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Analyse der "Koordinationsregime" in parlamentarischen Demokratien als Antwort auf den Zielkonflikt zwischen intertemporaler Flexibilität und Stabilität der demokratischen Mehrheitsbildung

Fachliche Zuordnung Politikwissenschaft
Förderung Förderung von 2012 bis 2016
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 229827860
 
Erstellungsjahr 2017

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Das Projekt verfolgte drei zusammenhängende Zielsetzungen. Erstens wurden vier Typen parlamentarischer Regierungssysteme empirisch und theoretisch danach unterschieden, auf welcher Stufe des politischen Prozesses die demokratische Mehrheitsbildung erfolgt. Im „Partei“-Typ findet die Mehrheitsbildung auf Ebene der Parteibildung statt, im „Allianz“-Typ finden sich Parteien zu zwei Vorwahlblöcken zusammen, im „Regierungs“-Typ wird nach der Wahl eine Mehrheitskoalition gebildet und im „Gesetzgebungs“-Typ regiert eine Minderheitsregierung mit wechselnden Partnern im Parlament. Bestehende Studien behaupteten, die Mehrheitsbildung durch Vorwahlkoalitionen sei besonders „effizient“. Die Projektergebnisse zeigen, dass diese Schlussfolgerung wichtige demokratische Ziele außer Acht lässt, insbesondere die multidimensionale Repräsentation von Wählerpräferenzen sowie die Möglichkeit themenspezifischer Gesetzgebungskoalitionen im Parlament. Die umfassendere Zielkonflikt-Analyse erklärt, warum Demokratien wie Dänemark oder Finnland nicht „ineffizient“ sind und warum sie ihre Institutionensysteme nicht grundlegend reformiert haben. Zweitens wurde analysiert, inwieweit hybride Regierungssysteme eine Ziel-Balance herstellen können, die in parlamentarischen Regierungssystemen unerreichbar ist. Besonderes Augenmerk lag hierbei auf den Zweikammersystemen Australiens. Diese wurden zunächst in einer neuen Typologie von Regierungssystemen als „semi-parlamentarisch“ charakterisiert. Anschließend wurde theoretisch und empirisch ihr Potential zur Balancierung von Zielen belegt. Insbesondere können diese Systeme identifizierbare, verantwortliche und stabile Regierungen (in der ersten Kammer) mit einer repräsentativen und themenspezifischen Gesetzgebung (in der zweiten Kammer) verbinden. Das Projekt hat auch analysiert, wie das Modell des Semi-Parlamentarismus weiterentwickelt werden kann, z.B. mit Blick auf die Europäische Union. Dabei wurden auch Vorschläge für einen unikameralen Semi-Parlamentarismus entwickelt. Drittens wurden die „Gleichgewichts“-Bedingungen des Semi-Parlamentarismus im internationalen Vergleich analysiert: Unter welchen Bedingungen ist eine zweite Kammer stark genug um die Muster demokratischer Mehrheitsbildung grundlegend zu verändern, ohne gleichzeitig selbst unter Reformdruck zu geraten? Das Projekt zeigt, dass starke Effekte zweiter Kammern oder anderer Vetopunkte auf die Regierungsbildung zu ihrer Abschaffung führen kann (z.B. in Finnland oder Schweden). Um stabil zu sein, dürfen auch „starke“ zweite Kammern die Regierungsbildung nicht zu stark beschränken. Die Stabilität von zweiten Kammern wie dem australischen Senat oder dem deutschen Bundesrat erklärt sich daher auch durch „permissive“ institutionelle Regelungen, zum Beispiel das Fehlen eines Misstrauensvotums, die Möglichkeit der Parlamentsauflösung oder verfassungsmäßige Beschränkungen des Abstimmungsverhaltens der Länderdelegationen.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • (2018) Australian bicameralism as semi-parliamentarism: patterns of majority formation in 29 democracies. Australian Journal of Political Science 53 (2) 211–233
    Ganghof, Steffen; Eppner, Sebastian; Pörschke, Alexander
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1080/10361146.2018.1451487)
 
 

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