Erweiterung des Prozessverständnisses und der Anwendungsfelder für das Längsnaht-Hochfrequenzschweißen von Rohren durch Verfahrensabbildung mittels Modellprozess und Finiter Elemente Simulation
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Insgesamt zeigen die bislang gewonnenen Ergebnisse, dass von dem Prozessverhalten beim HF-Schweißen auf die Schweißnahtausbildung und die Verbindungseigenschaften geschlossen werden kann. Demzufolge sind durch eine gezielte Prozessbeeinflussung der Schweißnahtaufbau und die Verbindungsqualität belastungsangepasst einstellbar. Wie die Untersuchungen gezeigt haben, können durch eine Schutzgaszuführung Schweißnahtdefekte, wie Risse oder erhöhte Oxidgehalte in der Schweißnaht verhindert werden. Grund dafür ist, dass mit einem fokussierten Schutzgasstrom der Oxidgehalt reduziert und Lichtbogenüberschläge, die zu dem Grenzwerteffekt Penetrator-Defekt im oberen Energiebereich führen, vermieden werden. Die mit dem Schutzgas verbundene Verringerung der Energie führt dazu, dass der hohe Stauchdruck, der zu einer Verbesserung der Verbindungseigenschaften führt, nicht aufgebracht werden kann. Der Grund hierfür ist die unzureichende Plastizität des Nahtbereiches, die vor allem bei hochfesten Stählen dazu führt, dass die Blechkanten während des Stauchvorgangs übereinander geschoben werden. Durch die Prozessobservation mit der Hochgeschwindigkeitskamera wurden neue Erkenntnisse über das zeitliche Auftreten und das Verhalten der Grenzwerteffekte gewonnen. Mit Hilfe der Thermographiekamera waren nur grobe Abschätzungen über das thermische Verhalten des Hochfrequenzschweißprozesses möglich, da bei Schweißgeschwindigkeiten bis 30 m/min die Abtastrate der Kamera zu gering war. Das Schweißen unter Sauerstoffeinfluss bei der Schweißnahtbildung führt zu einer Kohlenstoffverarmung an den Bandkanten und somit in der späteren Fügelinie zu einer Ferritisierung. Demzufolge sind die Legierungsbestandteile für die Schweißnahtbildung von Bedeutung, da die Verbindungsenthalpie temperaturabhängig für Begleitelemente wie Kohlenstoff, Mangan und Silizium eine Sauerstoffreaktion begünstigt. Diese Temperaturen werden beim Hochfrequenzschweißen an den Bandkanten erreicht, insbesondere in den Grenzwertbereichen bei hoher Energieeinbringung. Dadurch lassen sich die in den Schweißverbindungen gefundenen Mangan- und Siliziumoxide erklären. Das Auftreten der Oxideinschlüsse wird auch in der Literatur erwähnt. Der von Kim postulierte Grenzwert des Mn/Si-Verhältnisses für das Auftreten des Penetrator-Defekts konnte im Rahmen der Untersuchungen aber nicht bestätigt werden. Die Ausprägung des Penetrator- Defekts und das Prozessfenster werden von der Werkstoffzusammensetzung beeinflusst. Aber der Grenzwerteffekt, der zum Penetrator-Defekt führen kann und der Penetrator-Defekt selbst hängen in der Hauptsache vom Energieeintrag ab. Somit stellt das Auftreten des Penetrator- Defekt die obere Prozessgrenze dar. Die angestrebte simulative Prozessabbildung konnte in Gänze umgesetzt werden. Hierzu erfolgte die Erstellung eines ganzheitlichen Finite-Elemente-Modells, bestehend aus verschiedenen Teilmodulen. Zur Darstellung der Bandkantenerwärmung wurde ein Modul zur gekoppelten elektrisch-thermischen Analyse implementiert. Die 3-dimensionale Realstruktur wird dabei zwecks effizienter Gestaltung durch eine Vielzahl 2-dimensionaler Schnittebenen diskret abgebildet. Über die Bestimmung von Schmelzraten ab dem Bandkantenkonvergenzpunkt sind dabei auch Aussagen über die sich energieabhängig einstellende Schweißspaltgeometrie möglich. Über ein elastisch-plastisches Modul zur Verformungsanalyse kann nach Ermittlung der Temperaturverteilung in den Bandkanten die Wulstausbildung durch den Stauchprozess unterhalb der Liquidustemperatur erwärmter Werkstoffbereich abgebildet werden. Zur Berechnung der im Prozess auftretenden Schmelzbadverdrängung durch die wirkenden elektromagnetischen Felder wurde ein strömungsmechanisches Volume of Fluid Modul entwickelt. Durch Modellversuche konnte in diesem Zusammenhang eine maßgebliche Verknüpfung mit den wirkenden Mechanismen bei der Bildung von Schweißnahtfehlern in Form von Oxideinschlüssen unter Nutzung optimaler Prozessfenster hergestellt werden. Alle erzeugten Module des Gesamtmodells wurden anhand der Gegenüberstellung mit Ergebnissen des realen Schweißprozesses validiert. Es zeigte sich eine sehr hohe Abbildungsgenauigkeit.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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Abbildung des Längsnaht-Hochfrequenzschweißen von Rohren mittels eines Modellprozesses. Tagungsband zum 17. Werkstofftechnischen Kolloquium, Schriftreihe: Werkstoffe und werkstofftechnische Anwendungen, Bd. 052 (2014), S. 159-163, Chemnitz
Wesling, V., Schram, A., Willmer, S.J.
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Untersuchung der Oxidationsvorgänge beim Längsnaht-Hochfrequenzschweißen. Tagungsband zum 1. Niedersächsischen Symposium Materialtechnik (2015), S. 195-204, Clausthal-Zellerfeld, Shaker Verlag Aachen, ISBN 978-3-8440-3403-5
Wesling, V., Schram, A., Willmer, S.J.
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Vermeidung von Oxidationsvorgängen beim Längsnaht-Hochfrequenzschweißen. DVS-Berichte, Bd.314 (2016), S. 78-82
Wesling, V., Schram, A., Willmer, S.J.