SFB 1128: Relativistische Geodäsie und Gravimetrie mit Quantensensoren - Modellierung, Geo-Metrologie und zukünftige Technologie (geo-Q)
Informatik, System- und Elektrotechnik
Physik
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Der Klimawandel ist eine der größten Herausforderungen unserer Zeit. Die für diese Veränderungen relevanten Prozesse werden wir nur verstehen können, wenn wir die zeitlichen und räumlichen Variationen des Schwerefeldes der Erde analysieren. Gravitationsdaten ermöglichen die Quantifizierung von Massenveränderungen wie dem Massenverlust von polaren Eisschilden, dem Anstieg des Meeresspiegels durch Abschmelzprozesse und Veränderungen im Wasserkreislauf. Gravitationsdaten werden auch dringend benötigt, um die in der Geodäsie und Erdbeobachtung verwendeten Referenzsysteme zu verbessern. Die wissenschaftlichen Herausforderungen sind dreifach: • die Bestimmung und Beobachtung von globalen und regionalen Gravitations- und Massenveränderungen durch Prozesse, die nicht mit der Genauigkeit der aktuellen Gravitationsmesstechniken erfasst werden können; • die Bestimmung von Gravitationsschwankungen mit einer räumlichen Auflösung, die für ein genaues Verständnis der Massenumverteilung und für die Trennung der zugrundeliegenden Quelle und Mechanismen notwendig ist; • die Bereitstellung einer genauen Gravitationsreferenz für die Langzeitüberwachung von Prozessen als Grundlage für die zuverlässige Quantifizierung sowohl langfristiger Veränderungen als auch kurzfristiger Schwankungen. Um diesen Herausforderungen gerecht zu werden, sind neue Konzepte zur Beobachtung von Massenvariationen erforderlich. geo-Q hat das Fachwissen der Geodäsie und der Physik in einer einzigartigen Konstellation kombiniert und hat grundlegend neue Sensoren und Messtechniken auf Basis der Quantenmesstechnik erforscht und entwickelt. In der Satellitengravimetrie haben wir Laserinterferometer-Systeme genutzt, um Schwankungen in der Relativbewegung zwischen Testmassen im Orbit mit Nanometergenauigkeit über große Entfernungen und Pikometergenauigkeit im Labor zu messen, die eine geeignete räumliche und zeitliche Erfassung von Gravitationsschwankungen ermöglichen. Es ist uns gelungen, die wichtigsten Rauschursachen in der raumgestützten Laserinterferometrie zu charakterisieren und Methoden zu entwickeln, um sie zu vermindern. Hier konnte geo-Q entscheidend vom Wissenstransfer aus der sehr erfolgreichen Mission "LISA Pathfinder (LPF)" (2015 - 2017) in Schwerefeldmissionen profitieren. Die Mission GRACE Follow-On (GRACE-FO) (Start 2018) profitiert bereits von diesem wechselseitigen Austausch. Innerhalb geo-Q haben wir außerdem atomare Gravitationssensoren, die Materiewelleninterferometrie mit Atomen im nano-Kelvin- bis pico-Kelvin-Temperaturbereich nutzen, für die schnelle und sehr präzise Schwerefeldmessungen untersucht und entwickelt. Diese Neuentwicklungen umfassen sowohl kompakte, mobile Geräte für Feldkampagnen als auch stationäre Großgeräte für höchste Präzision. Während erstere neue Strategien für lokale und regionale Schwerefeldmessungen ermöglichen, werden letztere in Zukunft als neuer Messstandard dienen. geo-Q ermöglichte einen Paradigmenwechsel in der Atominterferometrie, indem es ein Quantengravimeter vorstellte, das Interferometrie mit auf Atomchips erzeugten Bose-Einstein-Kondensaten nutzt. Als dritte Säule leistete geo-Q Pionierarbeit im Bereich der relativistischen Geodäsie und ihrer praktischen Anwendung zur Realisierung physikalischer Höhensysteme und Schwerefeldbeobachtungen. Der Schlüssel dazu ist die Beobachtung und der Vergleich der Frequenzverschiebung durch die Gravitation über weite Entfernungen auf der Erde. Potentielle Gravitationsdifferenzen in geodätischen Netzwerken unter Verwendung transportabler optischer Atomuhren und Frequenzübertragung in Glasfasernetzwerken können so bestimmt werden. Zwischen Paris und Braunschweig wurden erfolgreiche Messungen auf dem Niveau 10^−17 für die relative Frequenzdifferenz durchgeführt. Neben der Erforschung von Messsystemen und -techniken, bei denen immer genauere Daten gewonnen wurden, haben wir außerdem eine solide theoretische Grundlage für die Analysemodelle erarbeitet. Dazu war eine spezifische relativistische Modellierung der verschiedenen beteiligten Gravitationsfeldgrößen und Messkonzepte erforderlich. Eine allgemeine relativistische Definition des Geoids wurde entwickelt und es wurde gezeigt, dass die "isochronometrischen Oberflächen" aus Uhrenmessungen mathematisch mit einer auf dem Nivellieransatz basierenden Definition übereinstimmen. In Hinblick auf die Entwicklung von Uhrennetzwerken, die eine Stabilisierung von Höhensystemen ermöglichen können, wurde mithilfe von synthetischen Uhrendaten untersucht, wie viele Uhren (≥ 4) nötig sind, um das Ergebnis in Kombination mit klassischen geodätischen Beobachtungen zu verbessern. Darüber hinaus wurde ein Rahmenkonzept entwickelt, um die allgemeine Relativitätstheorie mithilfe von Uhren zu testen. Diese Uhren und Konzepte ermöglichen neue Entwicklungsansätze für Aufgabenstellungen in der Geodäsie, wie die Vereinheitlichung von Höhensystemen und Schwerefeldbestimmungen in der Zukunft. Die geodätischen Projekte unterstützten die Entwicklung neuer Konzepte, um den Anforderungen an die Erdbeobachtung gerecht werden, und untersuchten die bestmögliche Nutzung dieser neuen Daten. Wir wissen heute, wie man mit Störsignalen in der Abstandsmessung zwischen Satelliten umgeht und sind auch in der Lage, potenziell störende Signale bei Uhrenmessungen zu berücksichtigen. Darüberhinaus ist es in geo-Q gelungen, durch die Kombination von weltraumgestützter Gravimetrie und terrestrischen Daten ein hochgenaues statisches Schwerefeld zu bestimmen. Die Entwicklung und Umsetzung neuer Konzepte zur Beobachtung von Massenverschiebungen bei geo-Q ermöglicht zukünftig die Gewinnung wichtiger quantitativer Größen für die Klimaforschung mit der dementsprechend enormen Bedeutung für alle Geowissenschaften.
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