Music and Confessional Strife: The Sacred Music of Michael Praetorius (1571/72-1621)
Final Report Abstract
Das Projekt hatte sich die musik- und kulturwissenschaftliche Neubewertung des Komponisten Michael Praetorius zum Ziel gesetzt. In Absetzung von Forschungspositionen, die die konfessionelle Prägung von Musik in der Frühen Neuzeit zurückweisen, sollte der „lutherische" Hofkapellmeister Praetorius in seinen ästhetischen, religiösen und politischen Bezügen neu verstanden werden. Wie sich zeigte, verschränkte Praetorius musikalisches Werk und künstlerische Selbstvergewisserung mit konfessionskulturellen Fragen, religiösen Bekenntnissen und zeitgenössischen Zeit- und Ewigkeitsvorstellungen. Ausgangspunkt des Projektes war, Praetorius in seinen Handlungsfeldern als Hofkapellmeister, Eigentümer und Lehnsherren, Theologen, Kulturmanager, Orgelgutachter, Geschäftsmann, Hofsekretär, Musikschriftsteller und Gelehrten zu untersuchen und mit seinem künstlerischen Selbstverständnis zu verknüpfen. Wie charakterisiert Praetorius Autorschaft und auf welche traditionellen Topoi greift er zurück? Inwiefern beeinflussten lutherische Diskurse Individualität und Frömmigkeit des Komponisten, dessen Werk von der höfischen Aufführungspraxis und Auftragspolitik seiner lutherischen Dienstherren abhing? Die Untersuchungen haben erwiesen, dass Praetorius' musikalisches Werk am kursächsischen Hof durchaus lutherischer Propaganda diente. Darüber hinaus sind aber besonders seine Schriften Ausdruck eines Bewusstseins, das sich in Aufrufen zur Verteidigung von Luthers Lehren gegen Missbrauch, Irrtum und äußere Feinde angesichts eines nahenden Weltendes und einer Wiederkunft Christi wiederspiegelt. Praetorius' apokalyptisches Zeitverständnis basierte auf der Kenntnis von Abhandlungen lutherischer Theologen und beeinflusste die eschatologische Deutung seiner eigenen Werke, Titelholzschnitte und Selbstzeugnisse. Seine Vorstellung, unmittelbar vor dem heilsgeschichtlichen Weltende zu leben, wurde zur Triebfeder nicht nur für die großangelegten Sammlungen sämtlicher überlieferter Kirchenlieder, Instrumente, Spielpraxis und Musikstile moderner und vergangener Zeiten. Sie beeinflusste auch die Topik des Musikschrifttums des 17. Jahrhunderts: Im Encomium musicae demonstrierte der Fortschritt der zeitgenössischen Musik den göttlichen Vorgeschmack einstiger und kommender, seliger Vollkommenheit, aus dem Praetorius die Pflicht zum Schutz und der Pflege der Kirchenmusik sowie dem Gemeinwohl dienende, uneigennützige Veröffentlichungspläne ableitete. Die Untersuchung von Praetorius' Musikschrifttum ist ein Beitrag für die Erforschung der Diskursivierung musikhistorischen Wissens im 17. Jahrhundert, die für eine ganze Musikergeneration wie Heinrich Schütz, Samuel Scheidt oder Johann Hermann Schein Allgemeingut wurden. Musikenkomien der Frühen Neuzeit sind nach wie vor nicht systematisch untersucht, obwohl sich aus ihnen die heutige Musikgeschichtsschreibung entwickelte. Verschiedene Aspekte seines lutherischen Zeit- und Geschichtsverständnisses, Charakteristika seiner Sammlungen geistlicher Chor- und Konzertmusik, seiner kulturvermittelnden Tätigkeiten und seiner ersten Zusammenarbeit mit Schütz am Dresdener Hof wurden in Vorträgen sowie verschiedenen Artikeln und Aufsätzen bereits einem Fachpublikum präsentiert. Die in Bearbeitung befindliche Biographie führt schließlich Praetorius' Handlungsfelder zusammen und eröffnet mit einer Edition sämtlicher Lebensdokumente, die sein Wirken und seine Netzwerke veranschaulichen, künftiger Forschung zur Spätrenaissance und Frühbarock neue Perspektiven.
Publications
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Praetorius, Schütz und kursächsische Kunstpolitik, in: Schütz-Jahrbuch 38 (2016), S. 98-125
Beate Agnes Schmidt
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Michael Praetorius manu propria. Persönliche Bekenntnisse und Wahlsprüche in Selbstzeugnissen, in: Kirchenmusikalisches Jahrbuch 100 (2016), S. 65-96
Schmidt, Beate Agnes
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Angels and the Muses of Zion. Michael Praetorius and Cultural Exchange between the Danish and German Lutheran Courts before the Thirty Years’ War". Tracing the Jerusalem Code: Volume 2: The Chosen People Christian Cultures in Early Modern Scandinavia (153
Schmidt, Beate Agnes
