Experimentelle Untersuchungen zum Einfluss einer hohen faserparallelen Spannung auf das Zwischenfaserbruchgeschehen in CFK
Zusammenfassung der Projektergebnisse
2.1 Allgemeinverständliche Darstellung der wesentlichen Ergebnisse und der erzielten Fortschritte gegenüber dem Stand des Wissens. Der Festigkeitsanalyse hoch belasteter Bauteile aus faserverstärkten Kunststoffen kommt u. a. wegen steigender Materialkosten und Leichtbauanforderungen immer größere Bedeutung zu. Zurzeit existiert eine Reihe werkstoffgerechter Festigkeitskriterien, anhand derer eine fundierte Auslegung endlos faserverstärkter Kunststoffe erfolgen kann. Aufgrund von Anisotropie und heterogenem Aufbau sind je nach Belastung unterschiedliche physikalische Vorgänge im Werkstoff zu berücksichtigen. Eine bisher ungeklärte Frage ist dabei der Einfluss hoher mechanischer Spannungen in Faserrichtung auf die Entstehung von Zwischenfaserbrüchen. Nach der strikten Festigkeitstheorie nach Puck besteht keine Wechselwirkung zwischen den Zwischenfaserbruch verursachenden und den faserparallelen Spannungen [Puc96]. Experimentelle Untersuchungen deuten bei Überlagerung dieser Spannungen jedoch eine Abnahme der Zwischenfaserbruchfestigkeit an. Als mögliche Ursache werden in der Literatur mikroskopische Schädigungen wie statistisch verteilte Filamentbrüche und Faser-Matrix-Ablösungen vermutet. Für die sichere Anwendung eines Festigkeitskriteriums, welches zu zuverlässigen Ergebnissen führen soll, ist dessen Validierung unbedingt erforderlich. Zur Aufklärung dieses Phänomens sind daher systematische Untersuchungen durchgeführt worden, welche in nahezu allen relevanten Spannungsbereichen einerseits die Absenkung der Zwischenfaserbruchgrenze quantifizieren sollen. Dies ist durch konnplexe experimentelle Versuche geschehen, in welchen mehrachsige Spannungszustände erzielt werden konnten. Andererseits wurden durch die zeitlich getrennte Aufbringung von faserparallelen Spannungen sowie zum Zwischenfaserbruch führenden fasersenkrechten Spannungen und Schubspannungen weitere Erkenntnisse hinsichtlich der physikalischen Ursachen gewonnen. Je nach Spannungskombination wurden verschiedene experimentelle Methoden angewandt. So haben sich zur Ermittlung mehrachsiger Spannungszustände Rohrprobekörper bewährt, welche im Faserwickelverfahren hergestellt werden können. Solche Rohrprobekörper können durch axialen Zug/Druck, durch Torsion oder durch Innendruck belastet werden. Durch die Orientierung der Prüfschicht und durch den Aufbau eines stützenden Laminats auf dem Probekörper können so nahezu alle mehrachsigen Spannungszustände erzielt werden. Insbesondere für die Untersuchung hoher faserparalleler Druckspannungen eignen sich jedoch 4-Punkt-Biegeprobekörper, da sie nicht zur Ausbildung geometrischer Instabilität der in der Regel sehr dünnen Prüfschicht führen. Die durchgeführten Untersuchungen haben jedoch gezeigt, dass die Kombinationen faserparalleler Druckspannungen mit fasersenkrechten Zugspannungen bzw. mit fasersenkrechtZ-parallelen Schubspannungen mit keiner der vorgestellten Versuchsmethoden zu veriässlichen Ergebnissen ohne Stabilitätsversagen führen. Für alle anderen Spannungskombinationen wird im Experiment erwartungsgemäß eine Absenkung der Zwischenfaserbruchgrenze unter mehrachsiger Belastung beobachtet. Aufgrund der hohen werkstoff- Ijchen Streuungen ist für diese jedoch keine genauere Formulierung möglich, als die von Puck und der VDl-Richtlinie 2014 vorgeschlagene elliptische Absenkung [Puc96, NN06]. Bemerkenswert ist allerdings der Vergleich der Versuche mit kombinierten Lasten (mehrachsige Spannungszustände) mit den Versuchen mit getrennt aufgebrachten Lasten (Vorbelastung durch einachsige Spannungszustände). Es zeigt sich, dass es nicht zu einer Absenkung der Zwischenfaserbruchgrenze kommt, wenn zuvor hohe faserparallele Spannungen in der Prüfschicht vorgeherrscht haben. Der Erklärungsansatz, der auf einer Vorschädigung des Werkstoffs an Einzelfilamenten und Faser-Matrix-Grenzflächen basiert, ist damit prinzipiell unbegründet. Vielmehr müssen lokale Spannungsspitzen an werkstoffbedingten Fehlstellen In Betracht gezogen werden, die sich bei mehrachsigen Belastungen in höherem Maße Bruch initiierend auswirken als bei einachsigen Belastungen. 2.2 Ausblick auf künftige Arbeiten und Beschreibungen möglicher Anwendungen. Aufbauend auf den hier vorgestellten experimentellen Ergebnissen und Erkenntnissen ist eine umfassende statistische Absicherung der Absenkung der Zwischenfaserbruchgrenze in den einzelnen Spannungsbereichen anzustreben, um eine Optimierung ihrer mathematischen Abbildung zu ermöglichen. Es muss jedoch beachtet werden, dass die hohen Streuungen werkstofflich und im Falle von FVK damit letztlich fertigungstechnisch bedingt sind. Eine weitere Präzisierung der Zwischenfaserbruchgrenze ist daher sinnvoll, sobald die Herstellungs- und Prüfkonzepte derart überarbeitet worden sind, dass reproduzierbare Ergebnisse schneller bzw. einfacher geliefert werden können. Durch die so mögliche Erhöhung der Probenzahl kann eine statistische Absicherung erfolgen. Weiterführende Untersuchungen sollten sich zudem vornehmlich auf die Konzeptentwicklung einer Versuchstechnik konzentrieren, mit welcher mehrachsige Spannungszustände mit hohen faserparallelen Druckspannungen zuverlässig ohne die Ausbildung von Instabilitäten erzeugt werden können. Damit könnten die hier vorgestellten Ergebnisse um wichtige Erkenntnisse ergänzt werden. Anwendung finden die neu gewonnenen Erkenntnisse in der Festigkeitsanalyse und damit in der Konstruktion und Dimensionierung von Bauteilen aus FVK. Aktuelle Softwareprogramme bieten üblicherweise eine Reihe verschiedener Festigkeitskriterien an und orientieren sich zunehmend auch an der VDl- Richtlinie 2014. Die hier ermittelten Daten erleichtern die Einschätzung der Empfehlungen dieser Richtlinie, z.B. die Auswahl des bestmöglich geeigneten Kriteriums und seiner Parametrisierung, und führen damit schließlich zu präzisen Auslegungsergebnissen.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
-
LAMBRECHT, L.: Erforderiiche Parameter für die Anwendung der Puck'schen Bruchkhterlen. IKVFachtagung Dimensionieren mit faserverstärkten Kunststoffen am 14.-15. Juni 2008. Aachen, 2008
-
MANNIGEL, M.: Untersuchungen zum Einfluss von Schubspannungen auf das Faserbruchgeschehen in CFK. Dissertation, RWTH Aachen, Verlag Mainz, 2007, ISBN 3-86130-853-3
-
MICHAELI, W.; PRELLER, F.: Schritt zur werkstoffgerechten Auslegung. Plastverarbeiter 59 (2008)9, S. 136
-
MICHAELI, W.; PRELLER, F.; KÜHNEL, E.; LAMBRECHT, L.; FISCHER, K.: CAE für FVK - Von der Auslegung bis zur Anwendung. Umdruck zum 24. IKV-Kolloquium, Aachen, 2008