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Ab-initio Modellierung der Oxidation bimetallischer Legierungen

Fachliche Zuordnung Materialwissenschaft
Förderung Förderung von 2006 bis 2011
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 22464283
 
Erstellungsjahr 2011

Zusammenfassung der Projektergebnisse

In diesem Projekt wurden zwei deutlich unterschiedliche bimetallische Systeme im Rahmen von quantenmechanischen ab-initio Berechnungen auf der Grundlage der Dichtefunktionaltheorie untersucht. Einerseits konnten wir damit zur Aufklärung der thermodynamischen Stabilität und der katalytischen Aktivität von gemischten Oxidphasen auf Oberflächen der Edelmetalllegierung PdPt beitragen. Andererseits verfolgten wir in einer Reihe von ab-initio molekulardynamischen Simulationen die Entstehung dünner Oxidschichten auf CoCr-Legierungssystemen, die vor allem im Bereich medizinischer Implantate Anwendung finden. Trotz intrinsischer Unterschiede der beiden betrachteten Bimetalle zeigte ein Vergleich beider Systeme ein analoges Verhalten hinsichtlich der Oberflächensegregation in Abwesenheit von Sauerstoff. In beiden Fällen beobachteten wir die Anreicherung des Elements mit der niedrigeren Elektronegativität, also Pt und Co, in der ersten Oberflächenlage. Dies ist besonders im Fall von PdPt interessant, weil Pd eine geringere Oberflächenenergie als Pt aufweist. Das erklärt insbesondere das unerwartete Auftreten von sogenannten „Pt-Häuten“ in verschiedenen Pt-reichen Legierungen – eine wichtige Voraussetzung für ihre besonderen katalytischen Eigenschaften. In Anwesenheit einer Sauerstoffatmosphäre wurde dagegen die präferentielle Oxidation der elektronegativeren Elemente Pd bzw. Cr beobachtet, was der allgemeinen Erwartung entspricht. Überraschend war aber die starke Kooperativität beider Elemente während der Oberflächenoxidation von CoCr-Legierungen. Es zeigte sich, dass die Oxidation von reinem Co durch die spontane Bildung von pseudoamorphen Strukturen mit einer Co3O4-ähnlichen Zusammensetzung abläuft, in guter Übereinstimmung mit experimentellen Befunden. Dagegen oxidiert reines Cr lagenweise (layer-by-layer) durch thermisch aktivierte Bildung eines kristallinen Oxids in Epitaxie zum Substrat. Interessant ist dabei die oft beobachtete Entstehung von Chromat- und Dichromat-ähnlichen Strukturen als charakteristisches Merkmal der Oxidbildung auf Cr-haltigen Oberflächen, welche der erwarteten Bildung von Cr2O3 vorausgeht. MD-Simulationen von CoCr-Legierungssystemen zeigten, dass die Oxidation der Legierung anders als im Fall der reinen Metalle abläuft. Trotz der höheren Sauerstoffaffinität von Cr bildet sich zuerst ein an Co-Atomen reiches amorphes Netzwerk, welches das präferentielle Austreten von Cr-Atomen und die Diffusion von O-Atomen unter die Oberfläche begünstigt. Durch diesen Mechanismus wird der Prozess der selektiven Oxidation von Cr schon in der ersten Anfangsphase der Oxidation auch bei niedrigen Temperaturen initiiert. Für Kobalt, Chrom und die Legierung CoCr konnten im Rahmen des Projektes die atomaren Mechanismen der Oxidationsreaktionen aufgeklärt werden. Es konnten Angaben zu der Oxidstruktur, den atomaren Ladungen, der Magnetisierung und der Energetik des Prozesses gemacht werden. Diese Informationen waren im Vorfeld unbekannt und mit anderen Techniken nur schwer einsehbar. Theoretische Studien zu diesem Thema auf der Basis der Dichtefunktionaltheorie sind laut des Wissens der Antragsteller nicht vorhanden. Experimentelle Ergebnisse über die chemische Zusammensetzung der oxidierten Co-, Cr- und CoCr- Oberflächen sind zwar vorhanden, jedoch fehlen Arbeiten, die strukturelle Informationen und Angaben über die Oxidationsmechanismen liefern. Die Oxidation von PdPt-Legierungen findet stattdessen bekannterweise nur bei höheren Temperaturen statt. Als wichtiges und unerwartetes Ergebnis unserer ab-initio Berechnungen konnten wir zeigen, dass in einem für die katalytische Oxidation von Kohlenwasserstoffen wichtigen Temperaturbereich eine Entmischung der Legierung mit Bildung von PdO-, PtO2- bzw. Pt3O4-Strukturen als Folge der Oxidationsreaktionen stattfinden sollte. In der Tat erwiesen sich manche Pt3O4- und PdO-artigen Oberflächenoxide als katalytisch aktiv bei der Spaltung von Methan und der Bildung von Oxidationsprodukten, insbesondere Methanol. Im Allgemeinen konnte festgestellt werden, dass je stabiler die Oxidstrukturen sind, desto ungünstiger ist die Tendenz zur Methanspaltung. Daher ist eine hohe katalytische Aktivität nur in relativ engen Bereichen von Temperatur und O2-Partialdruck zu erwarten, was den meisten experimentellen Beobachtungen entspricht. Obwohl die erzielten Ergebnisse in sich abgeschlossen sind, bestehen zahlreiche Möglichkeiten, auf den erzielten Ergebnissen weitere Simulationen aufzubauen. Für das CoCr-System wäre der nächste Schritt die Einbindung von weiteren Legierungskomponenten (z.B. Mo) in das System und eine Analyse von deren Wirkung auf das Oxidationsverhalten der gesamten Legierung. Zum Teil waren solche Untersuchungen schon geplant, sie wurden aber aufgrund begrenzter Rechenkapazitäten nicht im Rahmen dieses Vorhabens ausgeführt. Weiterhin könnten nun, nachdem Strukturmodelle von dünnen Oxidschichten auf Co-, Cr- und CoCr-Oberflächen erfolgreich etabliert worden sind, Simulationen zur Adsorption von Biomolekülen auf der oxidierten CoCrMo-Oberfläche durchgeführt werden. Solche Simulationen involvieren jedoch Tausende von Atomen und benötigen Zeitskalen von einigen Nanosekunden, was eine Erweiterung auf größere Simulationsskalen erforderlich macht. Um die Oberfläche derartig zu modellieren, muss ein klassisches interatomares Potential entwickelt werden. Die Parametrisierung der analytischen Form des Potentials basiert dabei auf Angaben über Struktur, Ladungsverteilung, Spannungen und atomaren Wechselwirkungen, welche in diesem Projekt mittels ab-initio Techniken erzielt wurden. Für das PdPt-System steht eine Analyse der detaillierten Mechanismen der kompletten Methanoxidation noch aus und wird gegenwärtig in extensiven Berechnungen untersucht. Der aktuelle Stand der experimentellen Kenntnisse über die tatsächlich aktiven Stellen für die katalytische Oxidation von Kohlenwasserstoffen auf PdPt-Nanoteilchen zeigt nach wie vor kein eindeutiges Bild. Weitere Untersuchungen von elementaren Reaktionen werden noch benötigt, insbesondere die Berechung von Energiebarrieren, welche die Einbindung der Ergebnisse in mesoskaligen Modellen, z.B. für kinetische Monte-Carlo-Simulationen der katalytischen Prozesse, ermöglichen würde. Über das System PdPt hinaus, lassen sich die erzielten methodischen Erkenntnisse auch auf andere binäre Mischungen von Übergangsmetalloxiden anwenden. Diese gewinnen im Bereich der Sensorik zunehmend an Bedeutung, wo bimetallische Metalloxidnanoteilchen als aktive Komponente verwendet werden. Diesbezügliche Untersuchungen sind Gegenstand eines weiteren Vorhabens. Was die wirtschaftliche Verwertbarkeit unserer Ergebnisse betrifft, erscheinen uns die erlangten neuen Erkenntnisse wirtschaftlich bedeutungsvoll, obwohl die Ziele dieses Verbundprojektes primär von wissenschaftlicher Natur waren. Die gewonnenen Erkenntnisse können als solide Basis für die Vorbereitung weiterer, mehr technologisch orientierter Projekte dienen. Vor allem in den Anwendungsgebieten der Medizintechnik, der Katalyse und der Sensorik werden die Antragsteller den Kontakt zu angewandten Forschungsinstituten (z.B. der Fraunhofer Gesellschaft) und Firmen suchen. Erste Gespräche haben bereits mit dem Fraunhofer IFAM in Bremen stattgefunden, um die in diesem Projekt entwickelten Simulationsstrategien an Modellen von Elektrodenmaterialien für neuartige Metall/Luft-Batterien anzuwenden.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • Ab initio simulations of the initial oxidation of CoCr alloy surfaces, inSiDE - Innovatives Supercomputing in Deutschland 6, 14-19, 2008
    J. Zimmermann, L.C. Ciacchi
  • Ab initio study of element segregation and oxygen adsorption on PtPd and CoCr binary alloy surfaces, Surface Science 602, 876-884, 2008
    A. Dianat, J. Zimmermann, N. Seriani, M. Bobeth, W. Pompe, L.C. Ciacchi
  • DFT modelling of oxygen adsorption on CoCr surfaces, In: W.E. Nagel, D. Kröner, M. Resch, Eds., High Performance Computing in Science and Engineering '07, Springer Verlag, Berlin, 173-186, 2008
    J. Zimmermann, L.C. Ciacchi
  • DFT study of the thermodynamic stability of Pd-Pt bulk oxide phases, Journal of Physical Chemistry C 112, 13623-13628, 2008
    A. Dianat, N. Seriani, M. Bobeth, W. Pompe, L.C. Ciacchi
  • Dissociative adsorption of methane on surface oxide structures of Pd-Pt alloys, Journal of Physical Chemistry C 113, 21097-21105, 2009
    A. Dianat, N. Seriani, L.C. Ciacchi, W. Pompe, G. Cuniberti, M. Bobeth
  • Atome auf dem Basar, Bild der Wissenschaft Plus, November 2010, pp. 16-19
    J. Zimmermann
  • Atomistic modeling of the oxidation of titanium nitride and cobalt-chromium alloy surfaces, Dissertation, ISBN 978-3-8322-9020-7, Shaker Verlag GmbH, Aachen, 2010
    J. Zimmermann
  • Mechanisms of initial oxidation of the Co(0001) and Cr(110) surfaces, Journal of Physical Chemistry C 114, 6614-6623, 2010
    J. Zimmermann, L.C. Ciacchi
  • Origin of the selective Cr oxidation in CoCr alloy surfaces, Journal of Physical Chemistry Letters 1, 2343-2348, 2010
    J. Zimmermann, L.C. Ciacchi
 
 

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