Analyse der leistungsverbessernden Effekte von Hippocampusläsionen in einer seriellen Reaktionszeitaufgabe bei Ratten
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Das Projekt diente der Klärung der Mechanismen, durch die es bei experimenteller Ausschaltung des dorsalen Hippocampus (mittels sogenannter excitotoxischer Läsion) bei Laborratten zu dem paradoxen Effekt kommt, dass deren Leistung sich in einem seriellen Reaktionszeittest, der dem prozeduralen und damit non-deklarativen Gedächtnis zugeordnet wird, substantiell verbessert, wobei dieselben Tiere die bekannten Defizite in einem anderen Test aufweisen, der das episodische Gedächtnis testet, welches beim Menschen zum deklarativen Gedächtnis gehört. Dazu wurden drei Experimente durchgeführt, die folgende wesentliche Ergebnisse hatten: Der leistungsverbessernde Effekt der Hippocampus-Schädigung ist schon relativ früh nach dieser zu beobachten und hat daher einen wichtigen Einfluss auf das Verhaltenstraining. Gibt man den Versuchstieren in dieser Phase dieselben Trainingszeiten, so bevorteilt man dadurch offensichtlich die Läsionstiere, die in dieser Zeit mehr Verhalten ausführen und dadurch besser weiterlernen können. Dieser Effekt verringert sich deutlich, wenn man statt fester täglicher Trainingszeit eine feste tägliche Trainingsmenge anwendet. Diese Trainingsmenge wird von den Läsionstieren in deutlich kürzerer Zeit erreicht, was zum großen Teil daran liegt, dass sie in dem Konditionierungsschema, das auf einem sogenannten festen Verhältnisplan beruht, wesentlich kürzere Pausen nach den jeweiligen Belohnungen zeigen. Diese Tiere scheinen deutlich aufgabenfixierter zu sein, als normale Kontrollen. Weitere Bestätigung kam durch anschließende Löschungstests, bei denen zwar weiterhin die vorher gelernten Reize dargeboten wurden, aber auf die entsprechenden Reaktionen keine Belohnungen mehr folgten. In diesem Test brauchten die Läsionstiere deutlich länger bis sie ihre Reaktionen einstellten. In weiteren Experimenten wurde getestet, ob der Läsionseffekt primär auf das dem seriellen Reaktionszeittest unterliegende instrumentelle Verhalten wirkt. Zu diesem Zweck wurden die Tiere nicht mit festen Reizsequenzen sondern Zufallsfolgen trainiert. Auch wenn unter diesen Zufallsbedingungen die Leistung erwartungsgemäß etwas niedriger war als unter den vorhersagbaren sequentiellen Bedingungen, zeigten dennoch die Läsionstiere bessere Leistungen als die Kontrollen und dies wieder vor allem, weil sie kürzere Pausen nach den Belohnungen machten. Das Verhalten während dieser Pausen wurde detailliert untersucht und es zeigte sich, dass die Läsionstiere weniger Zeit mit nicht-aufgabenrelevantem Verhalten verbrachten, wie Putzen oder Exploration. In einem abschließenden Test, in dem sich über mehrere Tage Phasen mit der üblichen Belohnung des instrumentellen Verhaltens abwechselten, mit solchen, in denen die Belohnungen unabhängig von ansonsten instrumentellem Verhalten gegeben wurden, lernten die Läsionstiere wesentlich langsamer als die Kontrollen, ihr Verhalten entsprechend zu adjustieren, d.h. während der einen Phasen für Belohnung zu arbeiten aber während der anderen Phasen, diese einfach abzuwarten. Die Ergebnisse entsprechen insgesamt der Arbeitshypothese, dass derartig Hippocampus-lädierte Ratten zwar Defizite in Hippocampus-abhängigen Aufgaben haben, aber in solchen, die primär andere Strukturen benötigen eher intakt bzw. wie hier sogar überlegen sein können, zumindest was den Erwerb instrumentellen Verhaltens und die Bildung von Gewohnheiten, d.h. sogenannten Habits betrifft, was vermutlich primär von Strukturen wie den Basalganglien abhängt. Klinische Implikationen kann man darin sehen, dass bei Patienten mit Schädigungen des Hippocampus bzw. medialen Temporallappens neben den üblichen deklarativen Defiziten eventuell nicht nur intakte sondern teils besser wirkende non-deklarative, prozedurale Funktionen zu beobachten sind, die sich ggf. therapeutisch nutzen lassen.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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(2016) Decoupling actions from consequences: Dorsal hippocampal lesions facilitate instrumental performance, but impair behavioral flexibility in rats. Frontiers in Behavioral Neuroscience 10: 118
Busse S & Schwarting RKW
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(2016) Procedural performance benefits after excitotoxic hippocampal lesions in the rat sequential reaction time task. Neurotoxicity Research 29: 54-68
Busse S & Schwarting RKW
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Behavioral facilitation after hippocampal lesion: a review. Behavioural Brain Research Volume 317, 15 January 2017, Pages 401-414
Schwarting RKW & Busse