Detailseite
Projekt Druckansicht

Kurz- und langfristige Thermokarstdynamik in Zentraljakutien (Sibirien) aufgrund von Klimaveränderungen und anthropogenen Einflüssen

Antragsteller Dr. Mathias Ulrich
Fachliche Zuordnung Physische Geographie
Förderung Förderung von 2013 bis 2019
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 232311661
 
Erstellungsjahr 2018

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Die thermische Degradation eisreichen Permafrostes stellt eine bedeutende Umweltveränderung in den hohen Breiten dar und führt zur Ausprägung charakteristischer periglazialer Hohlformen (Thermokarstsenken). Diese sind in Zentraljakutien (Ostsibirien) weit verbreitet und werden als Alase bezeichnet. Klassischerweise wird angenommen, dass das Auftauen des Permafrostes aufgrund erhöhter Lufttemperaturen im Übergang vom Spätpleistozän zum Holozän zur Oberflächenabsenkung (Subsidenz), zur Bildung von Beckenstrukturen und zur anschließenden Entstehung ausgedehnter Thermokarstseen führte, die nach Drainage und/oder Verdunstung große Senken zurückließen. Die vergangene Thermokarstentwicklung war dabei ein überwiegend klimagesteuerter Prozess. Heute unterliegen die Permafrostlandschaften Zentraljakutiens starken kurzfristigen (dekadischen) Änderungen in Folge intensiver Landnutzung, extremer Wetterereignisse und der derzeitigen globalen Erwärmung. Mit dem Ziel die Prozesse der holozänen und subrezenten Permafrostdegradation, deren Einflussfaktoren und deren Auswirkungen auf die Umwelt in langfristigen und kurzfristigen Zeitskalen zu rekonstruieren, wurden im vorliegenden Projekt Multi-Proxy-Analysen an mehreren Sedimentkernen (3-4m lang) aus zwei Thermokarstsenken (bis 2km im Durchmesser) durchgeführt sowie Veränderungen an rezenten Thermokarstseen auf Basis von Fernerkundungsdaten und GIS Anwendungen analysiert. Die Ergebnisse aus der Analyse der Bohrkerne zeigen keine klaren Hinweise auf langanhaltende und stabile lakustrine Bedingungen von Thermokarstseen, wie es nach klassischer Sichtweise der Thermokarstentwicklung zu erwarten wäre. Vielmehr deuten die Eigenschaften der untersuchten Sedimente auf kleinräumig variierende Ablagerungsräume und eine vornehmlich laterale Expansion im Randbereich kleinerer Seen und Senken durch intensive taubedingte und thermoerosive Prozesse während kurzzeitig „günstiger“ klimatischer Bedingungen im Holozän. Radiokohlenstoffdatierungen bestätigen die extensive Ab- und Umlagerung spätpleistozäner Basissedimente. Fernerkundungsanalysen und statistische Auswertungen zeigen, dass Seespiegelschwankungen (Abund Zunahme) älterer Seen innerhalb von Alasen in den letzten 70 Jahren vornehmlich durch zyklische Schwankungen klimatischer Parameter (vor allem Winterniederschlag- und temperaturen und jährliche Wasserbilanz des Active Layers) beeinflusst werden. Ausgedehnte landwirtschaftliche Nutzung in der Nachkriegszeit führte unterdessen auf undegradierten eisreichen Permafrostablagerungen zur Störung des thermischen und hydrologischen Gleichgewichtes des Permafrostes und damit zum raschen und anhaltenden Wachstum junger Thermokarstseen. Die klimatischen Parameter beeinflussen dabei allenfalls die Wachstumsrate. Auf regionaler Ebene deutet sich derzeit eine zunehmende Thermokarstaktivität vor allem in eisreichen Permafrostsedimenten an. Im Allgemeinen kann man schlussfolgern, dass die Thermokarstaktivität in Zentraljakutien auch in naher Zukunft hoch bleiben wird und die derzeit eher feuchteren Bedingungen innerhalb der zentraljakutischen Alase bestehen bleiben. Diese Landschaftsveränderungen wirken sich enorm auf die indigene Landnutzung (vor allem Heuproduktion) innerhalb der Alase aus, erschweren den Zugang der Bewohner zu benötigten Ressourcen und bedrohen die Stabilität von Gebäuden. Die Ergebnisse des Projektes zeigen, dass die genaue Entwicklung der ausgedehnten Thermokarstsenken während des Holozäns sowie vor allem die derzeitig zu beobachtende kleinräumige Variabilität aktiver Thermokarstprozesse und entsprechende Mensch-Umwelt-Interaktionen in Zentraljakutien ein hochaktuelles Thema darstellt, das weitere Untersuchungen bedarf. Die Arbeiten und Studien des Projektes erfuhren im Juli 2017 ebenfalls Aufmerksamkeit in regionalen Publikumsmedien im Zusammenhang mit der Veröffentlichung des Artikels Crate et al. (2017) in der Fachzeitschrift Anthropocene; im Print bei der Leipziger Volkszeitung und Online bei der Leipziger Internetzeitung (https://www.l-iz.de/bildung/forschung/2017/07/Leipziger-Forscher-untersuchen-jetzt-die-auftauenden-ostsibirischen-Permafrost-Gebiete-185839).

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • (2014). Quantifying wedge-ice volumes in Yedoma and thermokarst-basin deposits. Permafrost and Periglacial Processes, 25, 151-161
    Ulrich, M., Grosse, G., Strauss, J., Schirrmeister, L.
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1002/ppp.1810)
  • (2015). Permafrostdegradation in Sibirien – Sozio-öknomische Aspekte. In: Lozán, J.L., Grassl, H., Kasang, D., Notz, D., Escher-Vetter, H. (Eds.), Warnsignal Klima: Das Eis der Erde, pp. 261-270
    Opel, T. & Ulrich, M.
  • (2017). Deep Yedoma permafrost: A synthesis of depositional characteristics and carbon vulnerability. Earth-Science Reviews, 172C, 75-86
    Strauss, J., Schirrmeister, L., Grosse, G., Fortier, D., Hugelius, G., Knoblauch, C., Romanovsky, V., Schädel, C., Schneider von Deimling, T., Schurr, E.A.G., Shmelev, D., Ulrich, M., Veremeeva, A.
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1016/j.earscirev.2017.07.007)
  • (2017). Differences in behavior and distribution of permafrost-related lakes in Central Yakutia and their response to climatic drivers. Water Resources Research, 53(2), 1167-1188
    Ulrich, M., Matthes, H., Schirrmeister, L., Schütze, J., Park, H., Iijima, Y., Fedorov, A.N.
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1002/2016WR019267)
  • (2017). Landsat-based trend analysis of lake dynamics across northern permafrost regions. Remote Sensing, 9(7), 640
    Nitze, I., Grosse, G., Jones, B.M., Arp, C.D., Ulrich, M., Fedorov, A.N., Veremeeva, A.
    (Siehe online unter https://doi.org/10.3390/rs9070640)
  • (2017). Permafrost livelihoods: A transdisciplinary review and analysis of thermokarst-based systems of indigenous land use. Anthropocene, 18, 89-104
    Crate, S., Ulrich, M., Habeck, J.O., Desyatkin, A.R., Desyatkin, R.V., Fedorov, A.N., Hiyama, T., Iijima, Y., Ksenofontov, S., Mészaros, C., Takakura, H.
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1016/j.ancene.2017.06.001)
  • (2017). Rapid thermokarst evolution during the mid-Holocene in Central Yakutia, Russia. The Holocene, 27(12), 1899-1913
    Ulrich, M., Wetterich, S., Rudaya, N., Frolova, L., Schmidt, J., Siegert, C., Fedorov, A.N., Zielhofer, C.
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1177/0959683617708454)
  • (2017). Reconstruction of the History of a Thermokarst Lake in the Mid-Holocene Based on an Analysis of Subfossil Cladocera (Siberia, Central Yakutia). Contemporary Problems of Ecology, 10(4), 423-430. [Originaltext in Russisch: in: Sibirskii Ekologicheskii Zhurnal, 2017(4), 487-497]
    Frolova, L.A., Ibragimova, A.G., Ulrich, M., Wetterich, S.
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1134/S1995425517040023)
 
 

Zusatzinformationen

Textvergrößerung und Kontrastanpassung