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Stressreaktionsprofil und -determinanten in simulierten Notfallsituationen: Studien im Simulationszentrum Düsseldorf

Fachliche Zuordnung Persönlichkeitspsychologie, Klinische und Medizinische Psychologie, Methoden
Förderung Förderung von 2006 bis 2012
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 22279791
 
Erstellungsjahr 2012

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Sog. Full-scale Simulatoren stellen ein mittlerweile etabliertes Setting zur Aus- und Weiterbildung in der Anästhesiologie dar. Dabei wurden bisher vor allem medizinische Fertigkeiten im Umgang mit kritischen Notfallsituationen trainiert und die Erfolge des Trainings evaluiert. Die Verwendung des Simulationssettings zur Untersuchung möglicher endokriner und psychischer Stressreaktionen in simulierten Notfallsituationen fehlte bisher. Im vorliegenden Projekt wurden deshalb zwei Experimente zur Kennzeichnung der Stressreaktionen und –reaktionsprofile und zur Manipulation stressrelevanter Situationsmerkmale in simulierten Notfallsituationen durchgeführt. In Exp. 1 wurde bei 34 Medizinstudierenden mit Wahlfach Anästhesiologie erstmals untersucht, in welchem Ausmaß eine simulierte kritische Notfallsituation (Reanimationsszenario) akute psychische und endokrine Stressreaktionen hervorruft und damit als akuter Stressor klassifiziert werden kann. Dazu wurde die simulierte Notfallsituation (SIM) mit einem etablierten Laborstressor (LS), nämlich der Rede vor einer Videokamera (als Positivkontrolle), und mit einer Ruhebedingung (als Negativkontrolle) verglichen. Verglichen mit der Ruhebedingung kam es unter beiden Stressoren zu einem Anstieg der psychischen und der endokrinen Stressreaktion. Die psychische Stressreaktion im SIM überstieg dabei die Reaktion im LS. Die medizinische Leistung im SIM korrelierte positiv mit dem Cortisolanstieg im LS. Dies legt nahe, dass eine hohe Stressreagibilität ein Prädiktor für eine gute medizinische Leistung sein kann. Insgesamt wurde die simulierte Notfallsituation als valider und intensiver Stressor ausgewiesen. In Exp. 1 konnten zudem substantielle Zusammenhänge zwischen habituellen Variablen, die mit dem Konzept der Kontrolle assoziiert sind (i.e., allgemeine und spezifische Kontrollüberzeugungen sowie kontrollorientierte Copingstrategien) und der medizinischen Leistung sowie der psychischen Stressreaktion aufgezeigt werden: Regressionsanalytisch erwiesen sich die anästhesie-spezifische fatalistische Externalität und Situationskontrolle als signifikante Prädiktoren der medizinischen Leistung mit jeweils negativen Regressionskoeffizienten. Diese Daten liefern Ansatzpunkte dafür, Module zur Modifikationen von Kontrollüberzeugungen und ausgewählten Copingstrategien in das Simulationstraining – auch unter Berücksichtigung geschlechtsspezifischer Ansatzpunkte – zu integrieren. In Exp. 2 wurde in Anlehnung an Grundlagenexperimente zu den Auswirkungen unkontrollierbarer aversiver Ereignisse („gelernte Hilflosigkeit“) erstmals in einem Simulationssetting eine Jochkontrollprozedur eingesetzt. Vierundzwanzig Medizinstudierende (12 Männer, 12 Frauen) hatten an Tag 1 des zweitägigen Versuchs durch ihre Interventionen zur Behandlung von Narkosekomplikationen entweder Kontrolle über den medizinischen Zustand des Patienten (Gruppe Kontrollierbar) oder aber die Ereignisse waren nur durch das Verhalten des Jochkontrollpartners der Kontrollierbarkeitsgruppe determiniert (Gruppe Unkontrollierbar). Tag 2 beinhaltete ein Reanimationsszenario, bei dem beide Gruppen (wieder) Kontrolle durch ihre eigenen Interventionen hatten. Erfasst wurden die psychische und endokrine Stressreaktion (an Tag 1 und 2) sowie die medizinische Leistung bei einer Reanimation (an Tag 2). Entgegen der Erwartung führte Unkontrollierbarkeit nicht zu einer schlechteren, sondern zu einer besseren medizinischen Leistung an Tag 2, zurückzuführen auf die männlichen Probanden. In der psychischen Stressreaktion zeigte sich an Tag 2 in der Gesamtgruppe und speziell bei Frauen ein signifikant höherer Ausgangswert der psychischen Stressreaktion nach Unkontrollierbarkeit. In der endokrinen Stressreaktion manifestierten sich die Effekte der Unkontrollierbarkeit ebenfalls in einer (hier tendenziell) höheren Stressreaktion schon bei Versuchsbeginn an Tag 2 und speziell bei Frauen auch in einem stärkeren Cortisolanstieg (p < 0.10). Die Befunde belegen somit ein differentielles Profil der Transfereffekte von Unkontrollierbarkeit auf nachfolgende kontrollierbare Notfallsituationen. Notfallszenarien in Full-Scale-Simulatoren stellen ein wichtiges Untersuchungsparadigma für eine ökologisch valide Stressforschung und für die Entwicklung adaptiver leistungsfördernder und stressreduzierender Trainingsprogramme im Simulator dar. Die hier berichteten Effekte müssen nun bei Anästhesisten unterschiedlicher Berufserfahrung überprüft werden.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • (2008). Endokrine und psychische Stressreaktionen in einer simulierten Anästhesienotfallsituation. In: J. Rosendahl & B. Strauß (Hrsg.). Psychosoziale Aspekte körperlicher Krankheiten (S. 236). Lengerich: Pabst
    Keitel, A., Ringleb, M., Schwartges, I., Weik, U., Picker, O., Stockhorst, U. & Deinzer, R.
  • (2009). Endokrine und psychische Stressreaktionen in einer simulierten Anästhesienotfallsituation. In: A. Widmann, S. K. Andersen, A. D. Frederici, T. C. Gunter, S. A. Kotz, M. M. Müller & E. Schröger. (Hrsg). 35. Arbeitstagung Psychophysiologie und Methodik (S. 72). Leipzig: Leipziger Universitätsgesellschaft GmbH
    Keitel, A., Ringleb, M., Schwartges, I., Weik, U., Picker, O., Stockhorst, U. & Deinzer, R.
  • (2009). Psychische und endokrine Stressreaktion auf einen kritischen Zwischenfall während einer Anästhesie in einem Full-Scale-Simulator. Deutscher Anästhesistenkongress Leipzig, 12.05.2009
    Schwartges, I., Picker, O., Keitel, A., Ringleb, M., Deinzer, R. & Stockhorst, U.
  • (2010). Assoziationen zwischen medizinischer Leistung in einer simulierten Notfallsituation und kontrollbezogenen Persönlichkeitsmerkmalen. (Schnittstellen – Gemeinsamer Kongress der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Psychologie (DGMP) und der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Soziologie (DGMS)), Gießen, 15. – 18. September 2010. In: Deinzer, R., Kupfer, J., Pauli-Pott, U. (Hrsg.): Zeitschrift für Medizinische Psychologie Sonderheft 2010, S. 57
    Ringleb, M., Keitel, A., Schwartges, I., Weik, U., Picker, O., Deinzer, R., Stockhorst, U.
  • (2011). Effekte von Unkontrollierbarkeit auf Stressreaktionsprofile in simulierten Anästhesienotfallsituationen. Tagungsprogramm. Abstracts, Psychologie und Gehirn 2011 (Heidelberg 23.-25.06.2011). S. 237
    Ringleb, M., Keitel, A., Schwartges, I., Weik, U., Picker, O., Deinzer, R. & Stockhorst, U.
  • (2011). Endocrine and psychological stress responses in a simulated emergency situation. Psychoneuroendocrinology, 36, 98-108
    Keitel, A., Ringleb M., Schwartges I., Weik, U., Picker, O., Stockhorst, U., Deinzer, R.
  • Deutsche Gesellschaft für Psychophysiologie und ihre Anwendung (DGPA), „Psychologie und Gehirn, 2011“, Heidelberg. Effekte von Unkontrollierbarkeit auf Stressreaktionsprofile in simulierten Anästhesienotfallsituationen. 24.06.2011
    Ringleb, M., Keitel, A., Schwartges, I., Weik, U., Picker O., Deinzer, R., & Stockhorst, U.
  • (2012). Endokrine und subjektive Stressreaktionen im Rahmen simulierter Notfallsituationen: Studien in einem Full-Scale-Patientensimulator. Universität Osnabrück. E-Dissertation. FB 08
    Keitel, A.
  • (2012). Stressreaktionsprofil – und determinanten bei simulierten Notfallsituationen in einem Full-Scale-Simulator: Effekte unterschiedlicher Kontrollierbarkeit. Universität Osnabrück. E-Dissertation. FB 08
    Ringleb, M.
 
 

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