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Musik und Konfessionskonflikt. Die geistlichen Kompositionen von Michael Praetorius (1571/72-1621)

Antragstellerin Dr. Beate Agnes Schmidt
Fachliche Zuordnung Musikwissenschaften
Förderung Förderung von 2013 bis 2020
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 226657891
 
Im Fokus des Projektes steht die geistliche Musik von Michael Praetorius in ihrem funktionalen liturgi-schen und weltlichen Kontext kurz vor dem Ausbruch des Dreißigjährigen Krieges. Das erstaunlich vielfältige, längst nicht aufgearbeitete Werk umfasst sowohl Motetten im älteren Stil, über tausend einfache Kantionalsätze als auch zahlreiche Choralmotetten und großbesetzte geistliche Konzerte. Vor allem in den Konzerten experimentierte Praetorius mit imponierenden Klangwirkungen und mischte modernste italienische und englische Musikstile mit typisch deutschen Traditionen. Hinsichtlich seiner enzyklopädischen Gesamtkonzeption und theologischen Programmatik ist Praetorius' musikalisches Schaffen im frühen 17. Jahrhundert in Deutschland nahezu singulär. Gleichwohl wurde bislang kein grundlegender Versuch unternommen, dieses gewaltige Werk systematisch in seinen engen Wechselbeziehungen zwischen Ästhetik, Religion und Politik zu untersuchen. Der Hofkapellmeister an den lutherischen Fürstenhöfen von Braunschweig-Wolfenbüttel, Dresden und Halle verstand sich nicht nur als Musiker, sondern auch als Theologe und Musikgelehrter. Ein zentrales Anliegen seines theoretischen und ikonographischen Werkes war die lutherische Apologie der Kirchenmusik gegen calvinistische Forderungen, diese auf einfache Psalmengesänge zu reduzieren. Inwiefern auch sein musikalisches Schaffen von aktuellen konfessionspolitischen und besonders in-nerevangelischen Auseinandersetzungen beeinflusst wurde, soll in dem Projekt eingehend untersucht werden. Dazu werden Praetorius Werksammlungen unter Verwendung von Ansätzen der neueren Kulturwissenschaften im Zusammenhang mit ihren konkreten Entstehungsumständen und gesell-schaftlich funktionalen Kontexten gesehen. Besonders interessieren hier zum einen Aspekte wie höfi-sches Repräsentationsbedürfnis, späthumanistische Gelehrtendiskurse und private Frömmigkeit. Zum anderen fragt das Projekt nach musikkulturellen, rhetorischen und performativen Gesichtspunkten seiner Kirchenmusik, für die ihre liturgischen sowie weltlichen Aufführungsbedingungen rekonstruiert werden. Als Ausgangspunkt für die musikanalytischen Studien dienen Werke, die symptomatisch für die einzelnen Sammlungen stehen und charakteristisch Positionen lutherischer Kunstpolitik verkörpern: vom einfachen Gemeindegesang (Musae Sioniae VI-VIII) bis hin zur repräsentativen Mehrchörigkeit und persuasiven Klanginszenierung mit Vokal- und Instrumentalbesetzung (Motectae et Psalmi latini, Musae Sioniae I-IV, Urania und Polyhymnia Caduceatrix et Panegyrica) und der Pflege der tra-ditionellen, lateinischen liturgischen Musik (Missodia, Hymnodia, Eulogodia, Megalynodia). Durch die enge Verzahnung von Musik und konfessionspolitischem Hintergrund sind nicht nur neue Erkenntnisse über das Schaffen des Komponisten und Musikgelehrten Michael Praetorius, sondern auch über eine für vielfältige Einflüsse offene, lutherische Musikpraxis insgesamt zu erwarten.
DFG-Verfahren Sachbeihilfen
 
 

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