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Historische und kulturelle Transformation einer Bildungsinstitution. Die Arbeiterfakultäten in Vietnam, Kuba und Mosambik. Globalisierung einer Bildungsidee.

Fachliche Zuordnung Allgemeine und Historische Erziehungswissenschaft
Förderung Förderung von 2013 bis 2019
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 236183563
 
Erstellungsjahr 2019

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Im Projekt "Globalisierung einer Bildungsidee: Historische und kulturelle Transformation einer Bildungsinstitution. Die Arbeiterfakultäten in Vietnam, Kuba und Mosambik" wurde die weltweite Ausbereitung der 1919 bis 1941 in der Sowjetunion existierenden Arbeiterfakultäten (Rabfak, rabočij fakul’tet) untersucht. Empirische Beispiele für diesen Prozess waren die Arbeiterfakultäten in Vietnam (1956-1964); Kuba (1956-1964) und Mosambik (1983-1992). Für diese Länder wurde die Gründung und Entwicklung dieser Einrichtungen auf Basis von Archivquellen in den einschlägigen nationalen Archiven untersucht. Untersucht wurden die Fragen, 1) auf welche nationalen und internationalen Transfers die Gründung dieser Institutionen zurückging, 2) wie sich die Einrichtungen unter den lokalen Bedingungen modifizierten und welche Funktion sie dort übernahmen und 3) welche allgemeinen theoretischen Aussagen sich über Bildungstransfers auf Basis dieser empirischen Beispiele treffen lassen. Im Ergebnis konnte aufgezeigt werden, dass sich bei den drei untersuchten Ländern vor allem indirekte Transfers nachzeichnen lassen, indem vorherige Nehmer-Länder (v.a. DDR, China) ihrerseits zu Geber-Ländern wurden. So lassen sich für Vietnam starke Orientierungen am chinesischen Modell aufzeigen; in Mosambik Orientierungen an der DDR. Auch in Kuba lassen sich Einflüsse der DDR aufzeigen, allerdings sind diese eher als gering einzuschätzen und die kubanische AF stellt in diesem Sinn eine sehr eigenständige Neugründung dar. Ein direkter Einfluss der Sowjetunion lässt sich in den untersuchten Fallbeispielen nicht nachweisen, sehr wohl aber diskursive Bezüge auf die sowjetische Vorläuferinstitution. Das Modell der Rabfak war hier vor allem deshalb attraktiv, da es in einem Vielvölkerstaat wie der Sowjetunion mit starkem Bildungsgefälle bereits dort zu sehr unterschiedlichen Modellen geführt hatte und somit ein breit zu nutzendes Vorbild darstellte. Insgesamt lässt sich einschätzen, dass die Ausbreitung dieser Bildungsinstitutionen sehr eigenständig initiiert und gestaltet von den lokalen Akteuren und ohne direktes zentrales Eingreifen der Sowjetunion erfolgte. Hintergrund dafür ist die gemeinsam geteilte Weltanschauung des Marxismus-Leninismus, die auch ohne direktes Eingreifen der Sowjetunion zu ähnlichen Problemdefinitionen und damit auch Lösungsstrategien führte. Bezüglich der Funktion der AF unter den jeweiligen lokalen Bedingungen lässt sich feststellen, dass diese sehr unterschiedlich waren. In Vietnam und Mosambik lag die primäre Funktion darin, Schlüsselkader für den Aufbau von Wirtschaft, Verwaltung und Bildungssystem heranzubilden. Während in Vietnam die politisch-ideologische Ausrichtung der Kader eine zentrale Rolle spielte, war diese Frage in Mosambik eher nebensächlich. In beiden Ländern wirkte die AF nicht in die Breite, was vor allem mit dem niedrigen Ausgangsniveau der Bildung zu erklären ist; im Fall Mosambik kommt noch der einsetzende Bürgerkrieg als Ursache dazu, der eine ursprünglich angedachte regionale Ausbereitung verhinderte. In Kuba finden wir eine Parallelität von gezielter Heranbildung v.a. technischer Kader (Lenin-Schule) und einer in die Breite wirkender und auch ländliche Regionen erreichenden Erwachsenenbildung. Eine hochschulpolitische Funktion im Sinne einer Stärkung der neuen (kommunistischen) Machthaber lässt sich nur für Kuba nachweisen. Im Vergleich auch mit AF anderer Länder lässt sich hier die These formulieren, dass eine hochschulpolitische Funktion vor allem in den Ländern von Relevanz ist in denen es bereits etablierte (bürgerlich geprägte) Hochschulstrukturen existieren (Sowjetunion, DDR, Kuba), während in den de-kolonialisierten Ländern stärker die Heranbildung einer nationalen Intelligenz im Fokus steht. Die Ergebnisse der Studie werden abschließend im Kontext neo-institutionalistischer Theorieansätze diskutiert. Die AF werden hier als "global socialist educational shere" interpretiert, womit der Fokus einerseits darauf gerichtet wird, dass auch das (ehemalige) sozialistische Lager 1) in den Diskurs über Globalisierung und die generelle Ausbreitung moderner Bildung einbezogen werden muss; dieses aber auch 2) in seiner eigenen Logik und Dynamik verstanden und untersucht werden muss. In der zusammenfassenden Projektpublikation wurde als weiteres Fallbeispiel, die in einem vorherigen DFG-Projekt untersuchte AF der DDR mit dargestellt. Diese ermöglichte eine Erweiterung der Vergleichsperspektive indem neben post-kolonialen (Vietnam, Mosambik), neo-kolonialen (Kuba) auch moderne Industriegesellschaften (DDR) herangezogen werden konnten. Ebenfalls über den ursprünglichen Projektantrag hinausgehend konnten AF auch in weiteren außereuropäischen Ländern nachgewiesen werden, nämlich in China, der Mongolei, Nordkorea, Afghanistan sowie Nicaragua.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

 
 

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