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Ausgrabung in der nordwestlichen Unterstadt von Tiryns: Lebenswelt und kulturelle Praxis in einem neu gegründeten Siedlungsteil der mykenischen Nachpalastzeit
Antragsteller
Professor Dr. Joseph Maran
Fachliche Zuordnung
Ur- und Frühgeschichte (weltweit)
Förderung
Förderung von 2013 bis 2020
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 237526906
Erkenntnisse der letzten Jahrzehnte haben gezeigt, dass sich das mykenische Tiryns im 12. Jh. v. Chr., d.h. nach der Zerstörung des Palastes, gegenläufig zu allen anderen vormaligen Zentren entwickelt hat, indem es expandierte, als jene einen Niedergang erlitten. Es gibt, abgesehen von dem Palastareal auf der Oberburg, keinen anderen Siedlungsteil, in dem sich diese außergewöhnliche Dynamik derart klar manifestiert wie in der nördlichen Unterstadt. Dort entstand ab dem frühesten Abschnitt von SH IIIC auf trocken gefallenen Ablagerungen eines umgeleiteten Flusses ein neuer Siedlungsteil, dessen Gründung auf die Initiative von Mitgliedern neuer Eliten der Nachpalastzeit zurückgehen dürfte, welche einem endpalatialen "Masterplan" folgten. Da die gesamte Zone während der späten Palastzeit von einem Fluss gekreuzt und vor seiner Umleitung nicht bebaut werden konnte, bot sich im 12. Jh. v. Chr. die seltene Gelegenheit, die Neubebauung zu planen, ohne auf ältere Gebäude Rücksicht nehmen zu müssen. Aus der Analyse der Architektur und ihrer Installation können folglich Einblicke in jene kulturelle Normen und Praktiken gewonnen werden, auf deren Grundlage die Bewohner ihre Lebenswelt gestalteten.Das Hauptziel der Ausgrabung liegt darin, die Hintergründe der sich im 12. Jh. v. Chr. in diesem Teil des Ortes entfaltenden neuen Dynamik von Siedlungsplanungen besser zu verstehen und die dort vorliegenden Siedlungsreste als Archiv zur Analyse der Kultur- und Sozialgeschichte desjenigen Zeitabschnitts zu erschließen, während dem die Geschichte der mykenischen Gemeinschaft von Tiryns einen von allen anderen mykenischen Zentren so auffällig abweichenden Verlauf nahm. Mit der Ausgrabung in der nordwestlichen Unterstadt wird ein neues Kapitel der Siedlungsforschung der mykenischen Zeit Griechenlands aufgeschlagen werden, indem die bisher in Tiryns angewandten Methoden der Befund- und Fundanalyse durch ein breites Spektrum mikroarchäologischer Untersuchungsmethoden erweitert werden, die in dieser Kombination in der Bronzezeit Griechenlands noch nie zum Einsatz gekommen sind und dazu beitragen werden, die Aktivitäten und die soziale Stellung der das Areal bewohnenden Gruppen in zeitlicher Tiefe zu charakterisieren. Die im bisherigen Förderzeitraum gewonnenen Ergebnisse zeigen, dass es sich bei der nördlichen Unterstadt von Tiryns um ein in der Ägäis einzigartiges Monument einer geschlossenen Architekturplanung des 12. Jhs. v. Chr. handelt, lassen sich doch vergleichbare, unmittelbar unter der heutigen Oberfläche liegende großräumig erhaltene architektonische Strukturen dieses Zeitraums allenfalls auf Zypern finden. Dank der guten Erhaltung von Mauern, Fußböden und Installationen und der großen Anzahl beweglicher Objekte bieten sich mannigfache Ansatzpunkte, um das dem Projekt zugrunde liegende Ziel der Identifizierung kultureller Praktiken, durch welche die Bewohner ihre Lebenswelt konstituiert und verändert haben, näher zu kommen.
DFG-Verfahren
Sachbeihilfen