Detailseite
Projekt Druckansicht

Von Girangaon nach 'Mini-Pakistan': Die prekäre Verortung werktätiger Muslime im Bombay des 20. Jahrhunderts

Antragsteller Professor Dr. Ravi Ahuja
Fachliche Zuordnung Neuere und Neueste Geschichte (einschl. Europäische Geschichte der Neuzeit und Außereuropäische Geschichte)
Förderung Förderung von 2013 bis 2021
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 237086621
 
Das Forschungsprojekt überprüft die folgenden Hypothesen: a) dass die im Laufe des 20. Jahrhunderts sich wandelnden Selbst- und Fremd-Identifikationen werktätiger Muslime in Bombay eine instabile und prekäre Verortung ihrer Wohngebiete im städtischen Raum zur Folge hatten und b) dass diese wechselnden Identifikationen und prekären Verortungen die politische Kultur der Metropole in ihrer Gesamtheit mitprägten.Konkret wird untersucht, wie Stadtteile Bombays in der öffentlichen Wahrnehmung von "Arbeitervierteln" mit vielen muslimischen Einwohnern in "muslimische Viertel" mit großem Arbeiteranteil transformiert wurden. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurden Viertel wie Madanpura oder Mominpura sowohl in der Fremd- als auch in der Selbstwahrnehmung als integrale Bestandteile des in Zentral-Bombay gelegenenen, damals größten indischen Industriedistrikts angesehen, der zunehmend als "Girangaon" (bzw. "Fabrikdorf") bezeichnet wurde. Diese Viertel beherbergten zahlreiche muslimische Arbeiter, die es aus diversen, hauptsächlich nordindischen ländlichen wie städtischen Gegenden in das Zentrum der indischen Baumwolltextilindustrie gezogen hatte. In der zweiten Hälfte des Jahrhunderts wurden diese Viertel jedoch zunehmend mit dem abschätzigen Etikett "Mini-Pakistan" versehen, um ihren "fremden", quasi extraterritorialen und "unnatürlichen" Charakter anzuzeigen.Diese Stadtteile waren vom Beginn des 20. Jahrhunderts bis zu den Bombayer Unruhen von 1992-93 mit den benachbarten vorwiegend von Hindus oder Dalits bewohnten Vierteln unentwirrbar verflochten und stellten ein dynamisches Kraftfeld dar, in dem unterschiedlichste sozio-politische Strömungen aufeinander trafen und so die politische Landschaft der Stadt formten. Antikolonialer Nationalismus, die panislamische Khilafat-Bewegung, die kommunistische Mobilisierung der Arbeitenden, der muslimische Separatismus, religiöse Erweckungsbewegungen sowie ein auf "ethnischer" Zugehörigkeit und Sprache basierender regionaler Sub-Nationalismus beeinflussten und formten die sozio-politische Atmosphäre in den vorwiegend von Muslimen bewohnten Vierteln. Basierend v.a. auf bislang vernachlässigten nicht-offiziellen Quellen in indischen Sprachen, zielt das Forschungsprojekt darauf ab, einerseits die wechselnde Anziehungskraft der konkurrierenden geistig-politischen Strömungen auf muslimische Arbeiter in Girangaon zu rekonstruieren und andererseits die sich im Untersuchungszeitraum verändernden Prozesse und Formen zu untersuchen, durch und in denen sich muslimische Werktätige in Girangaon selbst identifizierten und verorteten (als Weber, Muslime oder "kamgar"/Arbeiter) oder von anderen identifiziert und platziert wurden (als Lohnabhängige, Einwohner Girangaons, Fremde oder gar als Eindringlinge).
DFG-Verfahren Sachbeihilfen
 
 

Zusatzinformationen

Textvergrößerung und Kontrastanpassung