Klebezungen bei Amphibien: funktionelle Morphologie, Biomechanik und Evolution eines natürlichen Hochleistungshaftsystems
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Alle terrestrischen Frösche und Salamander (Lissamphibia: Batrachia) nutzen Klebezungen, um Beutetiere einzufangen. Bei vielen Arten werden diese Zungen mit hoher Geschwindigkeit auf entfernte Beutetiere geschleudert. Da die Bewegungen hierbei sehr schnell sind, muss innerhalb von Millisekunden ein fester Kontakt zwischen der Zunge und dem Beutetier ausgebildet werden. Dieser Kontakt muss stark genug sein, um das Beutetier vom Boden abzuheben und ins Maul zu befördern. In diesem Projekt wurden erstmalig die Hafteigenschaften der Zungen von Fröschen und Salamandern untersucht, wobei aus Gründen des Versuchsdesigns, anders als zunächst geplant, ein Schwerpunkt auf der Untersuchung der Zungen von Schmuckhornfröschen aus der Gattung Ceratophrys lag. Im Tierversuch wurde gezeigt, dass Ceratophrys sp. mit der Zunge auf Glas Haftkräfte jenseits des eigenen Körpergewichts erreichen kann. Diese beeindruckende Entdeckung wurde auch von den Publikumsmedien vielfach aufgenommen. Im Erzeugen der großen Haftkräfte scheint ein Zusammenwirken aus Oberflächenbeschaffenheit und Mucus eine wichtige Rolle zu spielen. Im Vergleich mit verschiedenen Froscharten zeigte sich eine große zwischenartliche Diversität an Oberflächenstrukturen der Zungen. Einige dieser Unterschiede scheinen funktionelle Ursachen zu haben, andere scheinen phylogenetisch begründet. Eine genauere Gewichtung von funktionsmorphologischen und phylogenetischen Einflüssen bedarf weiterer groß angelegter vergleichender Untersuchungen. Neben den Adhäsionskräften und der Zungenanatomie wurde die zeitliche Abfolge der Kontaktbildung und des Ablösens der Froschzunge mittels Highspeed-Video gefilmt und mit einer zeitlichen Auflösung von 2.000 Bildern pro Sekunde ausgewertet. Hierbei konnten erstmalig deutliche Analogien zwischen Froschzungen und technischen Haftmaterialien, den Pressure Sensitive Adhesives (PSAs), aufgezeigt werden. PSAs sind eine Gruppe von Haftmaterialien zu denen z.B. auch Klebeband gehört. Aufgrund der Anordnung der Muskelfasern in der Zunge wirkt bei Ceratophrys sp. Kraft des Zungenretraktormuskels beim Zurückziehen der Zunge gleichmäßig über die gesamte Kontaktfläche. Dadurch wird ein Ablösen des Kontakts durch Abschälen (Peeling) verhindert und höhere Zugkräfte können generiert werden, ohne das der Kontakt bricht. Durch die Kombination aus experimentellem Arbeiten und morphologisch beschreibenden Vorgehen ergibt sich für Ceratophrys sp. nun ein möglichst vollständiges Bild zum Mechanismus der Zungenhaftung. Während es sich bei Ceratophrys sp. um ausgesprochene Nahrungsgeneralisten handelt, bleibt für zukünftige Arbeiten zu klären, ob z.B. durch Spezialisierungen auf bestimmte Beutetiergruppen oder durch unterschiedliche Beutefangmethoden, Abweichungen zur Zungenhaftung bei Ceratophrys sp. vorliegen.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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2014. Tongue adhesion in the horned frog Ceratophrys sp. Scientific Reports 4: 5225
Kleinteich T & Gorb SN
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2015. Frog tongue acts as muscle powered adhesive tape. Royal Society Open Science 2: 150333
Kleinteich T & Gorb SN
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2015. To have a frog in the throat: micro-CT imaging of anuran prey in Ceratophrys ornata (Anura: Ceratophryidae). Salamandra 51: 209 – 211
Kleinteich T
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2016. Frog tongue surface microstructures: functional and evolutionary patterns. Beilstein J Nanotechnol 7: 893 – 903
Kleinteich T & Gorb SN
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2016. Landing on branches in the frog Trachycephalus resinifictrix (Anura: Hylidae). J Comp Physiol A 202: 267 – 276
Bijma NN, Gorb SN & Kleinteich T