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Ausgrabung in der nordwestlichen Unterstadt von Tiryns: Lebenswelt und kulturelle Praxis in einem neu gegründeten Siedlungsteil der mykenischen Nachpalastzeit

Fachliche Zuordnung Ur- und Frühgeschichte (weltweit)
Förderung Förderung von 2013 bis 2020
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 237526906
 
Erstellungsjahr 2021

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Die zwischen 2013 und 2018 durchgeführte, von der DFG geförderte deutsch-griechische Ausgrabung in der nordwestlichen Unterstadt von Tiryns hat einen wichtigen Beitrag dazu geleistet, die früher vorherrschende Vorstellung einer scharfen Zäsur zwischen mykenischer Palast- und Nachpalastzeit in Frage zu stellen und die enge Verzahnung zwischen den beiden Epochen hervortreten zu lassen. Der gesamte Bereich nördlich der Akropolis von Tiryns war bis zum späten 13. Jh. v. Chr. von einem aus dem Hinterland kommenden Fluss durchflossen worden, den man am Ende der Palastzeit mittels des Damms von Kofini (Nea Tiryntha) umgeleitet hat. Die geoarchäologisch-sedimentologischen Untersuchungen, die im Rahmen des Projektes durchgeführt wurden, haben gezeigt, dass die vorliegenden Flussablagerungen nicht von einer einzigen Überschwemmungskatastrophe herrühren, wie von manchen angenommen wurde, sondern sich bei über 100 verschiedenen Überschwemmungsereignissen zwischen ca. 1350 und 1200 v. Chr. akkumuliert haben. Die Untersuchungen führten ferner zum Nachweis palastzeitlicher Nivellierungs- und Planierungsschichten über den Fluss-Sedimenten, was die These unterstützt, dass ein wichtiges Motiv für die Flussumleitung in dem Wunsch zur Erschließung der nördlichen Unterstadt als neuem Siedlungsteil zu suchen ist, auch wenn diese Baumaßnahmen während der Palastzeit nicht in Angriff genommen wurden. Trotz des Fehlens von Steingebäuden der Palastzeit in der Ausgrabung gibt es deutliche Anzeichen für Aktivitäten während dieser Zeit, wobei es überraschenderweise vor allem für den Palast arbeitende Kunsthandwerker waren, die in dem Areal ihre Spuren hinterlassen haben. An verschiedenen Stellen der Ausgrabung fanden sich Werkstücke der Herstellung von Elfenbeinapplikationen für luxuriöse Möbel sowie Reste leicht gebauter Behausungen, was vermuten lässt, dass die Aktivitäten der Kunsthandwerker in und außerhalb zeltartiger Strukturen stattgefunden haben. Die systematische Bebauung des Areals erfolgte unmittelbar nach der Palastzerstörung am Beginn von Späthelladisch (SH) IIIC Früh und folgte einem in rechteckige Module aus gleich ausgerichteten Höfen und Häusern bestehenden Bebauungsschema, das in den Grundzügen in beiden Bauhorizonten des 12. Jhs. beibehalten wurde. Der planmäßige und modular strukturierte Charakter der so geschaffenen „Planstadt“ erweist die Baumaßnahme als ein Vermächtnis endpalastzeitlicher Bauplanungen und das wohl einzige Großbauprojekt, das in SH IIIC in Griechenland verwirklicht wurde. Am Beginn des ersten SH IIIC-zeitlichen Bauhorizonts entstand in dem durch die beiden Quadranten umgrenzten Bereich ein aus mindestens sechs Räumen bestehender Raumkomplex, der das bisher am komplexesten strukturierte Gebäude der SH IIIC-Zeit in Tiryns ist und das einzige, das über einen die Räume verbindenden Korridor verfügte. Am Ende des ersten Bauhorizonts kam es zu einer Brandzerstörung, die sich in vielen Zonen der Ausgrabung in Form von Ansammlungen von Brandschutt und Objektgruppen auf Fußböden bemerkbar machte. Im Anschluss an die Zerstörung wurden während des in SH IIIC Entwickelt datierenden zweiten Bauhorizonts viele der vorherigen Gebäude nicht wiederaufgebaut, wodurch sich der Anteil der Freiflächen am untersuchten Areal erhöhte. Aus bisher unbekannten Gründen bricht die Besiedlung nach dem zweiten Bauhorizont ab, womit das am Beginn des 12. Jhs. v. Chr. initiierte Urbanisierungsprojekt schon nach wenigen Generationen aufgegeben wurde. Ab dem Beginn der Früheisenzeit ist eine erneute Nutzung des durch die Ausgrabung erforschten Areals zu verzeichnen, die sich vor allem in Grabbefunden manifestiert, da die zugehörigen Hausbefunde überwiegend durch Erosionsprozesse abgetragen wurden. Mehrere Funde der Ausgrabung in der nordwestlichen Unterstadt wurden vom 1. Dezember 2018 bis 2. Juni 2019 in der Sonderausstellung „Mykene: die sagenhafte Welt des Agamemnon“ des Badischen Landesmuseums Karlsruhe und des Ministeriums für Kultur und Sport der Republik Griechenland im Schloss Karlsruhe ausgestellt. Über die Ausstellung wurde in den wichtigsten Printmedien Deutschlands berichtet.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

 
 

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