Vom phantasma zum intellectus. Die philosophische Neubearbeitung peripatetischer Erkenntnistheorie im De anima-Kommentar Alberts des Großen.
Katholische Theologie
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Innerhalb dieses Forschungsprojektes wurde eine Monografie zur Erkenntnislehre des Albertus Magnus erarbeitet, die sich vornehmlich mit dessen Kommentar zu der grundlegenden Abhandlung des Aristoteles „Über die Seele“ (De anima) befasst. Die Auseinandersetzung mit Kommentar und ergänzenden Schriften will es nicht bei einer intelligent gerafften Nacherzählung des Textes belassen. Sie verfolgt das Ziel, Alberts Philosophie von der internen Problemgenese her zu analysieren. Im Zentrum seiner Erkenntnislehre steht die eigenständig ausgearbeitete Lehre von Abstraktionsniveaus, die in der kontinuierlichen Vervollkommnung von Erkenntnisformen (species/intentiones) ausgebildet werden. Dies reicht über die äußeren und inneren Seelenvermögen bis zum Denken im Intellekt. Dazu ist die personhaft individuierte Erkenntnis des Einzelnen mit der universalisierten Erkenntnis im Bereich des intellektuellen Wissens zusammenzubringen. Zu diesem Zweck entwickelt Albert, beginnend mit der Seelenlehre (1 ./2. Entelechie), über die Erkenntnislehre (Sinne mit sensitiver und rationaler Befähigung) bis zur Intellektlehre (aktiver und möglicher Intellekt) das Konzept einer sich durchhaltenden Parallelstruktur, die sich im Rahmen der aristotelischen Seelen- und Erkenntnislehre bewegt, aber zugleich semiplatonische Selbstbewusstseinsmuster für die rationale Seite des Erkennens integriert. Dazu muss er den Intellektbegriff aus De anima mit dem aus Aristoteles’ Metaphysica verknüpfen. Für Albert ist der aktive Intellekt (nous poietikos/intellectus agens) im Menschen angesiedelt. Er bildet kein Metabewusstsein, das ausgehend vom göttlichen Intellekt in die Seele eingestiftet wird. Aktion und Reaktion der Sinnesorgane und Sinnesvermögen vermittelt ein pneuma. Während Albert in der Wahrnehmungslehre sich noch eng an Aristoteles’ De anima hält, ergänzt er seine systematisch angelegte Beschreibung der inneren Sinnesvermögen (Gemeinsinn bis Gedächtnis) vornehmlich aus dem Werk des Avicenna, während er in der Intellektlehre ein Modell adaptiert, das wesentlich auf den späten Averroes (über zwei Erkenntnissubjekte verbinden sich Vorstellung und möglicher Intellekt) zurückgeht, den er mit Ideen aus Alfarabi und Avicenna auch korrigiert. Albert legt seine Erkenntnislehre so an, dass dem universal gebildeten Gelehrten die kontemplative Glückseligkeit in dieser Welt erreichbar wird - was in der Zeit ungewohnt ist. Sein Bildungsoptimismus trägt elitäre Züge. Konzeptionell unterläuft Albert die traditionelle Seelen- und Erkenntnislehre des Augustinismus, den er nicht frontal angreift, sondern auf philosophischer Ebene konzeptionell als bewusster Neuerer zu überholen trachtet.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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„Die Diskussion der anima brutorum an den protestantischen Universitäten und ihre Hintergründe“, in: Wolfenbütteler Renaissance-Mitteilungen 34 (2012/13), 213-230
Bernd Roling
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„Ein Anfang ohne Umkehr: Der Sündenfall der Engel und die Unmöglichkeit der Reue zwischen Mittelalter und Neuzeit“, in: Frühmittelalterliche Studien 48 (2014), 389-411
Bernd Roling
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(2015) "Fürstliche Laien von Cusanus spielerisch belehrt. Philosophische Begrifflichkeit und metaphorische Rede in De ludo globi", in: T. Borsche/H. Schwaetzer (Hgg.) Können - Spielen - Loben. Cusanus 2014, 357-372
Norbert Winkler
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Die Gleichzeitigkeit aller Gedanken: Debatten zur Erkenntnis der anima separata zwischen Mittelalter und Früher Neuzeit, in: Susanne Köbele/Coralie Rippl (Hgg.), Gleichzeitigkeit: Narrative Synchronisierungsmodelle in der Literatur des Mittelalters und der Frühen Neuzeit, Würzburg 2015, 53-74
Bernd Roling
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(2016) "Zur Erkenntnislehre Alberts des Großen in seinem De anima-Kommentar als systematische Einheit von sensus, abstractio, phantasmata, intentiones, species, universalia und intellectus", in: Bochumer Philosophisches Jahrbuch für Antike und Mittelalter 19, 70-173
Norbert Winkler
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“Pythagoras and Christian eschatology: the debate on the transmigration of souls in early scholasticism”, in: Almut-Barbara Renger/Alessandro Stavru (Hgg.), Pythagorean Knowledge from the Ancient to the Modern World: Askesis, Religion Science, Wiesbaden 2016, 103-117
Bernd Roling
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„De asitia: Fortunio Liceti, Estevao Rodrigues de Castro und die universitäre Aufarbeitung der Magersucht im 17. Jahrhundert“, in: Jan-Henryk de Boer/Marian Füssel/Jana Madlen Schütte (Hgg.), Zwischen Konflikt und Kooperation. Praktiken der europäischen Gelehrtenkultur (12.-17. Jahrhundert), Berlin 2016, 191-211
Bernd Roling
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"Albert der Große - idea, forma, species, universalia. Alberts Philosophie mit Burkhard Mojsisch analysieren und weiterdenken“, in: T. Iremadze/U. R. Jeck (Hgg.), Veritas and Subtlety in the History of Philosophy, Essays in memoriam of Burkhard Mojsisch (1944 - 2015), Amsterdam/Philadelphia 2018, 195-229
Norbert Winkler
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„Licht von innen. Die Debatte urn den Glorienleib in der Jesuitentheologie. Francesco Suarez, Adam Tanner und Rodrigo Arriaga“, in: Verena Lobsien/Lutz Bergemann/Bernd Roling/Bettina Bohle (Hgg.), Vom Seelengefährt zum Glorienleib - Formen aitherischer Leiblichkeit, Berlin 2018, 207-236
Bernd Roling