Metastabile Magnesium(I)-Halogenidlösungen und ihr vielfältiges Reaktionspotential
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Der Auflöseprozess von unedlen Metallen gehört zu den elementaren Reaktionen der Chemie. Da dieser Prozess jedoch sehr schnell verläuft, ist es bisher noch niemals gelungen - und es wird wohl auch noch lange dauern - Intermediate als Momentaufnahmen in kristalliner Form abzufangen und strukturell zu charakterisieren. Auf einem indirektem Weg konnten wir jedoch mit einem apparativ anspruchsvollen Verfahren in den letzten 20 Jahren anhand zahlreicher Beispiele für Aluminium und Gallium zeigen, dass metalloide Cluster (MnRm n>m), z. B. Al77R20, die gesuchten Intermediate zwischen den Metallen und normalvalenten Verbindungen (z.B. Salzen) sind. Ein besonders prominentes Beispiel für den Löseprozess eines unedlen Metalls ist die Bildung des Grignard Reagenz (GR): Mg(fest) + RX → RMgX. Da diese Reaktion zumindest am Anfang sehr langsam verläuft, wurde nach experimentellen Befunden die Anwesenheit von Mg(I) Spezies in der Reaktionslösung postuliert. Hieraus resultiert das bis heute gängige Lehrbuchwissen, dass Mg(I) Spezies (z.B. MgCl) entscheidende Intermediate beim Bildungsprozess des GR sind. Motiviert durch unsere Voruntersuchungen zu MgCl Spezies: (a) Erzeugung bei ca. 1000°C, Matrixisolation in festem Argon und spektroskopische Charakterisierung von MgCl und Mg2Cl2 und (b) DFT Rechnungen an oligomeren MgCl Molekülen, hatten wir uns in diesem jetzt abgeschlossenen Projekt die Aufgabe gestellt, MgCl/MgBr Moleküle im Synthesemaßstab herzustellen (ca. 2g in einer metastabilen Lösung pro Versuch) und deren Reaktionen besonders im Hinblick auf den postulierten intermediären Charakter bei der Bildung des GR zu untersuchen: 1) Mithilfe von MgX Lösungen konnten einige donorfreie Grignardverbindungen hergestellt und strukturell untersucht werden: z.B. die Anionen Mg2I3Cp*2 und Mg3Cl4Cp*3. Diese donorfreien Grignardverbindungen lassen sich jedoch nicht zu Mg(I) Spezies enthalogenieren: RMgX + M → MgR + MX, obwohl die analoge Bildung von AlCp* aus Cp*AlX2 gelingt. 2) Metastabile MgBr Lösungen sind gegenüber Diazadien ein stärkeres Reduktionsmittel als Natrium-Atome! 3) Bei der Bildung von Grignardverbindungen sind nicht MgX/MgR Radikale laut Lehrbuchwissen essenzielle Intermediate sondern metalloide Mg-Cluster. Als erstes Beispiel für einen solchen Cluster konnte ein Mg16Cp*8Br4K-Cluster mithilfe des ESI Verfahrens im FT-ICR Massenspektrometer nachgewiesen werden.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
- Hunting for Mg(I) species: Formation, structure and reactivity of some donorfree Grignard compounds; Angew. Chem. 2012, 124, 9159; Angew. Chem. Int. Ed. 2012, 51, 9025
T. Kruczyński, N. Pushkarevsky, P. Henke, R. Köppe, E.Baum, S. Konchenko, J. Pikies, H. Schnöckel
- From MgBr via single-electron transfer (SET) to a paramagnetic Mg(II) compound and back to Mg(I): [MgBr(L1)•]2 and [K(thf)3]2[Mg2(L1)2], L1 = RN=C(Me)C(Me)=NR, R = 2,6-Diisopropylphenyl, Chem. Commun. 2014, 50 (99), 15677
T. Kruczyński, P. Henke, T. Augenstein, N. Arleth, F. Breher, H. Schnöckel
(Siehe online unter https://doi.org/10.1039/c4cc07680j) - Many Mg-Mg bonds form the core of the Mg16Cp*8Br4K cluster anion: The key to a reassessment of the Grignard Reagent (GR) formation process?, Chemical Science 2016, 7, 1543
T. Kruczyński, F. Henke, M. Neumaier, K. H. Bowen, H. Schnöckel
(Siehe online unter https://doi.org/10.1039/c5sc03914b)