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Schurken, Outlaws und Pariahs: Dissidenz zwischen Delegitimierung und Rechtfertigung

Fachliche Zuordnung Politikwissenschaft
Förderung Förderung von 2012 bis 2016
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 235345618
 
Erstellungsjahr 2018

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Das Projekt „Schurken, Outlaws und Parias: Dissidenz zwischen Delegitimierung und Rechtfertigung" untersuchte Dissidenz als eine soziale Konstruktion im Spannungsfeld von Fremdzuschreibung (als kriminell) und Selbstbeschreibung (als politisch). Im Mittelpunkt des Forschungsinteresses stand der Umgang mit radikalem Dissens und den Bedingungsfaktoren, unter denen staatliche und nichtstaatliche Träger dissidenter Ordnungsvorstellungen entweder Anerkennung finden oder aber als „Schurken", „Outlaws" oder „Parias" diskreditiert werden. Als „dissident" wurden staatliche und nichtstaatliche Akteure verstanden, die die normativen Fundamente einer von ihnen als auferlegt verstandenen internationalen Herrschaftsordnung in Frage stellen. Mit ihrem Widerspruch gegen deren zentralen Normen und Institutionen verweigern sie sich herrschenden Spielregeln und wählen unkonventionelle Organisationsund Artikulationsformen, um radikal abweichende Ordnungsvorstellungen durchzusetzen. Akteure können sich dabei selbst als (politisch) „dissident" beschreiben und die Anerkennung ihrer normativ begründeten Ordnungsvorstellungen suchen. Dissidenz kann als soziale Konstruktion jedoch auch das Ergebnis von Fremdzuschreibung sein, deren Ziel in der Diskreditierung und damit Delegitimierung von radikalen Kritikern einer herrschenden Ordnung besteht. In vergleichenden Untersuchungen konnten unterschiedliche Erscheinungsformen von Dissidenz und Konfliktverläufe identifiziert werden. Sie umfassten Fälle, in denen zuvor als konform anerkannte normgestützte Praktiken plötzlich delegitimiert wurden, ebenso wie das Umschlagen von Kriminalisierung in Akzeptanz oder die zunächst beliebig erscheinende Stigmatisierung von Akteuren als „Schurkenstaaten". In allen Fällen traten oppositionelle und dissidente Formen des Widerstands parallel oder alternierend auf. Hinsichtlich der Wege in die Dissidenz bestätigte sich über die Fälle hinweg unsere Vermutung, dass Fremd- und Selbstzuschreibung interagieren. Die Fälle, in denen Delegitimierungsprozesse umgekehrt werden konnten, bestätigten unsere Annahme, dass die soziale Konstruktion von Dissidenz und Opposition und der Wandel von einer zur anderen Widerstandsform sowohl durch strukturelle als auch akteursbezogene Faktoren geprägt ist. Hinsichtlich der Frage nach den Bedingungen und Kausalmechanismen, unter denen es dissidenten Akteuren gelingt, Anerkennung für ihre Ordnungsvorstellungen zu erhalten oder gar einen Ordnungswandel herbeizuführen, deuten unsere Untersuchungen darauf hin, dass sich der Umstand, ob Dissidenz selbstgewählt oder von außen zugeschrieben wird, nicht auf das Gelingen oder Scheitern auswirkt. Wohl aber zeigen die Ergebnisse des Projekts, dass der Erfolg dissidenter Akteure von einer Kombination verschiedener Faktoren abhängt: Zum einen müssen sie über ein gewisses Maß an Organisationsfähigkeit verfügen und in der Lage sein, Allianzen mit einflussreichen Akteuren einzugehen. Außerdem ist ein dynamischer normativer Kontext entscheidend, der den dissidenten Akteuren Möglichkeiten eröffnet, ihre Anliegen strategisch zu „rahmen" und ihren Forderungen damit Resonanz verleiht. Diese Verknüpfung notwendiger, aber an sich unzureichender Bedingungen setzt zwei Kausalmechanismen in Gang: Zum einen eine gewisse Verwundbarkeit in der herrschenden Ordnung und zum anderen transnationale politische Resonanz für die Forderungen der dissidenten Akteure - ein Wandel der Ordnung ist in solchen Fällen oft unausweichlich. Äußere Ereignisse, wie etwa Krisen, können diesen Prozess maßgeblich beschleunigen. Versteht man Dissidenz im Sinne einer kritischen Theoriebildung als spiegelbildlichen Ausdruck von Herrschaftsausübung, kann das Vorhandensein dissidenter Politiken auch der Zustandsbeschreibung politischer Ordnungen dienen. Deren Legitimität lässt sich daran ablesen, wie stark sie mit radikalem Widerstand konfrontiert wird und wieviel Raum sie der Artikulation oppositioneller Sichtweisen bietet. Aus normativer Perspektive kann die Ermöglichung von Widerspruch also durchaus als Innovationsbedingungeiner politischen Ordnung angesehen werden.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

 
 

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