwachsenden Kinder (n = 42) konnte ebenfalls festgestellt werden, dass die Kinder mit einer SEV (n = 10) deutlich seltener (30%) bereits mit 12 Monaten Indexfingerpoints in der Kommunikation einsetzten als sprachlich typisch entwickelte Kinder (75%). Ein Vergleich der Ergebnisse der mehrsprachigen Kinder zur einsprachigen Stichprobe zeigt jedoch auch, dass ein deutlich höherer Anteil der mehrsprachigen, sprachlich typisch entwickelten Kinder im Alter von 12 Monaten noch nicht mit dem Indexfinger zeigt (25%). Die weiteren Analysen des Inputs der Bezugspersonen adressierten zum einen das kontingente Antwortverhalten auf verschiedene gestische und multimodale Verhaltensweisen der Kinder, zum anderen Aspekte wie die dekontextualisierte Sprache und deren Zusammenhang mit den späteren sprachlichen Fähigkeiten der Kinder. Dabei zeigte sich in Bezug auf das kontingente Antwortverhalten für die Zeitpunkte 12 und 16 Monate, dass Bezugspersonen signifikant mehr verbale Antworten auf die Indexfingerpoints ihrer 12 Monate alten Kinder sowie auf deren Indexfinger-Wort-Kombinationen gaben als auf Handpoints, und diese Antworten auch mit späteren sprachlichen Fähigkeiten korrelierten. Vergleiche der Gruppe der Kinder mit SEV mit den sprachlich typischen Kindern zeigten im Alter von 14 Monaten Unterschiede im Antwortverhalten: die Bezugspersonen der sprachlich typischen Kinder äußerten mehr verbale Antworten pro Geste nach Indexfingerpoint-Wort-Kombinationen als die Bezugspersonen der sprachlich verzögerten Kinder. In Bezug auf die dekontextualisierte Sprache wurde festgestellt, dass frühe Formen dekontextualisierter Sprache bereits mit 12 Monaten im Input vorhanden sind und damit deutlich früher als bislang angenommen.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

 
 

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