Detailseite
Projekt Druckansicht

Die Verberuflichung europäischen Lobbyings. Bedingungen, Formen und Folgen der Genese professioneller Interessenvertretung in der Europäischen Union

Fachliche Zuordnung Empirische Sozialforschung
Politikwissenschaft
Förderung Förderung von 2013 bis 2019
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 235953613
 
Erstellungsjahr 2019

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Das Forschungsprojekt befasste sich mit dem Personal des europäischen Lobbyings, um auf diese Weise eine Forschungslücke zu schließen. Bislang hatte sich die sozialwissenschaftliche Europaforschung hauptsächlich mit dem Organisationsfeld, der Praxis und den normativ-theoretischen Implikationen des Lobbyings befasst. Unbeantwortet blieb bisher, ob und in welchem Ausmaß es zur Genese eines spezialisierten Arbeitsmarktes und Personalstamms kam, die durch eigene Zugangsvoraussetzungen, Laufbahnen, Tätigkeitsprofile, Wissensbestände, Kontaktstrukturen und Selbstverständnisse gekennzeichnet sind. Das Projekt folgte einem professionssoziologischen Bezugsrahmen und suchte Prozesse der Verberuflichung und Professionalisierung nachzuzeichnen und zu reflektieren. Das Projekt war explorativ angelegt und setzte auf einen ‚mix-methods‘ Ansatz, um induktivtheoriegenerierende und deduktiv-theorieüberprüfende Arbeitsschritte kombinieren zu können. Auf diese Weise konnte ein einzigartiger Satz an Daten (Dokumente, Interviews, Feldnotizen, Umfragedaten) generiert werden, der unterschiedliche Einblicke in einen durchaus schwer erforschbaren Untersuchungsgegenstand eröffnet. Die empirischen Forschungsarbeiten konnten die Annahme einer Verberuflichung und Professionalisierung im Grundsatz bestätigen. Es konnte zwar eindrücklich nachgewiesen werden, dass das Arbeitsfeld des europäischen Lobbyings in Bezug auf die Vielzahl der Interessengruppen hochgradig plural und fragmentiert ist. Das Personal ist ebenfalls durch hohe Diversität gekennzeichnet, sobald fachliche und berufliche Hintergründe berücksichtigt werden. Auch besteht bei den Berufstätigen kein Konsens über eine gemeinsame Berufsbezeichnung, über eine berufspolitische Organisation und Interessenvertretung und auch kein vollentwickeltes, gemeinsames Berufsethos. Dennoch ist das Arbeitsfeld hochgradig verberuflicht und professionalisiert. Europäisches Lobbying ist durchgängig als Berufsarbeit anzusehen, d.h. wir haben es mit einer bezahlten Tätigkeit im Hauptberuf und mit normierten Laufbahnen zu tun. Darüber hinaus ist die Tätigkeit durchgängig professionalisiert, da das Berufsfeld fast vollständig akademisiert ist, und da das Personal einen klar konturierten Kanon an Wissensbeständen und Praktiken teilt, die sich auch gegenüber anderen Räumen und Formen des (nationalen) Lobbyings deutlich absetzen. Schließlich ist ein gemeinsamer Legitimierungsdiskurs zu erkennen, der sich quer zu den Lagern und Konfliktlinien des Feldes aufspannt. Das Projekt konnte auf diese Weise deutliche Schließungsprozesse des Arbeitsfeldes nach Außen nachweisen, die mit Integrations-, Strukturierungs- und Homogenisierungsprozessen nach Innen einhergehen. Das hat Implikationen für das Verständnis politischer Interessenvertretung, denn das Arbeitsfeld grenzt nicht-verberuflichte und nicht-professionalisierte Formen der Interessenvertretung aus bzw. zwingt ihnen bestimmte Anpassungsleistungen auf. Diese professionssoziologischen Ergebnisse liefern für die laufenden Forschungsdebatten wichtige Anregungen, denn sie zeichnen das Bild eines durchweg ambivalenten Arbeitsfeldes. Während die Analyse des europäischen Lobbyings als Organisationsfeld deutliche Pluralisierungs- und Fragmentierungsprozesse herausgestellt hat, kann mit Blick auf das Personal von einer deutlichen Integration, Schließung und Homogenisierung ausgegangen werden.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

 
 

Zusatzinformationen

Textvergrößerung und Kontrastanpassung