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Vom Trauma zur Marke?Das Jüdische Berlin zwischen Erinnerungspolitik und urbanem Marketing
Antragsteller
Professor Dr. Wolfgang Kaschuba
Fachliche Zuordnung
Ethnologie und Europäische Ethnologie
Förderung
Förderung von 2013 bis 2017
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 238925054
Jüdisches Berlin: Dieser Begriff bezeichnet einerseits ein zentrales Element deutscher Holocaust-Erinnerung, andererseits zunehmend aber auch eine neue touristische Marke. In der Vermarktungspraxis der Hauptstadt wurde in den letzten Jahren ein spezifisches, stadtgeschichtliches Image aufgebaut, das nun eine besondere Mischung aus historischen Bildern, erfahrbarer Geschichte, aktueller Erinnerungskultur und dem Versprechen authentischer Spuren des verlorenen deutsch-jüdischen Lebens präsentiert.Damit werden im Zusammenspiel von Marketing-Agenturen, der Tourismusbranche, den städtischen Medien, den Kulturschaffenden, Gastronomen und Festivalagenturen und schließlich auch der Wissenschaft ein Prozess eingeleitet, der sich als Politik der urban imagineering bezeichnen lässt. Gemeint ist damit ein ausdifferenziertes Diskurs- und Praxisfeld, in den vor allem auch professionalisierten Akteursgruppen aktiv daran beteiligt sind, spezifische Bilder, Narrative und Symbole der großen Städte zu generieren. Sie betonen bewusst deren Eigenlogik (LÖW 2005) als ein Alleinstellungsmerkmal, das sich aus der Geschichte und Ökonomie wie aus der gesellschaftlichen und kulturellen Entwicklung urbaner Räume speist und die damit historische Plausibilität erhält und neue symbolische Wirkung erzielt (KASCHUBA 2005, FÄRBER 2008). Urban Imagineering bezieht sich damit stets sowohl auf die historischen Images wie auf die imaginären Symboliken einer Metropole (APPADURAI 1998).Das geplante Projekt geht davon aus, dass die Bilder des Jüdischen heute einen elementaren Markenkern im Prozess des urban imageneering Berlins darstellen. Daher sollen diejenigen Bilder, Strategien, Praxen und Akteure beobachtet und analysiert werden, die dieses Jüdische Berlin auf den Weg brachten und bringen. Gleichzeitig soll dabei in theoretischer Hinsicht die Brauchbarkeit des Konzepts Eigenlogik überprüft werden und zu fragen ist schließlich insbesondere auch nach den Wechselwirkungen zwischen der Entwicklung der Marke Jüdisches Berlin und der deutschen Gedächtnispolitik der Holocaust-Erinnerung der letzten Jahrzehnte. Im Unterschied zu dem von der DFG geförderten Vorgängerprojekt Jüdische Räume: historische und symbolische Landschaften in Budapest und in Berlin soll es hier nicht primär um die Produktion jüdischer Selbstbilder gehen, sondern nun vor allem um jene Produktion von Fremdbildern, die den urbanen Räumen ihre imaginative Signatur verleihen. Die Arbeitshypothese lautet hierbei, dass dieses Jüdische Berlin heute im Begriff steht, als imaginatives Konstrukt re-ethnisiert und damit exotisiert zu werden: nicht mehr als historischer Bestandteil deutscher Stadt- und Erinnerungskultur betrachtet zu werden, sondern nur mehr als eine von vielen migrantisch - fremden urbanen Kulturen.
DFG-Verfahren
Sachbeihilfen
Internationaler Bezug
Israel
Beteiligte Personen
Professor Michal Bodemann; Professorin Dr. Christina von Braun; Professor Dr. Jackie Feldman