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Entwicklung eines legierungselementspezifischen Fließkurvenmodells für Aluminiumlegierungen

Fachliche Zuordnung Metallurgische, thermische und thermomechanische Behandlung von Werkstoffen
Förderung Förderung von 2012 bis 2016
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 230561678
 
Erstellungsjahr 2016

Zusammenfassung der Projektergebnisse

In der geförderten Projektphase wurden je drei Legierungen aus den Systemen Al-Mg und Al-Si sowie Reinaluminium untersucht. Mit Hilfe von DSC-Experimenten wurde die Phasenumwandlungskinetik beim Abkühlen vom Lösungsglühen und somit der Einfluss einzelner Legierungselemente auf die Abschreckempfindlichkeit analysiert. Die DSC-Untersuchungen wurden dabei durch umfangreiche Mikrostrukturanalysen ergänzt, sodass Informationen über Art und Anteile ausgeschiedener Partikel bekannt sind. Aufgrund der trägen Ausscheidungskinetik der binären Legierungen war eine Erweiterung der bisher im DSC untersuchbarer Abkühlraten hin zu niedrigeren Kühlgeschwindigkeiten notwendig. Dies wurde durch Einführung einer neuen indirekten Messmethodik erreicht. Diese Methode ist dabei nicht auf binäre Legierungen beschränkt, sodass nun nahezu alle Aluminiumlegierungen über den gesamten physikalisch relevanten Kühlratenbereich einer thermischen Analyse mittels DSC zugänglich sind. Auf Grundlage der DSC-Daten konnten kritische Abkühlgeschwindigkeiten bestimmt werden. Die Kenntnis der kritischen Kühlraten ist von Bedeutung, um Wärmebehandlungsparameter abzuleiten, die sich zur Einstellung vollständig übersättigter Mischkristallzustände eignen. Die Fließkurven derartiger unterkühlter Zustände wurden in einem Abschreck- und Umformdilatometer aufgenommen, wodurch insitu eine Kombination aus Wärmebehandlung und mechanischer Werkstoffprüfung möglich war. Durch die Modellierung der Ausscheidungsenthalpie bzw. Umwandlungskinetik von Al-Si-Legierungen konnten außerdem Volumenanteile ausgeschiedener Si-Partikel in Abhängigkeit der Kühlrate und der Temperatur ermittelt werden. Somit lassen sich auch Rückschlüsse auf die Menge in Lösung befindlicher Legierungselementatome ziehen. Durch die Bestimmung definierter Wärmebehandlungsparameter ist es gelungen, vergleichbare Mischkristalle mit unterschiedlichen Partikelkonfigurationen einzustellen und mechanisch zu prüfen. Dadurch war es erstmals möglich, den Einfluss unterschiedlicher (Si-)Partikel auf die Fließgrenze und das Verfestigungsverhalten von Aluminiummischkristallen experimentell zu untersuchen. Auf Basis der experimentellen Daten zum Einfluss der mikrochemischen Zusammensetzung und der resultierenden Mikrostruktur auf das Fließverhalten erfolgte die Neuentwicklung eines physikalischen, legierungselementspezifischen Fließkurvenmodells "4IVM". Hierfür wurden neue physikalische Zustandsvariablen und Evolutionsgleichungen herangezogen, mit denen im Vergleich zu früheren Modellen einerseits mehr spezifische Einflussmöglichkeiten gelöster Fremdatome berücksichtigt werden können, und die andererseits zusätzliche mikrostrukturelle Information liefern. Des Weiteren ermöglicht das neue Modell die Simulation beliebiger Versuchsführungen, z. B. auch Kriech- und Relaxationsversuche. Insgesamt ergeben sich dadurch vielfältige neue Möglichkeiten für die Validierung, z. B. durch den experimentellen Abgleich der Subkorngrenzenwinkel, oder durch eine Betrachtung verschiedener Versuchsarten im gleichen Modell. Die Anwendungsmöglichkeiten des Modells in Gesamtprozesssimulationen wurden dadurch erheblich erweitert. Im Vergleich zu Vorgängermodellen wurde eine erhebliche Verbesserung der Simulationsergebnisse des plastischen Verhaltens von Reinaluminium und Al-Si Legierungen erreicht. Fließkurven können in sehr breiten Temperatur- und Dehnratenbereichen beschrieben werden, und auch Dehnratenwechsel- und Kriechexperimente werden gut abgebildet. Es lässt sich festhalten, dass die Abhängigkeit der Fließkurven und der instantanen Dehnratenempfindlichkeit vom gelösten Si-Gehalt vor allem auf der direkten Wechselwirkung mit mobilen Versetzungen beruht, und dass die Fließkurven bei hohen Temperaturen durch Versetzungskriechen bestimmt werden. Die experimentellen gemessenen und simulierten Subkorngrößen und -winkel stimmen gut überein. Für binäre Al-Mg Legierungen ist bislang noch keine vergleichbar gute Modellierung gelungen. Es kann aber festgehalten werden, dass der starke Einfluss des Mg Lösungsgehalts nicht über die Wechselwirkung mit mobilen Versetzungen erfolgt, sondern über mindestens zwei gegenläufige Effekte bei der Bildung und Vernichtung immobiler Versetzungen (Erholung). Die im Projekt erarbeiteten Daten, Modelle und Methoden zur Entwicklung eines legierungsspezifischen Plastizitätsmodells sind äußerst wertvoll. Neben dem Verfestigungsmechanismus von Al-Mg sowie der Kombination aus Al-Mg-Si wäre auch die Partikelabhängigkeit der Fließkurven zentraler Aspekt einer Fortführung.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

 
 

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