RNA-gesteuerte Peptidsynthese über Peptidyltransferreaktionen an Peptid-Nukleinsäurekonjugaten
Organische Molekülchemie - Synthese, Charakterisierung
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Im Forschungsprojekt wurde eine chemische Reaktion entwickelt, die zur Bildung einer biologisch aktiven Substanz führt und nur dann abläuft, wenn RNA-Moleküle einer bestimmten Sequenz vorliegen. Die Reaktion basiert auf einem RNA-gesteuerten Peptidyltransfer, der in Grundzügen einem Schritt der ribosomalen Peptidsynthese ähnelt. In der Reaktion bindet das RNA-Templat zwei reaktive Peptid-PNA-Konjugate. Ein thioesterverknüpftes Peptid-PNA-Konjugat übernimmt die Rolle eines Acyldonors, durch den ein Peptidylrest auf ein Akzeptorkonjugat übertragen wird. Zu diesem Zweck enthält das Akzeptorkonjugat einen N-terminalen Cysteinrest, so dass der Peptidyltransfer nach dem Mechanismus der Native Chemical Ligation (NCL) erfolgen kann. Durch Variation der RNA-Templatarchitektur, der Länge von Donor- und Akzeptorpeptiden sowie der Thioesterstruktur wurden die Voraussetzungen für effektiven Peptidyltransfer ergründet. Fernziel ist es, die Peptidyltransferreaktion im Inneren eine Zelle durch zellendogene RNA auszulösen. In diesem Szenario werden RNA-Moleküle, die z.B. in Tumorzellen verstärkt exprimiert werden, die Bildung eines Peptids induzieren, das in einer feedback-Schleife das Wachstum der Krebszelle inhibiert. Zellendogene RNA- Template liegen meist nur in niedriger Konzentration vor. Die Konzentration der anvisierten Protein-Targets ist hingegen deutlich höher. Von besonderem Augenmerk war daher, zu klären, wie das Reaktionssystem entworfen werden muss, damit ein RNA-Templat in die Lage versetzt wird, die Bildung mehrerer Peptidprodukte zu induzieren. Die Untersuchungen der chemischen Grundlagen widmeten sich der Entwicklung von Reaktionssystemen, die Ansatzpunkte für zelluläre Studien bieten könnten. Die RNA-Templatarchitektur und die Länge der Donor- und Akzeptorpeptide wurde am Beispiel eines 16 AS langen proapoptotischen Peptids des Bak-Proteins (AS 72 – 87) variiert. Darüber hinaus wurde der Peptidyltransfer auch anhand eines cytotoxischen, amphiphatischen Peptid-14mers untersucht. Überraschenderweise wurde offenkundig, dass die Länge der beteiligten Peptide keine Rolle spielt. Dieser Befund ist von Vorteil, wird doch die generelle Anwendbarkeit erleichtert. Ein langes Peptid wird so schnell auf einen kurzen Akzeptor übertragen wie ein kurzes Peptid auf einen langen Akzeptor. Einen kritischen Einfluss übt hingegen die Aminosäure am C-Terminus des Thioesters aus. Je höher die Reaktivität dieser Acylgruppe, desto rascher erfolgt die templatgesteuerte Transferreaktion und desto höher sind die am Templat erzielbaren Wechselzahlen. Eine hohe Bedeutung kommt der Templatarchitektur zu. Der Peptidyltransfer erfolgte in höchster Geschwindigkeit, wenn die gebundenen PNA-Konjugate durch zwei ungepaarte Templatnukleotide getrennt werden. Hinsichtlich der biologischen Aktivität der Transferprodukte muss die Position des für die NCL nötigen Cysteins bedacht werden. Die Resultate des Projekts zeigen, dass sowohl am Bak-Peptid als auch an einem Stat3-Inhibitor-Phosphopeptid Positionen gefunden werden, die die biologische Aktivität unbeeinträchtigt lassen. Beim cytotoxischen KLAKLAK-Peptid bewirkte Cysteinsubstitution sogar eine Aktivitätserhöhung. Es ist daher nicht notwendig, wie ursprünglich im Projektantrag antizipiert, Transferreaktionen an mercaptofunktionalisierten Aminosäuren zu entwickeln. Untersuchungen an Reaktionen mit substöchiometrischen Templatmengen zeigen, dass 10 nM RNA-Templat ausreicht, um die Bildung von 10^2 nM Produkt zu induzieren. Eine 10 nM Konzentration entspricht 2000 Kopien eines mRNA-Moleküls in HeLa-Zellen (3000 fL Zellvolumen), was für Transkripte amplifizierter Gene in Krebszellen typischerweise erreicht wird. Wie durch Proteinbindungsassays mit rekombinanten Proteinen und Proteinen in Zelllysat demonstriert werden konnte, genügen 10^2 nM Transferprodukt, um eine inhibitorische Wirkung zu erzielen. Als weiterer Schwerpunkt des Vorhabens wurde eine Phosphotyrosintransferreaktion entwickelt, die zu einem Produkt führt, das Stat3 bindet und damit die Expression Stat3-abhängiger Gene inhibieren könnte. Durch Experimente in Zelllysat wurde gezeigt, dass die Hydrolyse der Thioester langsam erfolgt. Als stabil erwiesen sich Mercaptopropionat-basierte Thioester, die selbst nach 3 h nur zu 5 % gespalten wurden. Da jedoch die Dephosphorylierung rasch erfolgt (t½ ≈ 60 min) ist es wichtig, schnellere Thioester wie z.B. S-Acyl-Cystein einzusetzen, die auf dem Templat innerhalb weniger Minuten 10^2 nM Produkt liefern. Bei Untersuchungen zu Umsetzungen mit substöchiometrischen RNA-Templatmengen wurde beobachtet, dass Guanidino-PNA-Konjugate (GPNA) bemerkenswerterweise ca. 10-mal rascher reagierten als die PNA-Konjugate. Mit der Verwendung von GPNA wird also nicht nur Zellgängigkeit vermittelt, sondern auch die Effizienz der Peptidyltransferreaktion erhöht. Diesem Befund kommt in Folgearbeiten hohe Bedeutung zu. Erste Untersuchungen zeigen, dass die Peptid-GPNA-Konjugate Zellen penetrieren und an Zielproteine binden. Die in dem Projekt gewonnenen Erkenntnisse geben Kriterien an die Hand, die die Auswahl der Verknüpfungsstellen und die Gestaltung reaktiver Gruppen in RNA-gesteuerten Peptidyltransferreaktionen leiten. Dies und die überraschenden Eigenschaften von GPNA rücken das Fernziel, RNA-programmierte Peptidyltransferreaktionen in lebenden Zellen führen zu können, näher.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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"Cytotoxic peptide-PNA conjugates obtained by RNA-programmed peptidyl transfer with turnover". Chem. Sci. 2014, 5, 2850-2854
O. Vazquez, O. Seitz
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"Templated native chemical ligation: peptide chemistry beyond protein synthesis". J. Pep. Sci. 2014, 20, 78-86
O. Vazquez, O. Seitz
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"Potential of Proapoptotic Peptides to Induce the Formation of Giant Plasma Membrane Vesicles with Lipid Domains". ChemBioChem 2015, 16, 1288-1292
D. Lauster, O. Vazquez, R. Schwarzer, O. Seitz, A. Herrmann
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„Maximizing output in RNA-programmed peptidyl transfer reactions“. ChemBioChem 2017
M. Di Pisa, A. Hauser, O. Seitz