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(Quanten-)Kritische Dynamik in magnetoelektrischen Multiferroika

Fachliche Zuordnung Experimentelle Physik der kondensierten Materie
Förderung Förderung von 2013 bis 2018
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 233992164
 
Erstellungsjahr 2018

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Im Zentrum dieses Forschungsprojekts stand die Untersuchung der kritischen Fluktuationsdynamik komplexer Ordnungsparameter. Als exemplarische Materialklasse wurden dazu magneto-elektrische Materialien betrachtet; der komplementäre experimentelle Ansatz war die breitbandige Dielektrische Spektroskopie. Ein Schwerpunkt lag auf dem magneto-elektrischen Spin-Eis-System Dy2Ti2O7. Elementare Anregungen des entarteten magnetischen Grundzustands tragen die Eigenschaften beweglicher magnetischer Monopol-/Antimonopolpaare, welche gleichzeitig an ein elektrisches Dipolmoment gekoppelt sind. Zunächst konnte dieses Postulat über einen korrespondierenden Beitrag zur Dielektrischen Antwort bestätigt werden. Die anregungsspezifische Auswertung der Antwortspektren erlaubte die Identifizierung unterschiedlicher magnetisch bzw. elektrisch aktiver, überdämpfter Relaxationsbeiträge, welche unterschiedlichen Austausch- bzw. Hüpfprozessen der Monopolanregungen zugeordnet werden konnten. Ein bemerkenswertes Ergebnis ist die deutliche Zunahmen der Monopolmobilität bei Annäherung an den kritischen Endpunkte der Monopolkondensation bei ca. 400 mK und 1 T. Ein solches "Critical-Speeding-up"-Szenario wurde in Festkörpersystemen zum ersten Mal demonstriert und stimuliert weiterführende theoretische und experimentelle Folgearbeiten. Die kritische Fluktuationsdynamik eines kanonischen Spin-zykloidalen Multiferroikums wurde im System MnW04 untersucht. Hier zeigt sich klassisches Soft-Mode-Verhalten der symmetriebrechenden Goldstone-Mode am kontinuierlichen multiferroischen Phasenübergang. Allerdings wird der dynamische Exponent γ ≈ 1.3 durch die magnetische Universalitätsklasse dominiert und weicht daher vom für reine Ferroelektrika typischen Wert von γ ≈ 1 ab. Dieser magneto-elektrische Soft-Mode lässt sich durch äußere Magnetfelder treiben und korrespondiert mit dem niederenergetischen Elektro-Magnon der geordneten Phase. In der Spin-1/2-Kette LiCuVO4 entsteht bei tiefen Temperaturen durch inverse Dzyaloshinskii-Moryia-Wechselwirkung getrieben eine zykloidale, multiferroische Phase. Allerdings werden die Fluktuationen oberhalb dieses Übergangs stark durch den Quanten-Charakter des niedrig-dimensionalen Spin-Systems beeinflusst. Es zeigt sich, dass bei Annäherung an die dreidimensional geordnete multiferroische Phase ebenfalls eine kritische Verlangsamung mit γ > 1 beobachtet werden kann. Allerdings kommt es oberhalb des magnetfeldgetriebenen Quantenkritischen Punktes zu Anregungen innerhalb der zykloidalen Fluktuationen, welche elektrisch stimulierbar sind und resonanten Charakter aufweisen. Die zugehörige Energieskala von ca. 12 µeV trifft theoretische Vorhersagen für dielektrisch aktive chirale Solitonen. Schließlich konnte das Konzept ferroelektrischer Fluktuationen, welche an einen komplexen Ord-nunsparameter gekoppelt sind, zu Systemen jenseits magneto-elektrischer Multiferroika erweitert werden. In Ca- und Ladungsträger-dotiertem SrTiO3 zeigt sich am ferroelektrischen Quantenkritischen Punkt eine Erhöhung der supraleitenden Sprungtemperatur. Die Bildung von Cooper-Paaren wird in diesem System also durch polare Fluktuationen begünstigt. Dies legt eine dielektrisch vermittelte Wechselwirkung ähnlich der magnetisch vermittelten RKKY-Wechselwirkung nahe und bedarf theoretischer Beschreibung. Die spektroskopische Untersuchung der zugrundeliegenden Fluktuationsdynamik steht erst am Anfang und eröffnet somit einen Ausblick auf die thematische Fortführung des Forschungsprojektes. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die kritische Dynamik komplexer Ordnungsparameter zwar wesentliche Elemente kritischer Szenarien einfach ferroischer Systeme (wie etwa kritisches Slowing-Down) nachbildet, dass aber die zusätzlichen gekoppelten Freiheitsgrade die feldgetriebene Beeinflussung der Fluktuationslebensdauer ermöglichen und darüber hinaus oft unkonventionelle Anregungen in der Nähe kritischer Punkte ermöglichen.

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