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Fundamental assumptions of game-theoretic solution concepts

Subject Area Empirical Social Research
Term from 2012 to 2019
Project identifier Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Project number 235263282
 
Final Report Year 2019

Final Report Abstract

Das Projekt leistet einen Beitrag zur Entwicklung einer interdisziplinären Handlungs- und Spieltheorie. Ausgangspunkt ist die Beobachtung, dass menschliches Handeln, insbesondere in Situationen strategischer Interdependenz, systematisch von Vorhersagen der orthodoxen Entscheidungs- und Spieltheorie abweicht. Viele dieser Anomalien der Rational-Choice-Theorie lassen sich über die Vorstellung erklären, dass menschliches Verhalten aus der Interaktion zweier „Selbste“ (Systeme, Modi der Entscheidungsfindung) entsteht. Auf diese Idee hin konvergieren drei Stränge an Literatur: Der Dual-Process-Ansatz in der Kognitions- und Sozialpsychologie (etwa Daniel Kahneman und Keith Stanovich), die axiomatischen Theorien der begrenzten Rationalitat (Ariel Rubinstein, Ran Spiegler) und die neue soziologische Handlungstheorie (Hartmut Esser, Clemens Kroneberg). Auch in der amerikanischen Kultursoziologie (Stephen Vaisey, Andrew Miles) werden inzwischen ähnliche handlungstheoretische Positionen vertreten, etwa im Zusammenhang mit Studien zum Einfluss von kulturellen Idealen auf prosoziales Verhalten. Während sich das erste Teilprojekt vor allem auf explorative Studien fokussiert hat, die Anomalien spieltheoretischer Lösungskonzepte wie iterierte Dominanz und Rückwärtsinduktion näher untersuchen, stellt das zweite Teilprojekt darauf ab, explizite Hypothesen zum Zusammenspiel der zwei Systeme im menschlichen Handeln in einem Kontext strategischer Interaktion zu testen. Der primäre Bezugspunkt dieser Forschung ist die Modusselektion gemäß dem Modell der Frame-Selektion, welche beschreibt, unter welchen Bedingungen eine Entscheidung im automatisch-spontanen oder aber im reflexiv-kalkulierenden Modus erfolgt. Hier macht das Modell der Frame-Selektion scharfe Vorhersagen, die den Einfluss der Definition der Situation sowie der Reflektionsmotivation als auch -opportunitäten betreffen. Zwei einstellungstheoretischen Implikationen des Modells der Frame-Selektion stehen im Zentrum dieses Forschungsprojekts: 1) Der Einfluss der Einstellungsstärke auf das Verhalten ist stärker, wenn die Entscheidung im automatisch-spontanen Modus erfolgt. 2) Der Einfluss materieller Anreize auf das Verhalten ist schwächer, wenn die Entscheidung im automatisch-spontanen Modus erfolgt. Konkret wurden zwei experimentelle Studien in diesem Teilprojekt umgesetzt. In der Hauptsache wurde ein Laborexperiment mit knapp 800 Probanden durchgefährt, dem ein 2 x 2 x 2—Design zugrunde lag. Dabei wurden die Reflexionsopportunitäten (Zeitdruck versus kein Zeitdruck), die materiellen Anreize (hoch versus niedrig) sowie das Framing der Entscheidungssituation (kooperativ versus neutral) experimentell manipuliert. Beide einstellungstheoretischen Hypothesen konnten in dieser Studie bestätigt werden: Die Einstellungs-Verhaltens-Korrelation war in den Bedingungen mit Zeitdruck signifikant höher als in der Bedingung ohne Zeitdruck. Materielle Anreize haben dann, wenn eine starke prosoziale Einstellung vorlag, die die Definition der Situation im automatisch-spontanen Modus „einfärbt“, einen geringeren Effekt auf das Verhalten als bei einer eher neutralen Einstellung. Ähnlich wie das Vorliegen einer Einstellung hat im Laborexperiment auch das Framing im Zusammenspiel mit den anderen Faktoren der Modusselektion fungiert. Auch dies entspricht dem Modell der Frame-Selektion, demzufolge der Match eines mentalen Modells der Situation einerseits von der chronischen Verfügbarkeit des Modells (beeinflusst von der Einstellungsstärke) und andererseits auch vom Vorliegen signifikanter Symbole (beeinflusst vom Framing) abhängt. Äls Maß für kooperatives Verhalten wurde im Laborexperiment das Beitragsverhalten in einem Kollektivgutspiel verwendet. Um die externe Validität des Forschungsprojektes zu gewährleisten, wurde als zweites Experiment eine Folgestudie mit denselben Probanden durchgeführt. Dabei wurden die Probanden in einem nicht-reaktiven Design mit einer scheinbar fehlgeleiteten E-Mail konfrontiert, dem wieder ein 2 x 2 x 2—Design zugrunde lag. In diesem Feldexperiment gab es zwei Maße für kooperatives Verhalten. Zum einen, ob die Probanden versuchen, sich als andere Person auszugeben, um einen monetären Vorteil daraus zu ziehen. Zum anderen, ob die Versuchspersonen den Sender der Email darauf hinweisen, dass eine Verwechslung vorlag. Auch in diesem nicht-reaktiven Feldexperiment in einem natürlichen Setting zeigt sich, dass intuitives Verhalten eine starke Einstellungs-Verhaltens-Korrelation bedingt. Bei Probanden, die in einer Nachbefragung angegeben, sich intuitiv zu entscheiden, hat die Einstellung zum prosozialen Handeln einen deutlich stärkeren Effekt auf das Handeln als bei Probanden, die eine eher reflektierte Entscheidung getroffen haben. Allerdings lassen sich in der Folgestudie keinerlei Effekte der materiellen Anreize, auch nicht bei den Bedingungen, unter denen das Modell der Frame-Selektion diese vorhersagen würde, nachweisen.

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