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Kommunikationstheoretische Perspektive auf soziale Netzwerke - Theoriebausteine und Forschungsmethoden

Fachliche Zuordnung Soziologische Theorie
Empirische Sozialforschung
Förderung Förderung von 2012 bis 2018
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 232512012
 
Erstellungsjahr 2019

Zusammenfassung der Projektergebnisse

In dem Projekt wurde die kommunikationstheoretische Perspektive auf soziale Netzwerke weiterentwickelt. Dazu gehören (1) die konzeptionelle Verfeinerung und (2) die Erweiterung auf den Bereich der politischen Soziologie, sowie (3) die Exploration von Methoden und deren exemplarische Anwendung. (1) In der kommunikationstheoretischen Perspektive sind Netzwerke sozialer Beziehungen (wie alle sozialen Strukturen) Bündel von Erwartungen, die sich im Kommunikationsprozess bilden und diesen anleiten. Alle Kommunikation baut auf Erwartungen aus bisheriger Kommunikation auf und formuliert bestimmte Sinngehalte bzw. Situationsdefinitionen, an denen zukünftige Kommunikation anschließt. Bei Sozialbeziehungen und Netzwerken geht es um „relationale Erwartungen“ bzgl. des auf spezifische Andere bezogenen Verhaltens. Von FreundInnen, PartnerInnen, Familienangehörigen, GeschäftspartnerInnen etc. wird erwartet, dass sie sich zueinander anders verhalten als zu anderen. Diese Erwartungen bilden sich graduell aus der Zuschreibung von Kommunikation und von entsprechenden Dispositionen auf Akteure mit Blick auf die „Mitteilungsselektion“ (Luhmann). So ändern sich mit einem Blumenstrauß oder einer Einladung ins Kino die Erwartungen und damit die Sozialbeziehung zwischen Alter und Ego. Ablaufende Kommunikation wird regelmäßig daraufhin beobachtet, inwiefern sie bestimmten „Beziehungsrahmen“ (Liebe, Freundschaft, Familie etc.) entspricht. Diese legen typische Kommunikationsmuster für unterschiedliche Arten von Sozialbeziehungen fest, und Beziehungen werden implizit unter Rekurs auf solche institutionalisierten Erwartungen ausgehandelt. (2) Diese Überlegungen lassen sich auf den Bereich der Politik übertragen, indem sie als Feld von politischen Akteuren konzipiert wird. Diese konkurrieren miteinander um Einfluss auf kollektiv verbindliche Entscheidungen und um Unterstützung aus dem Publikum. Hierfür formen sie Beziehungen von Allianz und Konflikt, die das politische Geschehen prägen. Auch die Identitäten der politischen Akteure hängen von diesen Beziehungen zueinander ab. Von alltagsweltlichen Beziehungsnetzen unterscheiden sich diese Konstellationen dadurch, dass sie öffentlich für ein Publikum repräsentiert werden – sie sind „inszenierte Netzwerke“. Sie folgen in der Politik spezifischen Netzwerkmechanismen wie Reziprozität, Transitivität, Homophilie (nach Ideologie) und institutionalisierten Rollen und Konfliktlinien. (3) Die Perspektive führt zu spezifischen Methoden zur Untersuchung von Netzwerken in der Kommunikation. Diese umfassen sowohl qualitativ-interpretative als auch formal-quantitative Komponenten. Qualitativ lassen sich unter Rückgriff auf Konversationsanalyse und interaktionale Soziolinguistik „relationale“ Aspekte der Kommunikation (in Dokumenten wie auch in Face-to-face-Interaktion) isolieren. Etwa Unterbrechungen, Discourse Marker („but“, „oh“), Ja-Nein-Fragen und das kollaborative oder konfliktive Erzählen von Geschichten setzen SprecherInnen und AdressatInnen spezifisch in Beziehung zueinander. Hieraus lassen sich Typen „relationaler Ereignisse“ mit ähnlichen Implikationen für Sozialbeziehungen bilden. Diese relationalen Ereignisse können dann in Textkorpora identifiziert und gezählt werden. Formal-quantitative Analysen untersuchen dann einerseits deren Verteilung über Sozialbeziehungen und rekonstruieren Netzwerke. Damit lassen sich „Typen von Beziehungen“ über ähnliche Kombinationen von relationalen Ereignissen identifizieren. Andererseits können wir die Mikro-Dynamik von Interaktion in typischen Sequenzen relationaler Ereignisse über die Zeit rekonstruieren. Diese Methoden wurden exemplarisch in der relationalen Kommunikationsanalyse einer TV-Wahldebatte von SpitzenkandidatInnen angewandt. Die PolitikerInnen nahmen in Unterbrechungen mit Unterstützung oder Widerspruch / Kritik, sowie mit dem Erzählen von Geschichten über einander Bezug aufeinander. Mit solchen relationalen Ereignissen entfaltet sich eine relationale Konstellation von politischen Akteuren in Konflikten und Allianzen, sowie mit spezifischen Rollen.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

 
 

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